Reisen -Indien 4

Samstag, 22. Dezember 2007

Indien 4

So. 11.-13. Nov. Ranakpur und Mount Abu

Ranakpur ist nur ein riesiger Tempelbereich von Jain - Heiligtümern. Das geht in Mount Abu mit diesen Tempeln, diesen in Stein gemeißelten Hymnen an Gott, genau so (Ehrfurcht gebietend?) weiter. Diese Jain-Tempel sind so was von filigran in ihrem figürlichen und anderem Dekor, einfach unglaublich. Daß dies Menschen möglich ist?! Ein Schlag zuviel, oder zu heftig, oder daneben, und die ganze Steinkette aus Monaten Arbeit wäre zerstört. Und die Säulen aus Marmor sind gleich ganze Säulenwälder.
Gestern 1442 Säulen! In einem einzigen Tempel, und jede Säule mit Hoch -und Tiefreliefs bearbeitet.
Wenn was zum Heulen schön ist, redet man wohl von Ergriffenheit.
Ergriffen wovon?
Von hin- und wegreissender Schönheit, Ent-Zücktheit. Unabhängig von dem, wofür die steht, gewährt sie Abgesoffenheit bis auf den ruhenden Grund des Meeres. Daß so etwas Menschen möglich ist...

Nachts:
Hier reden die Leute im Bus miteinander, d. h. da ist Regelungsbedarf angemeldet.
Ob unsereiner mit unsereinem im Deutschland redet oder nicht, macht keinen Unterschied: wir sind schon durchgeregelt.
Wegen dieses Ordnungsüberschusses bleibt dem Deutschen/Amerikopäer sein Innerlichkeitskram, oder man geht shoppen, weil man die Mittel dazu hat, und von den damit vollzogenen Zwecken nichts mehr wissen will.
Wir sind derartig aufs Funktionieren konditioniert, dass uns unangenehm auffällt: in Indien funktioniert erst mal nichts.

Daher – weil unser Wille in der bewusstlosen Funktion haust – mögen wir unsere Elektro-Domestiken. Und die ideologische Wucht des Autos erklärt sich überhaupt nur aus der Anzahl der P.S., über die einer verfügt, wenn er sonst schon nichts zu melden hat.
Die Anpassung der Seele an den Maschinenpark ist dann gelungen, wenn die von der Arbeit Heimkehrenden ganz freiwillig den On - Knopf des TV betätigen. Wehe, wenn dann kein Bild, kein Ton!
An der aufkeimenden Wut merkt man, dass da ein Sklave seinen Dienst verweigert.

13.Nov. Immer noch Mount Abu
Aus dem Plan, hier länger zu stationieren, wird wieder mal nichts. Grund; man widerrät allgemein, größere Streifzüge im Hinterland zu machen, wegen der drohenden Überfälle verarmter Bauernhorden im Hinterhalt, scharf auf die Träger von money, money.
Es lässt sich eben nicht jeder alles gefallen. Und wenn so einer nicht die Hilfe bekommt, die er braucht, greift er zur Selbsthilfe. Vor allem, wenn er dicht daneben den geradezu obszönen Reichtum in dicken Karossen nur so an sich vorbeiziehen sieht.
Ich rege mich gar nicht über „arm-reich“ auf. Habe nur was gegen die verordnete Armut. Sollen doch die Reichen so arm sein dürfen wie sie mögen, wenn sie nur nicht die ihnen funktional zugeordnete Armut managen, und von ihren Parasiten predigen lassen.
Mount Abu ist ein einziger Rummel, und ich dachte schon mal, der Petersdom und der ganze Lateran wäre überlaufen. Weit gefehlt. Von der über eine Milliarde Inder treffen sich jetzt zu Holiday - Zeiten mindestens die Hälfte immer genau da, wo ich auch bin
Die hiesigen Tempel der Jains sind aber auch zu schön. Und das in einer Bilderbuch-Indien-Landschaft. Die Szenerie hier ist das Indischste, was ich bislang zu sehen bekam. Der Exotismus setzt sich zusammen aus buckligen Felsen und leicht gewölbten Plattenschüssen, die von Palmen gesäumt werden, an denen Prunkwinden 10 m hochklettern. Schicke Tempeltürme (Shikaras). Bananenstauden, Felder, aus denen rundliche Felsen wachsen. Die roten Bougainvillas, überhängend aus den Gärten, nicht zu vergessen.

Die Vegetation: Mangiferens, Pipal, Ficus bengalis, eine Baumart (Erythrina indica), die über und über mit Stacheln bedeckt ist, was man erst dann richtig sieht, wenn alles Laub abgefallen ist.
Und wenn du ein Weilchen wartest, kommt eines der hübschen Buckelrinder mit Sichelmondgehörn hinter dem nächsten Palmen-Felsen hervor.

Nachts:
„The more you know, the less you understand.“ Trost derer, die schon immer der Ansicht waren, am kindlichen Wesen werde die Erde genesen.

