Reisen -Lykien

Donnerstag, 3. April 2008

Lykien – Land des Lichts (16.-30. März 2008)


Impressionen klassischer Artung

Inschrift auf einer Tafel in Xanthos

Wir haben unsere Häuser zu Gräbern gemacht und unsere Gräber zu Häusern
unsere Häuser sind eingestürzt geplündert wurden unsere Gräber


wir haben die Gipfel der Berge erklommen
wir sind in die Tiefen der Erde eingedrungen
wir haben unter Wasser ausgeharrt


sie sind gekommen und haben uns gefunden
sie brannten alles nieder und haben uns ausgeplündert


für unsere Mütter für unsere Frauen und für unsere Toten
für unsere Ehre und für unsere Freiheit
die Menschen dieser Erde, die den Tod vorziehen, haben wir ein Feuer zurückgelassen das nie erlöscht
das nie erlöschen wird


So war es.
So ist es. Wenn die Zeit in den Mythos aufgelöst wird.

Hier, und nirgendwo sonst, wurde Apollo geboren. Der Gott des Lichts, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und des Maßes, sowie der Weissagung und der Künste, insbesondere der Musik, der Dichtkunst und des Gesanges. Also all des hell Fliessenden, seine Gestalt in der Zeit angenehm Verändernden, das in den Vorhöfen des Denkens anschauliches Bild wird:
Anemonen und roter Mohn, gesprenkelt ins Grün der Oliven.
Letzter gedanklicher Halt: auch dies wird vorüber gehen.
Nein! das Licht hinterlässt keinerlei Spuren, es kommt, und geht - es bleibt. Wie der atmende Wellenschlag vor dem Türkis und dem Gleissen des Meeres.

Sich gleich steht die Zeit, erlöst vom Vergehn in der Nekropole Pinaras.
Alterslos strotzt der Phallus am Tempel der Aphrodite, und da unten bespringt der Bock, was als Ziege ihm zuwächst.
Türkischer Frühling: uralte Platanen bersten ins Blau, so grün, dass man´s fressen möchte, Bock, der man ist.

Erhoffend was Sein wird, glaub´ ich ans Licht und liebe den, der mir gleicht: den Wind.
Stillstand der Zeit, du Herzstück Apolls, des Sangs von der Dauer Bedeuter, Augenblick, du Zusammenfall von wirklichem Blick und Bedeutung.
Unverbraucht alles, jahrhundertealt, die Toten stehn mit uns auf. Hoffnung hat nicht getrogen: Harpyen tragen die Seelen ins Licht, in Xanthos gen Immerwärts.
Unsäglich, dem Traum gleich: die höchste Lust ist ein kleiner Tod, Vorschein und Verheißung und umgekehrt.

Sprang das zu Tausenden in den Tod im kollektiven Selbstmord. Und war sich sicher, das Rechte zu tun: Sieg oder Tod.

Als im Jahre 546 v. Chr. die Perser unter ihrem Anführer Harpagos Xanthos belagerten, leisteten die stolzen Einwohner der Stadt, der Übermacht des Feindes zum Trotz, erbitterten Widerstand. Erst als die Lage vollkommen ausweglos wurde, gaben sie dem Tod einer drohenden Fremdherrschaft den Vorzug: sie töteten ihre Frauen, Kinder und Sklaven und suchten selbst im Kampf den Tod.

Als im Jahre 42 v. Chr. der Cäsarmörder Brutus auf der Suche nach Geld und Söldnern nach Xanthos kam, setzten sich die Einwohner erneut erbittert zur Wehr. Wie schon einmal in ihrer Geschichte töteten sie ihre Frauen, Kinder und Sklaven und begingen anschließend Selbstmord, indem sie sich von der Akropolis in den 100 m tiefer gelegenen Fluss stürzten. Dieses Ereignis erschütterte Brutus derart, dass er ein Preisgeld für jeden geretteten Krieger aussetzte. Auf diese Weise konnten 150 Einwohner ihr Leben behalten. Glaubt man dem griechischen Biographen Plutarch, so brach Brutus Zeit seines Lebens in Tränen aus, wurde er an diesen heldenhaften Vorfall erinnert.

Lykien kann gar nicht sterben: nah und geheimnisfern beutelt uns Wissen, dass Freiheit allein im Wegwurf besteht. Der Rest ist ödes Beharren, Dauer in Kitzel und Reiz.

Hier ward Apollo geboren, der Mythos kann sich nicht irren.
Ist er doch Jetztzeit, und gleicht dem kehrenden Immerdar. Erhoffend was Sein wird, glaub´ ich ans Licht und liebe den, der mir gleicht: den Wind.

Ein anderes Bild: die Fruchtbarkeitsgöttin Leto, eine Geliebte des Zeus, gebar hier auf der Flucht vor dessen eifersüchtiger Frau Hera ihre Kinder Apollon und Artemis. In Letoon angelangt verwehrten lykische Bauern der Göttin das Trinken aus dem Teich, trübten ihr sogar das schlammige Wasser, worauf die Titanentochter erbost sie in Frösche verwandelte.
Man hört diese Eigentumsneurotiker heute noch aus den Sümpfen quaken. Ein Lautdenkmal hat ihnen der römische Dichter Ovid in seinen „Metamorphosen“ gesetzt:
Quamquam sunt sub aqua sub aqua maledicere temptant.”
Ob sie die Flut auch bedeckt, auch bedeckt noch schimpfen sie kecklich.
Rauh ihre Stimmen noch heut, und es schwillt der geblähete Hals auf,
Und viel weiter noch sperrt den gedehneten Rachen die Schmähung.
...
Jugendlich hüpfen herum im schlammigen Sumpfe die Frösche
.


Demre - Der Sarkophag ist leer. Die Gebeine des heiligen Nikolaus, der einst in der Basilika begraben lag, haben räuberische Kaufleute 1087 nach Bari in Süditalien geschafft, die Pilgerströme weise auf ihre Mühlen leitend.
Dass sich auch mit Touristen Nikolauses wegen gutes Geld verdienen lässt, hat Demre längst erkannt.
So steht vor der Basilika nicht nur ein abendländischer rundlicher, von tanzenden Kindern umringter Weihnachtsmann als gusseiserne Plastik. Hundert Meter weiter in der Fußgängerzone, wirbt für den Einzelhandel auf einem Sockel neben Palmen auch der seinerzeit von der Coca-Cola-Company erfundene Nikolaus in glänzendem Weiß und Rot, weil der Bürgermeister darauf beharrte, er habe in Amerika genau gesehen, dass der Nikolaus so und nicht anders aussehe.
Vor den Toren von Demre liegt die Ausgrabungsstätte Myra.
Man betritt ein freies Gelände, wo der Wind vom Meer durch die Blätter der Oliven- und Orangenbäume streicht.
Am begrenzenden Steilhang sind weithin sichtbar zahlreiche Felsgräber in den Stein des Gebirgsausläufers gehauen. Die Lykier glaubten, dass die Seelen der Verstorbenen von Vogeldämonen in den Himmel getragen werden...Deshalb wollte jeder möglichst hoch bestattet werden. Die Herrscher natürlich ganz oben. Der ansässige Geld- und Amtsadel gleich darunter, schließlich die AOK-Schließfächer.

Hier war´s, wo Bellerophontes
hoch vom geflügelten Ross erschlug die Chimäre, Urbild des heidnischen Credos:
Ich glaube ans Licht, hoffe auf alles was Sein wird, liebe den, der mir gleicht, den Vielgestaltigen, den Wind.

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