Reisen -Portugal

Freitag, 8. Juni 2007

Portugal

Algarve-Lissabon

28. Mai: Faro-Lissabon:

Sonniger Tag. Die hohen Jacarandabäume blühen in diesem seltsamen rotstichigen Blau.
Und zwar gleich üppigerweise alleenweise.
Die reifen Orangen spitzen ausm Grün.
Wolkenschiffe ziehen übers Himmelsblau.

Soweit wäre alles in Ordnung, wenn den Kindern bloß nicht eingetrichtert würde: "Com Jesus, a vida é uma festa." (Mit Jesus ist das Leben der reine Kindergeburtstag.)

So zu lesen in den Auslagen aller Buchhandlungen.
Sogar die Banken heissen hier: Banco de Espirito Santo.
Hier hagelt es nur so die Heiligen beiderlei Geschlechts.
Übrigens: Hier heißen die Frauen schon mal ganz gerne Fátima.
Du siehst, die katholische Kirche hat hier ordentlich herumkobolzt die letzten 1000 Jahre. Sogar die zahlreichen Glücksspiele sind in einem Unternehmen namens „Casa Santa“ zentralisiert.

Da freut es einen, wenn mal eine Sprühschablone aufsässig wird und Papa, Mama, Bambs beim Beten zeigt mit dem Untertitel: In God we trust. Darüber schwebt - sozusagen als Heiligenschein –
ein Ölfass.

- Und draußen in der Tejomündung schwimmen die grauen Kriegsschiffe der Linked Ocean Forces…



29. Mai Lissabon

5 Uhr morgens.
Ein kesser Vogel mit vergleichsweise genialem Balz-Repertoire hat meinen Licht- und Luftschacht als Schallverstärker entdeckt und schmettert unermüdlich eine „Arie an die künftige Geliebte“ nach der anderen.
Na warte, dich trickse ich aus.
Erstmal duschen und morgendliche allgemeine Instandsetzung. Dann hat sich´ s ja wohl endlich ausgesungen!

Wunderbare Stille beim erneuten Niederlegen in meinem in rinderblutroter Ölfarbe gehaltenen Zimmer. Gewonnen!
Es war aber, als hätte der Racker nur darauf gewartet, dass ich mich auch wirklich erst richtig entspannt hinlege.
Und da geht die Arienserie natürlich wieder von vorne los!
Das wird ein langer Tag werden.

Hat sich aber gelohnt. Erster Eindruck: dieses offizielle Lissabon ist einfach pompös, genauer: POMPÖS.

Das Denkmal für den Marquese Pombal beispielsweise (, der das 1755 vom lieben Gott in Klump und Asche gehauene Lissabon nach aufklärerischen Prinzipien wieder aufbaute,) zeigt einen stehenden, in die selbe Richtung wie sein Herrchen spähenden, muskelbepackten, sehr großen Löwen zu Seiten des eben besagten Herrn. Durchsichtige Allegorik: die gebändigte Natur in den Diensten der menschlichen Vernunft.
So weit, so normal.
Und jetzt das Portugiesische daran: ich mit meinen 1 Meter 90 reiche dem Löwen mal knapp an den Hüftknochen heran! Und die Miezekatze mit Türsteherqualitäten reicht dem Marquese gerade mal ans Kniegelenk.

Diese Dimensionen gelten für alles, was sich dem Gedächtnis der Generationen imponieren will: Triumphbögen, Christus auf Sockel (insgesamt etwa120 Meter hoch), das Denkmal der Entdecker aus Salazars Zeiten…usw.
Merke: monumentaler Gigantismus ist kein Merkmal des Faschismus oder des sozialistischen Realismus.
Auch andere Herrschaftsformen haben ein propagandistisches Interesse am Erhabenen in seiner bloß fies-niederschmetternden Variante, nämlich dem möglichst nachhaltigen Erfahrnis der Untertanenkleinheit in ihrer totalen Aussichtslosigkeit.