Mi. 14 Nov., Udaipur
Im Palast konnte ich königliche Kuriosa bestaunen: den königlichen Nachtstuhl, Elfenbeintüren, Marmormosaiken mit eingearbeiteten Spiegelteilen, eine Rosenwasserzerstäubungsmaschine, eine Waage, die im Sitzen funktionierte, damit seine Hochwohledle Verfettetheit nicht etwa stehen musste beim Ablesen der neuerlichen Gewichtszunahme usw... im Märchenhaften und Grausligen.
Typisch, dass die Rajputen erst dann ihr Ja zum indischen Staat ablieferten, als man ihnen "Privatschatullen" zugestand, also das garantierte arbeitslose Einkommen in angemessener Höhe, wie sie das seit Jahrhunderten gewohnt waren.
Damit Ihresgleichen ihnen nicht etwa was wegnehmen konnte, waren die Tore ihrer Festungen in Höhe eines Elefantenkopfes mit sehr kräftigen Eisenspitzen versehen, so dass die Tore nicht von rammenden Elefanten eingedrückt werden konnten.
Märchenhaft auch das Verhältnis der Inder zur Zeit. Für morgen und gestern gibt es nur ein und das selbe Wort: kal. Schließlich ist beides vom Sprecher gleich weit entfernt. Dazwischen liegen einfach irgendwelche Wechsel, vom Sternenhimmel zur Sonne zwischen den Palmwedeln und zurück.
Was also ist Zeit?

Nachts:
Man kann Indien nicht lieben. Die das behaupten, wollen sich bloß interessant machen. Indien ist eine einzige Demütigung denkender Wesen.
Jeder Affe sieht proper aus, was man nicht von allen Indern sagen kann.
Kühe schreiten, Inder stolpern übereinander.
Ihre Welt endet an der Körpergrenze. Daher die Philosophie von Asozialen: Meditation als „erste und letzte Freiheit.“ Ein kostenloses Zurückgreifen auf das , was ohnehin da ist, um Zeit und Welt zu eliminieren. Sehr indischer Einfall.
Ein geeignetes Symbol für Indien wäre: eine riesige, vollkommen leere Abfalltonne steht in einem sie umbrandenden Schwall von Plastikmüll, der im nächsten Augenblick in die Tonne überzufließen droht.

Fr. 16. Okt., Eklingji
Ausflug zu den 108 Tempeln von Eklingji. Der Herrscher von Mewar stattet diesem Bezirk jeden Montag (heiliger Tag Shivas) seinen rituellen Besuch ab.
Merke: erst wenn etwas keinerlei erkennbaren Zweck hat, macht es wirklichen Sinn.
Jede Zwecksetzung des menschlichen Willens beschmitzt die Reinheit und Leere der Sinnsphäre.
Mädchen im heiratsfähigen Alter flüstern Nandi, dem Reittier Shivas, etwas ins Ohr. Da hier ein Lingam (Phallus) aus schwarzem Marmor verehrt wird, lässt sich zumindest auf den Bereich schließen, wohin die Wünsche zielen. Das Shivalingam ist die symbolisch stilisierte Kombination jener Körperregionen, über die Männlein und Weiblein herausgefunden haben, dass sie da gut zusammenpassen.

Sa. 17. Okt. Chittaurgargh
Heute morgen ein angenehmer Transfer nach Chittaurgarh. Über eine vierspurige Autobahn mit den in Indien üblichen Einschränkungen: in der Nähe von Ortschaften kamen einem Kinder, Kamele, Kühe und hochbeladene Karren auf der eigenen Spur entgegen. Das Gelände des Forts dann: reines Wohlfühlgelände mit Parkelementen, Tempeln, Türmen, Palästen.
Aber die Geschichte!
Hier ein paar Einzelheiten zu der Kultur des Todes der Rajputen. Beide Geschlechter wurden für den Tod erzogen. Das männliche für den Schlachtentod. Das weibliche für den kollektiven Selbstmord auf dem Verbrennungshaufen, Kriegerwitwen gab es also erst gar nicht.
Im Geiste des militaristischen Fundamentalismus, also für Sieg oder Tod erzogen, kam es dreimal zu diesen grausigen Massenselbstmorden (Jauhar), wobei beim ersten Mal die Männer zusahen wie ihre Frauen, Mütter und Schwestern sich lebenden Leibes ins Feuer warfen. Dann rieben sie sich mit deren Asche ein und zogen in den sicheren Schlachtentod. Beim ersten Mal wählten 13000 !! Frauen den rituellen Opfertod. Beim letzten Mal, als der Mogul Akbar a. d. 1567 einfach mal so 30 000 Bewohner von Chittaurgarh tötete, warfen sich vermutlich ebenso viele Frauen im kollektiven Selbstmord auf die Verbrennungshaufen. Lieber Tod als Unterwerfung.

