Reisen -Schweden 2008

Freitag, 3. Oktober 2008

Schweden

vom 31. August - 14. September 2008 –
Birkengelb und Himmelblau oder Pissing around in Norrland.

31. August: Flug nach Göteborg
Vom felsigen, rundgeschliffenen Hügel der Masthuggekirche hinter dem Vandrarhem Aussicht nach allen Seiten: vor allem auf den Sonnenuntergang, in den auch die windzerzauste Bronze-Figur auf der Säule am Sjöfartsmuseet blickt.

1. September: Fahrt nach Funäsdalen
Morgens Treffen am Fähranleger mit den anderen Gruppenmitgliedern, die mit der Stena-Line von Kiel ankommen. 675 km nach Norden, und nicht ein einziger von den 9 Millionen Elchen zu sehen.
Die müssen gehört haben, dass die Jagdsaison eröffnet ist.

2. September: Einkaufen und Hausbergbesteigung.
Regenerieren, Einkaufen und erste Wanderung in einem wundersamen Gebiet.
In Norwegen geht das ganz anders zur Sache. Hier sind die Berge wie sanftrückige Tiere und mehr vereinzelt, nicht so dichtgedrängt.

3. September: Von Ljungdalen zur Helagshütte.
Nach dem Kleinbustransfer 12 km bis zur Hütte.
Das liest sich wie etwas, das die Katze auf dem Schwanz wegträgt.
Ist aber fast schon Wildnis. Und da heißt es die Beine um herum und über die Felsbrocken tragen.
Kommt hinzu:
Regen rinnt auf Holzterrassen,
Regen fällt in großen Tropfen.
Und er klingelt in den Tassen,
die an unsren Gürteln baumeln.

Regen fällt auf Urwaldstümpfe
Perlt an Pilzen, Moosen, Flechten.
Worte fallen in die Sümpfe.
Stiefel schmatzen drüber hin.


Auf den bleiern, trägen Seen
Schwellen Tropfen tausend Kreise,
die im Lauf einander brechen
In der altbekannten Weise.

Duldsam ducken sich die Dinge,
Denn Geduld kennt keinen Meister.
Unterm Lauf der Jahresringe
Bricht Natur jedwede Schuld.


3. September: Helagsfjällgletscher und Besteigung des Helags.
Zu Schwedens südlichstem Gletscher. Eigentlich bloß 800 Höhenmeter (1797 m), aber wegen der lang sich hinziehenden Form der Berge hier viel Strecke. Ab 600 Metern dann schwer zu gehendes, reines Blockwerk bis zur Gipfel. Da sind die Felsbrocken mit Schnee und Eiskristallen in Zapfenform verziert. Schöner
Blick auf den Predigtstolen (1682 m ü. NN).
Verstauche mir leicht den rechten Fuß.

4. September: Zur Fältjägarenhütte.
Siehe oben das Gedichtähnliche über den Regen.

Und keine Leute nirgends.
Dieses Härjedalen ist noch dünner besiedelt als Lappland. Auf einen Quadratkilometer kommt ein Einwohner, der aber immerzu ganz wo anders sich zusammenklumpt. Zum Vergleich: Niederlande 365 Drängler auf den Kilometer im Quadrat.

5. September: Nach Ramundberget und Transfer zurück zur Hütte.
Also dieses Fjällwandern hat was, das mir sehr gut tut.
Keine überflüssigen Gedanken.
Es sind diese lichten Birken- ,Kiefern- und Fichtengruppierungen, die Farben des Herbstes, das vitalisierende Klima, die elegant dahintrabenden Rentiere mit dem sanften Schwung des Gehörns, in das sich die Seen zu schmiegen scheinen...

Birkenfjäll wie lichte Träume
Und das Blau des Himmels drüber.
Spiegelung: Blau-Gold der Räume
In dem Teich des Birkenwäldchens.

In dem Teich des Birkenwäldchens
Spiegelt sich das Gold der Bäume.
Spring´ ins Blau des Himmels drüber
Und zerstört sind deine Träume.


7. September: Ausflug nach Flatruet über eine Samisiedlung

Ljungdalen liegt abseits großer Touristenrouten und ist mit dem Auto nur über zwei Schotterpisten erreichbar. Aus südlicher Richtung von Funäsdalen (Reichsstraße 84) auf der Straße Nr. 531 über die Hochfläche „Flatruet“. Die Flatruet erreicht am höchsten Punkt 975 ü. NN, ist damit Schwedens höchstgelegene Straße.
Weitschweifender Blick.
So ganz anders als in „enger Häuser Mauern“.