Ganz anders das Kloster der Hieronymiten in Belém, das Paradebeispiel für die spätgotische dekorative Stil-Variante namens Manuelinik.
Angesichts dieser verspielten Häkeldeckchen-Architektur und ihres Knospen-Zierats im Kreuzgang des Jeronimus-Klosters fühlt man sich beglückt/beschenkt mit Augenblicken großer Intensität. Denn der Reisende weiß, dass er dies nur jetzt und aller Voraussicht nach nie wieder zu sehen bekommen wird. Diese gewusste Einmaligkeit wird zur gefühlten Unwiederbringlichkeit.

Da stört dann der Tourist in seiner Angehäuftheit aber schon sehr. Der nimmt das alles als prächtige Kulisse, eben als einen ihn würdigenden Hintergrund. Auf dass er auch so recht im Vordergrund ins Relief gehoben werde, bedarf es eines Fotodokuments. „Mehr rechts, Inge, und jetzt zwei Schritte vor.“
Wie man hört entfaltet er und Seinesgleichen einen Lärmteppich wie ein vorüber fliegender, einander sich ihres Auch-Hier-Seins versichernder Gänsepulk: “Und stellen Sie sich vor, die ganze Nacht rauschte es in dem Leitungsrohr neben meinem Zimmer…“
Man versteht nicht recht, warum der Tourist auf die Gesellschaft von Seinesgleichen so scharf ist.

Mag sein, dass ich ein einsamer Mann bin. Aber im Dialog mit der Welt gibt es für mich kein blasiertes „Nichts Neues unter der Sonne“. Für den Inszenator seiner Selbst aber, der keine Antwort auf nichts ist und nichts ihm antwortet, weil er nach nichts mehr fragt, gibt es nur noch den Tod als angenehme Überraschung.

Auf meinen Streifzügen komme ich auch an einer Botero-Skulptur vorbei. Bei Ferdinand Botero klingelt es sofort beim Kenner: “Ah Botero, oder die wundersame Verdickung der Welt um mindestens einmal sich selbst.“
Nun handelte es sich hierbei um die Visualisierung der „Maternidade“ (Mutterschaft). Geboten wird außer einer Art Popel an der rundlichen Spitze ihres linken Knies (= ein dort fröhlich balancierender Bambs) eine nackerte Sitzende von kolossalen Ausschweifungen an den sekundären Merkmalen von Weiblichkeit, mit denen sie da auf einem gigantischen Gesäß saß, und sitzend saß sie und saß irgendwie so gesäßhaft sitzend, hatte sich derartig in dieses ihr Sitzen eingesessen, war so absolut in ihrem Sitzen, dass das Sitzen obwohl von vollendeter Stumpfheit, dennoch überwältigend war.


- Und draußen in der Tejomündung schwimmen die grauen Kriegsschiffe der Linked Ocean Forces…





30. Mai: Lissabon
Ein Generalstreik war für heute von den Gewerkschaften ausgerufen worden. Der Tag sah aber genau so aus wie normale Werkeltage halt so aussehen. Die Busfahrer bussten mit ihren Bussen. Die Angestellten ließen es mit sich anstellen. Und irgendein frommer Trottel von Arbeiter hatte in fragwürdigem Portugiesisch an die Mauer gepinselt:

Nenhum trabalho é melhor que trabalho nenhum. (Keine Arbeit zu haben ist besser als wenn überhaupt keiner arbeitet)

Bedanken sich die leicht formbaren Massen doch glatt dafür, dass sie überhaupt angewendet werden. Fürs Überleben-Dürfen nach den Bedingungen ihrer Anwender nimmt man sogar das geordnete Elend in Kauf. Sind halt fromme Leute, diese Portugiesen. Die halten alles aus und kriegen es in der Ewigkeit vergolten.