Diese Kriegerkaste hielt zunächst nichts von Distanzwaffen, sondern sah seine Ehre in der Schnelligkeit der Nahkampfwaffen, die sehr einfallsreich ausfielen wie man das in den Museen besichtigen kann. Erst als die Kanonen der Mogule ihre Reihen schlagartig zu Hunderten lichtete, begann ein Uminterpretieren des Todes, für den man geboren wurde.
Die entsprechende Musikkultur: eine die blutigsten Instinkte wachrüttelnde Trommelrhythmik und ein Blasinstrument, das sich anhört wie der Wutschrei eines verärgerten Elefanten. Noch nie kam mir der Tod derartig schrecklich verlockend vor. Ein düsteres Erlebnis, das mich gegen mich selbst misstrauisch machte.
Viva la muerte!
Dem Hitler seinem Adolf hätten die Kerle gut gefallen.

Nachts:
All dem entnehme ich: Glaube ist immer fundamentalistisch und destruktiv.
Tut mir leid. Der leidige Bischof Meissner hat recht, auch wenn das dem Christenpöbel nicht in den Kram passt. Wenn Kunst und Religion nicht mehr Fundament zu sein beanspruchen, dann liegt da eine phantasievolle Bebilderung gängiger Moral vor, an die man sich hält, oder im günstigen Falle der Unbeaufsichtigtheit eben auch nicht.
Religion beansprucht nämlich definitionsgemäß - und der Sache nach - tatsächlich unterschieden von Moral zu sein, und sie letztinstanzlich zu begründen. Womit nun mal die Schweinerei vorliegt, dass sie den in die Scheiße Getunkten erklärt, warum das genau so sein muss. Die Gnadenlosigkeit der Kastengesellschaft spricht da eine deutliche Sprache.

18.-19. Nov., Bundi
War mal wieder ein hartes travelling heute.
Wenn meine Keimdrüsen einen Hintern hätten, könnte ich schreiben, dass sie heute eine verdammt lange Tracht Prügel bezogen. So muss ich mich begnügen mit der nüchternen Feststellung, dass besagte Gonaden auf einer im Werden begriffenen Art Lehmpiste 5 Stunden lang durchgerüttelt wurden.
Musste nach Ankunft mein linkes Hosenbein durchwaschen, weil die Schuhsohlen eines süßen kleinen Mädels das mehrfach durchgekaute Gras, das hinten aus den Kühen rausfällt, darauf verteilt hatte.
Blieb gerade noch Zeit für den Besuch eines privaten Museums. Ein elender Angeber von Maharadja namens Bahadur Singh gab für viel Geld zu besichtigen, dass er mehr im Ausland (England und Hollywood) war, als in Indien, wen er alles kannte (Frank Sinatra, Ava Gardner und Erroll Flynn, nebst den Mountbattons aus England), und dass er auch bei sich zu Hause den großen Jäger Hemingway imitierte. Ohne freilich, dass man jemals von einer Publikation aus seiner Feder gehört hätte. Ein ganzer Flügel seines Palastes gilt nur den präparierten Exponaten seiner Jagdleidenschaft.
Wollte doch mal sehen, was die Rajputen nach der Einordnung in das Apanage-Wesen durch den indischen Staat in den 50 er Jahren so trieben. Jetzt, wo sie sich nicht mehr gegenseitig umzubringen brauchten, hielten sie sich an die restlichen Viecher: Krokodile, Schwertfische, Bären, Bisons, Panther, Elefanten und Tiger.

Der Ort selber ist sehr anziehend, weil klein und mit Orientalischem nur so vollgestopft.

20. Nov. Ajmer
Hier ein paar Neuigkeiten. Zum Beispiel über den inter-kulturellen Austausch. Der geht im typischen Dialog so:
-Good day,sir,sagt das Gegenüber, what is your good name?
-Chris.
-Where are you from?
-Germany.
-Ahhh.Germany very good. What is your job?
-Pensioner.
- Ahhh. Very good.

Und dann geht uns der Gesprächsstoff aus. Dieser faszinierende Dialog fällt ungefähr 1000 Mal am Tag an. Eine Variante enthält:
-Are you married?
Und da lasse ich meine Renate vorsichtshalber sterben:
-No.
Denn kein Inder würde verstehen, warum ich nicht bei meiner Familie bin. Von den zahlreichen Leuten, die ganz genau wissen wie Leben geht, habe ich noch auf jedem Kontinent das abschließende Urteil über mich zu hören gekriegt: „You are a fool!“
Wie’s der Teufel will, bin ich aber so engstirnig, dass ich mir jede Bewusstseinserweiterung durch kundige Lebenspraktiker verbitte und dem kleingeistigen Vorurteil anhange, es gehe auch anders und beileibe nicht schlechter.
Da ich gerade beim Inder und seinen liebenswerten Eigenheiten bin, hier noch ein paar verallgemeinerbare Züge:
1) Den Indern kann man es irgendwie nicht recht machen. Zumindest nicht beim Trinkgeld. Entweder man gibt zu viel oder zu wenig. Ein richtiges gibt es nicht. Im Falle des letzteren Falles merkst du das beim nächsten Dinner: die Suppe wird erst aufgetragen, wenn sie kalt ist.
Außerdem halten sie uns für kaltherzige Knauser. Erst wenn wir ihren ganzen Laden samt Warenbestand aufkaufen, damit sie sich endlich zur Ruhe setzen können, würden wir ihrem Ideal eines reichen Westlers entsprechen. Übrigens hegen auch die 1000 anderen kleinen Geschäftsinhaber der selben Ladenzeile dasselbe Ideal.