Die Samisiedlung mit Kohten und Kunstgewerblichem an einem munter plätschernden Flüsschen gibt Einblick in die Kultur dieser Nomaden, die keiner von uns so weit südlich vermutet hätte.

Damit ich nicht vergesse, was Christenverfolgung bedeutet, habe ich mir ihre Auffassung durch einen Maler der Sami (als Postkarte) gekauft. Man sieht darauf in Reih und Glied angetretene, kleinwüchsige Sami in eisiger Landschaft. Ein gewaltiger Hüne im schwarzen Priesterrock haut einen kleinen Sami unangespitzt in den Boden mit Hilfe eines gewaltigen Buchs, auf dem ein Kreuz prangt.
Erinnert mich an die vom Gürtel der Missionare baumelnden Köpfe nicht bekehrungswilliger Island-Häuptlinge.

Im südöstlichen Teil von Flatruet (bei Ruändan, Messlingen) kann man sich die 4.000-5.000 Jahre alten Felsmalereien ansehen. Eiszeitliche Wandmalereien der dem Eis und den Renen nachziehenden Jägerstämme, eine Zwergsaiblingspopulation von ca. 15 Exemplaren, die es nur hier gibt. Müssen mit den zurückweichenden Gletschern in die Berge gestiegen sein.
Ein weiteres beeindruckendes und erstaunliches Produkt der Natur ist der tiefe Evagraben, der vor ca. 9.000 Jahren durch das Abschmelzen des Inlandeises entstand. Die Sage berichtet, dass das Tal seinen Namen von einer Samin namens Eva erhielt, die mitsamt Schlitten und Rentier die Felswand hinunterstürzte.

8. September
Transfer nach Ramundberget. Tageswanderung übers Fjäll nach Tänndalen (20 km).

9. September:
Von Tänndalen zur Skedbrostugan (21 km)
Ein sonniger Tag auf der Heide.

10. Zur Rogen-Stugan
Durch die Wildnis.

Abends steigen schräge Strahlen
In die Wolken aus den Seen.
Wind singt müd´ in all dem Kahlen.
So sei einst uns das Vergehen.

Vor dem Fall des Blaubeerlaubs
glimmt es auf in gelb und rot.
Letztes Glühen aus den Wolken
zaubert Licht auf See und Boot.


Lichtreflex ist Widerhall.
Heide wurzelt. Wolken wandern.
Hier das Licht auf See und Boot.
Drüben warten schon die andern.


11. September
Nach Tännes in sss-teifffer Brise mit hoher Luftfeuchtigkeit.

12. September:
Zur freien Verfügung in Funäsdalen. Morgens das Freilichtmuseum in Ljusedalen. Nachmittags das Fjällmuseum.
Hier ein hübscher link zu Sehenswertem:
http://www.natuurfoto.net/cpg/thumbnails.php?album=262
Ideelle Begegnung mit dem Illustrator Björn Berg und dem Skulptor Emil Näs. Man gewinnt bei ihnen die Überzeugung, dass die einfachen Dinge die eigentlich wichtigen sind.

Letzter Tag, letzte Stunden.
Morgen ist die Fahrt vorbei.
Nachts hörst du des Holzes Seufzen.
Strandgrell schallt der Möwe Schrei.

Gehe nachts vorm frühen Nebel
horte Licht in Bein und Armen.
Lass zurück, was dich verstört...
Morgen erst dann die Gendarmen.


13. September
Die verdammt langen 675 Km aus dem Herbst in den Spätsommer.
Immer noch kein Elch, kein überflüssiger Gedanke.

14. September
Vagabundieren durch Göteborg.
Ein riesiges Hochhaus zieht dort drüben gemächlich durch die Gegend: die Fähre.
An der Kungsportavenyn die mehrfach überlebensgroße Skulptur eines Bronze-Revolvers, dessen Lauf sauber zugeknotet ist mit ihm/sich selbst.
Die größte aller Sehenswürdigkeiten ist doch die Welt.
Reisen scheint die einzige Form der Hingabe, derer ich fähig bin. Die Reise -Welt will nichts von mir. Also gebe ich ihr alles.
Am späten Nachmittag der Heimflug. Der Nachbar rechts liest in Memoiren:
All diese Traumbilder von Vaterland, Freiheit, Ehre, Glück und Stolz, die so manchen hervorragenden Mann zu großen und noblen Taten inspiriert haben, sind in Wahrheit nichts anderes als Tagträume.“
Das stammt also nicht von mir, obwohl die Schreiberin das bei mir abgekupfert haben muss, vor ungefähr 350 Jahren. Eine Königin namens Christine von Schweden, der seltene Fall eines weiblichen Freigeistes, tönt so.
Ich liebe dich, Christine. Wo hast du so lange gesteckt?

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