-Gulbenkian Museum: dieser Sammler legt auf des Gefällige, Unanstößige, Dekorative also die insgeheime Botschaft allen Jugendstils aller Zeiten größten Wert. Kunst, ein Schmücke–dein-Heim. Habe aber schon zwei Stunden mit Dümmerem verbracht.
-Nationalmuseum der „Arte Antiga“: Man kann sich keinen größeren Kontrast zur Kunstauffassung des Herrn Ölmilliardärs ausdenken als die der hierher verschlagenen “Versuchung des Heiligen Antonius“ von Hieronymus Bosch. Selbst wenn man die christliche Heilsbotschaft dieses Triptychons für verzichtbar hält, ist da so viel zu sehen und versuchsweise zu entschlüsseln.
Das Wichtigste daran ist, dass nicht die Verführung durch die ewige Eva den Kern der Versuchung ausmacht. Das ist schon von Bosch durchschaut als die dümmliche Einkerkerung der Sinnlichkeit im Erbsündereikomplex, mit dem die Kirche ihre Kundschaft beutelt.
Die wirkliche Gefahr für jeden Geist geht von der gewaltförmigen Entformung der Welt in eine unfassbare Gestaltlosigkeit aus. Da packt dich dann vor dem Hintergrund einer brennenden Stadt grundlos ein Dämon am Fußgelenk, schwingt dich ob seinen Häupten ein paar Mal spielerisch im Kreis und schmettert dich dann - des Spieles überdrüssig - an die nächste Wand, hinter der der Wahnsinn auf dich lauert.

Auffällig an der Sakralsymbolik der portugiesischen Kunst: mit dem Blut- und Wunden-Kult der Spanier haben es die Portugiesen überhaupt nicht. Nicht dass der Gekreuzigte nicht auffindbar wäre, aber man muss schon erst ein wenig danach suchen in den Neben-Altären. Selbst in Zyklen wie der Passionsgeschichte fällt der am Kreuz hängende Schmerzensmann als ein die Sinne schlagendes Essentiale einfach aus.
Stattdessen und fast ausschließlich hat man es mit dem Marienkult zu tun. Marienleben in zahllosen Zyklen.

- Und draußen in der Tejomündung schwimmen die grauen Kriegsschiffe der Linked Ocean Forces…


31.Mai 2007

Bin also jetzt in Lagos an der Küste der Algarve angekommen. Nach einer Busfahrt, deren Länge mich ins Kontemplieren schleuderte.

Die mir nicht zugängliche Klangform des Portugiesischen war der Ausgangspunkt meiner müßigen Betrachtungen. Also eine Sprache ist das nicht, was hier ringsum zu hören ist. Das hat mehr was mit Verdauungsgeräuschen zu tun.
Andererseits bringt der Busfahrer die Damen der ersten Reihe hinter ihm mit genau diesen Geräuschen zum amüsierten Kreischen.
Beim genaueren Hinhören zeigt sich, dass diese Sprache offenbar den Versuch eines Slawen darstellt, Französisch zu sprechen oder umgekehrt. Es ist wohl die Tendenz zur die ständigen Unterdrückung der Vokale verantwortlich für den Eindruck, dass sich diese Sprache auf das Konsonantengerüst einerseits und genuschelte Nasale andererseits stützt.
Ach ja, die Sprache. Mein seinerzeitiges Sprachenlernen war wohl motiviert von dem Wunsch, es möge irgendwo Leute geben, mit denen man über anderes als die Eierpreise und die Güte von Biersorten reden könnte. Na das hat sich als ziemlich Pleite herausgestellt.
Dann gab es da die Phase, wo mir die aufreizende Sprache der Hafen-Kaschemmenmusik Kommunikation genug war. Es gibt da wahre Genies der Vulgarität, die aus einsehbaren Gründen nie eine Diffusion ihrer sub-sprachlichen Aufforderungen über das Radio erreicht haben.
Wenn man trunken von diesen Klängen und voll des guten Weins ins Morgengrauen davon stolperte, wollte man eigentlich nur noch in einer stillen Seitengasse niedergestochen werden. Mehr als dieser Überfluß war nicht denkbar.

Und jetzt?
Es reizt immer noch und wieder das Gespräch mit denen, die aufs Verstandenwerden keinen großen Wert legen: Hieronymus Bosch ist einer davon.

Diesmal habe ich auch die Landschaft des Alentejo mit wacheren Sinnen wahrnehmen können: Korkeichenplantagen und latifundienweites Weideland.
Wie vor der „Nelkenrevolution“ 1973, die zunächst eine intensivere Nutzung des Bodens durch genossenschaftlich kooperierende Parzellenbauer vorsah.
Diese Bodenreform ist in den 80er Jahren Zug um Zug auf dem Wege von Dekreten zurückgenommen worden. Die feudalen Großgrundbesitzer sind zurückgekehrt und erfreuen sich der ererbten Privilegien. Für das Schälen der Korkeichen klatscht man alle 9 Jahre mal in die Hände und siehe da, irgendwelche Leute hasten herbei, das zu erledigen. Und das Vieh weidet ganz von alleine.
Die neu-alten Landproleten wandern dorthin ab, wo es auch nichts zu tun gibt für sie.
In Europas Armenhaus beträgt das statistische Durchschnittseinkommen ein Drittel des europäischen.
Der Treibstoff ist aber so teuer wie in Deutschland. Nur das Bier ist billiger.