2) Den möchte ich sehen, dem es gelungen ist, einem Inder ein „ No“ abzuringen.
Du fragst den Papierhändler, ob er Toilettenpapier hätte.
-Yes, sir.
Sagt’s und verschwindet in seinem Magazin auf Nimmer-Wiedersehen.
Du fragst einen Polizisten, ob es hier zum Fort gehe. Er nimmt Haltung an und stößt pflichteifrig hervor:
-Yes, sir.
-Oder in dieser Richtung?
-Yes, sir.
Völlig entnervt habe ich dann sogar mal gefragt:
- Bist du ein Arschloch?“
- Yes, sir.
- Kannst du nicht irgendwann mal „no“ sagen?
- Yes, sir.
- Dann sag’s doch.
- Yes, sir.

3) Der Inder lacht gerne auf der Ebene des slapsticks. Gestern auf dem Weg zu dem Sommerpalast, wo Rudyard Kipling seinen Roman "Kim" geschrieben hat, folgende Szene: mein soeben gewechseltes schweißnasses Hemd und der dazugehörige Hut hängen an einem Karabiner von meinem day-pack und baumeln im Wind. Ein Idiot sieht dieses ungewohnte Ensemble und lacht laut und wild gestikulierend, um darauf aufmerksam zu machen. Die Zeugen dieser Szene lachen über den Idioten.
Und ich lache über sie.
So haben wir alle was zu lachen.

Auch komisch: Digambaras (Luft-Bekleidete) also Nackerte, Männer einer Jain-Sekte laufen nahtlos braun von Kopf bis Fuß durch die Stadt.
Selten: hier in Ajmer gibt es ein wohl einzigartiges Wallfahrtsziel: den Schrein eines Steuerbeamten. Hier scheint der singuläre Fall eingetreten zu sein, dass
a) Steuergerechtigkeit nicht
b) vom Funktionär der Macht in seinem Sinne uminterpretiert wurde, und
c) das Volk das zu würdigen wusste.

21.Nov. Jaipur
Hier gibt's alles konzentriert von allem, was es sonst unterwegs auch schon zu sehen gab, nur konzentriert, und in reizvoller Lebendigkeit des Gebrauchs (kein gammeliger Charme des milden Verrottens). Eben wie es eben früher mit der maharadschamäßigen Großherrlichkeit so war. Der Stadtpalast: die Krönung der Angeberei mit Waffen, Textilien, Miniaturen. Auch die weltgrößten Silbergefäße stehen natürlich hier herum. Über 1,5 Meter hoch, haben sie ein Fassungsvermögen von 8182 Litern.
Bevor Madho Singh II. 1901 nach England reiste, um der Krönungszeremonie von Edward VII. beizuwohnen, ließ er die Gefäße mit Gangeswasser füllen und viel tausend Meilen über Land und Meer mitnehmen, da er größtes Misstrauen gegen das westliche Wasser hegte.
Echt indisch auch das Nebeneinander von ernsthafter Astronomie und pseudowissenschaftlicher Astrologie. Neben ganz exakten Zeitmessern auf Sonnenuhrbasis, die sogar Voraussagen über die Intensität von Monsunen zulassen, stehen Artefakte, die Glück verheißende Tage bestimmen können sollen. Die Auspizien für diese Tage der Woche beispielsweise sind den Heiratswilligen außerordentlich günstig. Daher fanden gestern 2000 Hochzeiten statt, kein Taxi zu kriegen, und geschmückte Bräutigame - sogar bis von der Insel Mauritius - stolzieren auf noch bunter herausgeputzten Pferden zur Hochzeitsfeier. In Begleitung einer Band und mit der näheren Verwandtschaft, die zu den heißen Rhythmen tanzt.
Das Geböllere ging natürlich auch schon wieder los.
Nachts geriet ich in eine Strasse, die gesäumt war von Hotels, die auf solche Sachen eingerichtet sind. fußballstadiengroße Flächen, mit Kunstrasen ausgelegt, 30 Meter Buffet, Blumengirlanden, zig dienstbare Geister und ein Bühnenprospekt, vor dem die Thronsessel des künftigen Ehepaars stehen. Vor dem Eingang paradieren aufgeputzte Elefanten, und weil denen schon lange langweilig ist, haben sie ganz alleine einen großen See gemacht, in dem sie jetzt stehen.
Fünf Fest-Gruppen rückten aus beiden Richtungen mit Tamtam an, und gegen die Finsternis gab es Lüsterträger, die über einen mitfahrenden Generator mit Strom versorgt wurden.
Das Geballere kam von abgebrannten Privat-Feuerwerken.
Motto der Habewasse: Zeige deinen Reichtum so indezent wie möglich.