- Die Schiffe der sechsten Flotte sind vom Strand aus gar nicht zu sehen.


1. Juni: Lagos

Also hier wurde der Mensch namens Gil Eanes geboren, der sich nicht einreden ließ, dass die Erde hinter der Nebelwand des Kap Bojador (seinerzeit südlichstes Marokko) zu ende sei, und der Magnet einem die Nägel aus dem Schiffsrumpf zieht, und es überhaupt dahinter so höllisch heiß wird, daß das Schiff verbrennt. Wenn man nicht gar über den Rand der Welt kippt.

Segelte also wohl mit zitterndem Herzen am Jahre 1434 los und schiffte schon ein ganz schönes Stück die afrikanische Küste entlang, immer auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien. Gefunden hat er „das schwarze Gold“, und schon 1444 eröffnet man in Lagos für die nächsten paar Jahrhunderte den größten europäischen Sklavenmarkt.
Wegweisend, so was. Irgendwie hat das den Entdeckern den Weg gewiesen, den dann Vasco da Gama beendet hat. Seither ist bekannt, dass die Welt rund ist, und mit dem massenhaften Verkauf von Leuten bewiesen werden kann wie tüchtig man ist.

Tja, das waren eben noch offene Horizonte. Da gab es noch das Abenteuer, das um jede Ecke lauerte. Kann die Portugiesen gut verstehen, daß sie jenen großen Zeiten nachtrauern und das Scheitern aller Träume in ihren Fados besingen, dass es einen nur so schuddert.
So mir geschehen im Pantheon der portugiesischen Helden, wo eben auch die berühmteste Fado-Sängerin, Amalia Rodrigues, aus dem Lautsprecher herzzerreißend singt, obwohl sie nun schon eine ganze Weile in ihrem Sarkophag liegt. Übrigens dem einzigen, der Blumenschmuck aufweist. Das Volk hat eben nix übrig für seine Quälgeister, mit deren Verehrungswürdigkeit an solchen Stätten normalerweise herumposaunt wird.
Zu den bemerkenswerteren portugiesischen Entdeckungen zählt übrigens, dass es ein Dort der Utopie humaneren, tieferen Lebens nicht gibt: in der Befindlichkeit der „Saudade“ wird aber dies Scheitern aller Hochherzigkeiten und Utopien aufbereitet zum Zwecke kulturellen Selbstgenusses.
Fado (=Schicksal) macht nämlich deswegen Spaß, weil der Gedanke einer allgemeinen Notwendigkeit uns im Scheitern bestätigt. Übrigens gibt es für die metaphysische Unruhe keinen kürzeren Weg zu Gott.
Man kann das verstehen, muß aber nicht unbedingt für solche Selbstverzärtelung Verständnis aufbringen. Portugals dominierendes Kulturmuster irrt sich nämlich in der Bestimmung und im Begriff des Ideals, das nun mal mit der Schäbigkeit der Verhältnisse das selbe Lager und Kopfkissen teilt.
Der Verlust eines Ideals ist daher der Gewinn einer Erkenntnis, dächte man. So würde das aber kein portugiesischer Träumer sehen wollen. Wo bliebe denn da der weltschmerzliche Genuss seiner selbst, seiner „paisagem interior“, seiner Emigration ins Innere Reich?