Do. 22 Nov. Pushkar
Überaus wichtiger Wallfahrtsort für die Hindus: 50 Tempel und 2000 Brahmanen, die es für selbstverständlich halten, dass sie als segensreiche Parasiten durchgefüttert werden. Die Gläubigen waschen hier im heiligen See per Tauchbad am Vollmondtag im November sich von allen Sünden rein, und befreien sich so vom Rad der Wiedergeburt. Da kannst du dir vielleicht das Gedrängel hier vorstellen, hier, wo die Pilger über die Kamelhändler stolpern und beide über die Touristen fluchen.
Heiliger Ort heißt natürlich auch: kein Fleisch, keine Eier, kein Alkohol. Aber ganz viele geschäftstüchtige Brahmanen, die dir eine Puja (heilige Opferhandlung) aufdrängen, und sich für dieses Nichts an Leistung möglichst ertragreich bezahlen lassen, wenn man der moralischen Erpressung Folge leistet. Ich habe den brabbelnden Brahmanen im Verdacht, dass er mich auf Hindi nachbeten ließ: “Na, du altes Arschloch, da haben wir dich aber wieder mal schön drangekriegt.“ Ein maliziöser Kringel in seinem Mundwinkel gab Anlass zu solch unschöner Deutungsrichtung.

Ein Kilometer vor dem Ort parken an die 30 Busse, die Wallfahrer quer über den Subkontinent herangekarrt haben.

Um 4 Uhr morgens wurde ich heute durch das Lautsprechergeplärr der Lobpreisungen Gottes durch Sikhs und Hindus geweckt und mit dieser akustischen Umweltverschmutzung wachgehalten. Ich empfinde das wie einen körperlichen Angriff. Zum Verrücktwerden!
Also raus in die Morgenfrische.
Da liefen die Pilger eingemummt (wie mit einer dicken Backe zum Zahnarzt),wegen der mörderischen Kälte von ca. 15 Grad plus. Selbst die Hunde kugelten sich zusammen, um den Wärmeverlust möglichst gering zuhalten. Normalerweise liegen die wie erschossen herum, weil sie in der Nacht die Städte übernehmen und das gut hörbar. Mische mich unter die Pilger, um einen Tempelberg in der Nähe zu besteigen. Vorwiegend ältere Frauen. Und die safranfarben be-turbanten Opas tragen die Enkelchen im oberen Drittel des Aufstiegs huckepack. Wir litaneien was von "Mataji" und schwitzen ganz fürchterlich.

Im ersten Cafe nach dem Abstieg ein "Special Tea". Da war sicherlich "bhang" drin (gemahlene Cannabisblätter). Mir geht es nämlich besser als der Anlass unter normalen Umständen hergäbe. Ziegenherden ziehen vorbei, und das ist von einer unerklärlich erheiternden Hervorgehobenheit. Kamele mit Fußglöckchen klingeln hell und geradezu weihnachtsglöckleinzart vorbei. Ein kleines Ferkel liegt tot im Sand der Piste. Putzig!

All das ist sehr bunt und die Sinne kitzelnd. Aber wie alles, was nur die Sinne anspricht, wird man dessen nach einer Weile überdrüssig. Außerdem macht mich das bhang träge.

Nachts: Den Verfechtern des Glaubens gebe ich insofern recht, als es tatsächlich etwas Größeres als das, was man anfassen kann, gibt. Nämlich den Gedanken. Und wenn er noch dazu richtig ist, dann gilt er für alle. Das ist mir genug an Mich-Übersteigendem. Und es kerkert nicht ein.
Wohingegen sich die bloß schöngeistige Form des Glaubens in so trivialen allegorisierenden Symbolismen wie der des Lotus vergnügt: er wurzelt im Schlamm und Schlick, und wie rein ist seine Blüte.

23. Nov. Pushkar
Der gestrige Tag ging seltsam aus. Ich wollte dem Wohlgefühl des Morgens eine Steigerung angedeihen lassen und drückte mir bewusst ein Bhang-Lassi (Stärke Medium) am Saftstand rein. Das hätte ich besser nicht tun sollen. Den Rest des Tages war ich ausgeknockt Du hättest mich sehen sollen wie ich da rumhing. Aber welche genialen Einfälle und Lösungen fielen mir da zu! Wusste doch, dass ich ein ganz verfluchtes Genie bin!
Zu blöd nur, dass die ganze Welt von dieser meiner Genialität nur mitbekam, dass ich bloß so rumhing. Als alles vorbei war, waren Welt und ich um nichts schlauer, weil mir partout nicht mehr einfallen wollte, worüber ich noch vor kurzem so entzückt von mir war.
Kurz: dieses Cannabis ist ein Zeitherumkriegding, sonst nix. Kann mir gestohlen bleiben.

Heute Vormittag hätte ich gern den abschließenden kulturellen Darbietungen (Volkstanz, Kamelrennen etc.) in einer Art Riesen-Arena beigewohnt. Als ich aber mitbekam, dass zu den Tausenden, die schon drin waren, unendliche weitere Tausende ungehindert hereinströmten und drauf und dran waren, alle denkbaren Fluchtwege vollzusitzen, packte mich die Panik. Hier komm' ich nicht mehr raus! Nix wie raus! Und ich bediente mich des hier zulande üblichen guten Tons: ich drängelte angstgepeinigt, also entschlossen, meine Haut zu retten, dem Ausgang zu.

Es folgte eine selbst ausgedachte Wüstenwanderung.
Ab hier musst du dir eine bizarre Felsenlandschaft mit Sand-Dünen in Richtung Horizont vorstellen. Diesen Dünen hat man das Wandern abgewöhnt durch die Anpflanzung von dornigen Bäumen.
Ich wandere also am felsigen Rand der Wüste so dahin und man dächte, dass soweit alles in Ordnung wäre. Es dauert aber gar nicht lang und mir wird langweilig. Diese Langeweile ist nicht von der Art, die einen gähnen macht, sondern mehr von der Was-soll-der–ganze-Scheiß?–Sorte.
Ich deponiere also meinen Hintern auf einem geeigneten Felsbrocken und schau mir das Ge-Düne aus Sandkörnchen jenseits meiner Nase an. Ist wohl ein ausführlicheres Gestöber auf dem dusteren Speicher meines Seelenhaushalts nötig.
Da bin ich nun also, an einer – zugegeben – schönen Ecke dieser Welt, die von einer die Seele streichelnden Ruhe geradezu durchtobt wird, und relaxe nach einer langen und komplizierten Reise, eine wohlverdiente Ruhepause genießend, weit und breit keiner, der mich herumscheucht, kein Stress, ein sauberes und billiges Hotelzimmer, und das Beste daran: nicht ein einziger Inder, der mich nervt.
Aber obwohl ich mich entspannter, zufriedener und zuversichtlicher als jemals seit der Landung in Delhi fühlte, war mir so scheußlich zu Mute wie nie in meinem Leben. Eine allumfassende Einsamkeit schlug ihre unerwünschte Wellblechbude in mir auf und redete mir das bis dato unbekannte Gefühl ein, daß mein ganzes Leben eine einzige Augenwischerei gewesen sei, dass all meine Sätze sozusagen für die Ohren von Vorgesetzten gedrechselt worden seien, und ich ein längst durchschauter Spieler ohne Freunde sei. Jetzt hatte ich, was ich verdiente: Isolation und das unappetitliche Gefühl, soeben aus Gottes Arsch gefallen zu sein. Tausende von Kilometern entfernt von irgendwem, dem ich was bedeuten könnte, und sogar die paar Leutchen, denen an mir liegt, dachten in diesem Augenblick höchstwahrscheinlich an Wichtigeres, weil die ja keine Ahnung haben, wo sich dieser kleine, unrasierte Scheißhaufen gerade mal wieder rumtreibt. Und falls ich morgen abnippeln sollte, keine Sau interessiert das auch nur die Bohne! Und ein selbstsüchtiger, rücksichtsloser Ignorant wie ich kann noch nicht einmal irgendeiner anderen Sau die Schuld geben – Arschloch, Feigling, Verlierer, der ich bin.
Wie ich mir das so zurechtlege, entdecke ich daran nach und nach einen etwas unheimlichen, aber sehr erfreulichen Zipfel, der sich in meine Malaise einschleicht. Ein noch schwacher, aber durchaus ausbaufähiger Masochismus macht sich da in mir breit und färbt die ganze Angelegenheit mit einer Art bitter-süßer Melancholie.
Und wie ich mich so sitzen sehe („Kamera bitte höher, mehr von oben links!“), so ganz alleine in der Wüste, mit dieser bitter-süßen Melancholie in meine edlen Züge gegraben, da ist mir doch ganz so, als werde gerade jede Menge Adrenalin frei. Was bin ich doch für eine coole Type! Mich, mich sollten sie, und zwar genau hier für einen Herren-Parfüm-Werbespot camcordern. Das wäre echt der Hit.
Sage selbst, gibt es etwas Erbärmlicheres als das, was man so Seelenleben nennt? Höre auf die Einflüsterungen deiner Seele, und du sitzt mitten in der unverfälschten Scheiße, die du zuhause auch hättest haben können. Du hast dich einfach mitgebracht.

Habe später, zurück im Gewühl, einen bösen Fehler gemacht. Genervt von dem ewigen Gezupfe an meinem Ärmel und den handgreiflicheren Anwesenheitsbekundungen einer kleinen Bettlerin habe ich schließlich doch eine Mandarine abgegeben, nur um meine Ruhe zu haben. Damit war die aber endgültig vorbei.
Ich hatte nicht mit der Perspektive gerechnet, von der aus die für mich im Menschgewühl unsichtbaren Kinder die Welt erfassen. In Sekundenschnelle war ich umringt von etwa zehn Kindern, die sich mit Recht fragten: "Wenn die, warum ich nicht?" "Bakschiesch! Bakschiesch! No money, only chapatti." Dabei nehmen die Reißaus, wenn ich ihnen tatsächlich chapatti (Fladenbrot) zu kaufen drohe.
Und schon hatte ein kleiner Dreikäsehoch seine schmutzige Pfote in meiner Plastiktüte. Ich, ungehalten, zerre mein Eigentum an mich, die Tüte reißt, und die Früchte kullern auf der Erde, aber nur kurzfristig. Denn dann hatten alle Mandarinen, nur ich nicht.
Ich war vor Empörung wieder mal perplex. Andererseits, was konnte der Dreikäsehoch rennen! Eine wahre Freude, ihm zuzusehen. Und wie er sich über seine Trophäe gefreut hatte!