Eine Erinnerung an den König Sebastian, den "Ersehnten", steht hier in Lagos auch herum. Dieser christ-katholische Schwarmgeist und irdische Rattenfänger hat doch anno 1578 Zig-Tausende seiner braven Untertanen nach Marokko in den Tod geführt. Kein Mensch hat jemals wieder etwas von denen gehört oder gesehen. Der Wüstensand wird sich wohl ihrer angenommen haben, da die im christlichen Missionseifer zu vernichtenden Mauren ihrerseits den Entschluss fassten, dasselbe mit den Eindringlingen zu versuchen.
Geändert hat sich seither eigentlich nur das Größenverhältnis zwischen einem Machthaber und denen, die er in den Tod schickt. Außerdem marschieren die Herren eben nicht mehr selber mit.
Neuerdings ist das befragte teutsche Volk zu 80 Prozent davon überzeugt, dass am Hindukusch per deutschem Kriegseinsatz aufgeräumt werden müsse. Kann mir das nur so erklären, dass die Fragestellung nicht lautete: „Wollen Sie in Afghanistan für die Interessen der an der schwarzen Pampe Verdienenden sterben gehen?“

Und sonst?
Sonne, Wind, Steilküstenwege und meine Füße, die sich ungeniert bei mir beschweren, weil an der südwestlichsten Ecke Europas angeblich die Pfade so lang seien. Ich höre nicht auf sie und mache morgen genau so weiter.


2. Juni
Bin heute morgen eine spektakuläre Küstenregion abgelaufen: angefressene Pfeiler, Höhlen, Grotten, von der Natur geschaffene Bögen.
Dann war es aber echt zu heiß für eine seriöse Wanderschaft. Also Transfer nach Portimao. Der Bus klimatisiert. Aaaah! Wäre am liebsten sitzen geblieben.

Der Voucher auf das Hotel ist leider geplatzt. Das Hotel gibt es zwar, aber da laufen nur Arbeiter herum und renovieren auf sämtlichen Stockwerken was das Zeug hält.
Ich also auf die Suche nach einer Unterkunft. Schön, wie einen der Rucksack von hinten weich umfängt. Fast wie die Renate beim Loeffelchen-Stapeln!

Zimmer gefunden! Bei immerhin bereits dramatisch abgekühlten 30 Grad um halb drei!

3.Juni

Ich hätte gerne meinen Füßen klar gemacht, wer hier was zu sagen hat.
Da haben die aber bloß höhnisch gefeixt und sich mit meinen Knien verbündet. Nun ist raus, wer hier der Herr ist.
- O.K Jungs, aber bissl Spazieren geht doch!? Wenn ihr woanders hin wollt, braucht ihr mich eben doch.
- (Pisper, Pisper) Alles paletti Chefe. Habene Spasse mache. Du vorne gehen.

Und sie sind hinterher gekommen.

Also sind wir 25 km nach Norden in die Sierra, nach Monchique mit klimatisiertem Bus gefahren. Das war übrigens der beste Teil am ganzen Tagesprogramm. Denn Monchique war nicht besonders aufregend. Halt ein Sonntagsspaziergang in portugiesischem Kleinstadt-Ambiente. Blendend weißgekalkte Häuser

Dann zurück und zum Strand von Portimao.
Hätte ich auch bleiben lassen können. Dieser "Praia da Rocha" ist ein mit 10-stoeckigen Bettenburgen verbautes Massenabfertigungsgerät mit ordentlich viel ordentlichem Sand-Strand. Hier brauche ich also nicht mehr herzukommen.

Meine Ernährungsgewohnheiten haben seltsame Züge angenommen. Mittags selbst geschmiertes Sardinen-/Thunfisch-Paste-Brot und nachmittags Torte mit Kaffee.



4. Juni: Silves

Was ich vergessen habe: zum Abend gibt es natürlich Fisch. Wusste gar nicht, dass frische Makrele so gut schmeckt.
Ganz anders als aus der Aldi-Dose.
Die gebratenen Sardinen, nach denen ganz Portugal riecht, sind und bleiben halt Sardinen.

Überhaupt weiß man in Portugal selbst mit verbunden Augen, wo man gerade ist.
Entweder man pardauzt auf dem Land gegen eine dieser unzähligen Korkeichen, oder man hat das unendliche städtische Pflaster unter den Füßen. Wenn man dabei gegen was warmes Weiches brummt, ist es eine der rundum wohlgenährten Portugiesinnen. Ist es des Warmen und Weichen denn doch zu viel, war es eine Afrikanerin aus den ehemaligen Kolonien.