Wie so ziemlich alles hier ist das ebenso schmutzig wie schön. Faszination geht davon aus. Der Geruch des Kuhdungs mischt sich mit dem des der Nase schmeichelnden Räucherwerks. Es ist das kein Nebeneinander, sondern ein Ineinander. Man wird vom Abstoßenden gefesselt. Und das heißt: die normalen Einordnungsschemata versagen sich mir hier. Es gibt neuerdings nur das DIES HIER. Es ist das "picture, sir?", womit man angemacht wird, eine lästige Sache, aber die jugendlichen Wüsten-Schönheiten in ihren prachtvollen Kleidern im vollen Schmuck sind einfach schön. Mach was dagegen!

So. 25.11. Jaipur

Der Amber-Palace ist ein ausgesprochener Touristenmagnet. Alle meinen, da müssten sie auf Elefanten raufreiten. Dabei fiel mir auf, dass ein gehender Elefant von hinten aussieht, als hätte er in seine viel zu weiten und tiefhängenden Hosen gemacht, so vorsichtig breitbeinig stakst er daher.
Die Mosaiken und anderes Dekor des Sheesh Mahal (Spiegelsaals) aus gewölbten Spiegelchen und Buntglasfenstern ließen mir denn doch ein ganz vulgäres "Oh" entfahren.
Es geht also auch anders. Man muss als Rajput nicht bloß immerzu sich wechselseitig die Schädel einschlagen, damit man geübt ist im Fall einer Eroberung durch Mogule und andere Ausländer.
Man kann sich auch mit den Eroberern arrangieren, und schon blühen die Künste, der Handel und die Wissenschaft.

Was wirklich Neues ist das ja nicht. Aber nach so viel blutiger Exotik ist es ganz angenehm, sich darin bestätigt zu sehen, daß es nicht die geringste Notwendigkeit gibt, irgend einem scheußlichen Ideenbild nachzuleben und nachzusterben. Du siehst, ich bin für die "gute Sache" (wessen auch immer) verloren, ganz einfach weil es zu viele gute Sachen gibt, auf die ich statt dessen scharf bin.

Nachts:
Ich bin einfach nicht mehr bereit, Fragen interessant zu finden, auf die es mehr als eine richtige Antwort gibt. Das sind nämlich gar keine wirklichen Fragen. Sie haben die wichtigere Hälfte der möglichen Antworten schon in sich.
So die Frage:"Wer hat das alles gemacht?" Im Prädikat steckt der Schöpfer schon drin, obwohl Offenheit der Frage simuliert wird.

In diesen Aufwasch gehört auch die fadengerade Auskunft Nietzsches über den metaphysischen Zirkel, in dem, was erklärt werden soll, immerzu bereits vorausgesetzt ist: “Wenn jemand etwas hinter einem Busch versteckt, dort sucht, und dann auch findet, so ist dies kein großes Kunststück.“
Da der „Sucher“ genau weiß, was er sucht, nähme es Wunder, wenn er es nicht fände.

Mo. 26. Nov. Nawalgarh
Hier im Shekawati, auf dem touristisch noch nicht erschlossenen Land ist das Lächeln noch Sympathiekundgabe und nicht eine vertrauensbildende Maßnahme zur Einleitung eines Verkaufsgesprächs.
An den Wänden der Kaufmannspaläste Freskos mit Exotischem, das der Kaufmann in der Fremde gesehen hat, und woran er nun seine Mitbürger teilnehmen lässt: Eisenbahn, Fahrräder, Heißluftballons, englische Ladies mit wagenradgroßen Hüten, Flugapparate, starke Männer, die Autos am Davonfahren hindern...
Der Charme des Naiven: ungeschieden liegen da analytische Vernunft und schulische Stilisierung.

Di. 27.-28. Nov. Jhunjhunu/Mandawa

Der stärkste Eindruck: ganze Straßenzüge mit Ziegen, die vor der Wohnungstür kurz angebunden eine Form der Überlebensicherung darstellen.
Nicht die Ewigkeit der Scheiße, noch die Scheiße der Ewigkeit, sondern der Schnittpunkt von Unendlichkeit und Gosse fasziniert: das Lachen und Lärmen neben einer Puja, die Exchange-Bank im Tempel...
Inzwischen glaube ich, worüber ich noch vor Kurzem verächtlich durch die Nase geschnaubt hätte, dass die "Poesie die Muttersprache der Menschheit“ ist. In ihr liegt ungeschieden und sich selbst immer neu erzeugend das später Ausdifferenzierte.
Eben alles aus unserer Sicht Prä-Moralische, kategorial Unsortierte, das uns fasziniert.
Wir vergessen zu leicht, dass das Einhalten von Mindeststandards der Moral sich für uns lohnen muß. Diesem unserem bedingten Materialismus wird im westlichen System dann eben bedingt, aber durchaus entsprochen. Aber doch nicht in Indien! Daher hat man als Westler den Eindruck, Indien sei das Land der unbegrenzten Unverschämtheiten. Und in der Tat sind diese Inder der ganz richtigen, weil tautologischen Auffassung:“Wo ich bin, kann kein anderer sein“. Und wenn er sich mitten auf die Straße setzt, um sein Mahl einzunehmen, dann dürfen die Autos durchaus außen drum rum fahren. Da ist der Inder tolerant. Sollen sie doch.
Rück-Sichtslosigkeit als Prinzip funktioniert aber, wenn alle sich dran halten.

Fr. 30. Nov. – 2. Dezember, Agra
Bin im Morgennebel zum nördlich der Yamuna gelegenen Mond-Bagh gefahren, um von dort aus die Gesamtanlage des Tadsch- Mahal auftauchen zu sehen. Die ganze Gartenanlage hat für Stunden mir gehört. Gegen 10 Uhr taucht dann schemenhaft erstmals diese unglaublich schöne Anlage auf. Sie ist gewaltiger, riesiger als wir aufgrund der uns bekannten Fotos uns vorstellen. Es lüpft einem das Herz.
Nicht zum letzten Mal, dass ich an diesem Tag feuchte Augen bekam, denn auch das Mausoleum des Lord Treasurers (Baby Tadsch Mahal) gehörte mir allein, wenn man von den Tauben und einer Horde Rhesusaffen mal absieht.
Das Tadsch Mahal ist so blickfüllend, dass noch nicht einmal die herumwuselnden Touristenhorden optisch stören.
Und es ist schön.
Zumindest aus der Perspektive des Mondgartens. Es gibt Fotos, wo man glaubt, dem Meisterstück eines Konditors gegenüberzustehen, aber diese Kitschperspektive gibt es eigentlich gar nicht in Wirklichkeit. Man braucht schon technische Hilfsmittel, um die architektonische Realität dieses Gebäudes so zielbewusst zu verfehlen.
Das Tadsch Mahal ist traumhaft schön.
Dies gab uns ein islamischer, ziemlich dekadenter Herrscher: zeitvernichtendes Gedenken, in sich ruhende Schönheit.
Und was gibt uns das Christentum?
Wenn man zum Vergleich ein ebenso zentrales Kunstwerk, sozusagen den Kern seiner religiösen Botschaft heranzieht, nämlich Michelangelos „Jüngstes Gericht“ im Lateran, dann kriegt man mit, dass uns das Christentum Schuld und lebenslanges Gebeuteltsein vom Sündenbewußtsein als Schönheit andient. Diese Verquollenheit der zerquälten Leiber ist nicht mein Schönheitsbegriff.
Schönheit reißt uns in eine Gegenwärtigkeit, der nichts mehr fehlt. Und das übersetzt sich ganz einfach in: Paradies.
Ich habe das Paradies gesehen und verzichte hinfort auf den in Aussicht gestellten Platz an der Rechten des Vaters.

Der Ausflug nach Fatehpur - Sikri war ein weiterer, letzter Höhepunkt architektonischer Raumerlebnisse. Statt der befürchteten, anstehenden Schwärmerei möchte ich an etwas anderes, weil Unbekannteres erinnern. In der dortigen Moschee findet sich in arabischer Kalligraphie ein Zitat aus dem apokryphen Thomas-Evangelium, das der große Akbar anbringen ließ:“ Die Welt ist eine Brücke. Gehe darüber hinweg, aber baue kein Haus darauf. Was vom Leben bleibt, ist ohne Wert."
Der Flaneur nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass von der Einfältigkeit der Häuslebauer die Rede ist.
-Und du glaubst, dass alle anderen, die deiner Lebensweise nicht anhangen, auf dem Holzweg sind?
-Selbstverständlich.
-Und nur du liegst richtig?
-Nein.

Nachts:
Es ist leider keine allgemein akzeptierte Wahrheit, dass die Haßabstinenz tödlich ist, und die angepriesene Liebe keineswegs Leben garantiert.
Das macht: immerzu wird irrtümlich die Privatmoral der Einzelnen mit einem Strukturgesetz der Politökonomie ihres Staats verwechselt.
Und die Verwechslung von Grund und Zweck ist geradezu die Signatur des Zeitalters: der vom Staat ins Werk gesetzte Anfall von Leichen wird verkauft als freiwillig abgeliefert für die Sinninstanz Staat.

Solange dieser Irrtum anhält, und die bewusste Vertauschung der Kategorien täglicher Brauch ist, halte ich mich an die gesicherten Ungesichertheiten:

Wir sind kein Dorfschulz, nur Vagant,
Minister nicht, nur Diener ohne Stand.
Wir sind die Feder in des Künstlers Hand,
Wohin wir gehen, ist uns nicht bekannt.
(Dschelaladdin Rumi)

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