Apropos: heute Vormittag verwickelte mich auf dem Bahnhof von Portimao eine sehr dunkelhäutige Person mit Netzstrümpfen und bei weitem zu kurzem Kleid in ein Verkaufsgespräch. Mir wurde es aber nicht recht klar, um welchen Körperteil es sich da im Angebot eigentlich handele. Auch ein prüfender Blick auf das Ensemble half da nicht weiter. Es schien sich um einen Negerin oder eine Neger (Kein Schreibfehler, ich weiß wovon ich rede!) zu handeln. Mir gefiel schon die verzwickte Gaunervisage so überhaupt nicht, dass wir uns unverrichteter Dinge trennten.

5. Juni: Faro

Und schon sitze ich wieder in einer schattigen Bibliothek am kostenlosen Internet-Zugang.
Denn draußen hat sich das - kurz vor drei - immerhin doch schon auf 32 Grad Celsius abgekühlt.

Schreib´ ich mal auf, was mir an Portugal so im Allgemeinen gefallen hat:

-eine Sitzbank, nicht an, sondern VOR einer Mauer. Ein Kunstsinniger hat da eine Anregung installiert, ältere Artefakte (=Kulturtaten von Menschenhand) geruhsam zu studieren bevor uns der Beton völlig erblinden macht.
Du findest, ich übertreibe schamlos? Dann sag doch mal, wann du das letzte Mal bewusst eine Betonmauer gesehen hast? Ach Le Corbusiers Chapelle de Ronchamp? Das ist jetzt 50 Jahre her. Und gebe zu, dass du nur das Foto der Kirche gesehen hast, also ihre Struktur, und nicht den Beton.

-Ausgestorbene Berufe: der Jacaranda-Blütenteppich-Kehrer
Tante Emma in ihrem Laden
Pflasterer und
Kachel-Emaillierer und
Storchenkotbeseitiger (Auf jeder Kirche im Umkreis der Marschen nistet mindestens ein Storchenpaar mit Nachwuchs, die gemeinschaftlich im hohen Bogen auswerfen, was nicht in ihrer Wohnstube herumliegen soll.)

- Die Granatapfelblüte gleich neben gelben Robinien

- Das hektische Geschrei am morgendlichen Fischmarkt,
das fröhliche Gedränge des kleinstädtischen Menschelns.
Und drüber, die das alles langsam streichelnden Flügel der Möven,
die ihre rätselhaften Arabesken in den Azur skizzieren.

- Dass hier - man denke nur! - den Poeten Denkmäler gesetzt werden! Und eins von ihren hübschen Gedichten kriegt man auch gleich mitgeliefert. Und dass die Herren Poeten auch sonst noch Löbliches getan haben: Lehrer, Ärzte ...waren. Und dass nicht gleich daneben ein General oder sonst ein Vaterlandsretter herumsteht und die Leute verärgert.

- Das alles klingt sehr provinziell, und ist es auch. Angenehm.


Was nicht gerade portugiesisch ist, aber mich halt als die Gestalt der heutigen Vergesellschafteten auch dort wieder verstimmt, weil sie sich planetenweit und immerzu aufdrängt: die sich selbst und alle Anderen kaltschnäuzig kon - formierenden Asozialen:
- Hells Angels, die in 9 Tagen von Deutschland nach Portugal motorbiken und dann wieder zurück. Was mögen die sich wohl ersessen haben? Denn erfahren haben sie mit Sicherheit nichts.

- an dir vorbeitorkelnde Ohrstöpselverkapselte, irgendwelchen musikalischen Evangelien lauschende Jugendliche, die sich so fit halten für die Anforderungen von etwas, das ich nicht als Leben bezeichnen würde.

-body-builder, an denen einem auffällt, dass die äußerste Konzentration des Andächtigen und die absolute Verblödung den selben Gesichtsausdruck tragen

-life-style Propagandisten, bei denen das Design das Bewusstsein bestimmt. „Zugegeben: ein Leben ist es ja nicht. Aber schaut doch mal her, wie ich dies Nichts gestalte. “

-30 - Minuten – Duscher nebenan. Bei etwa 25 Minuten klopfe ich entnervt an die Tür des armen Neurotikers: “Would you please stop being clean?! “ Bilde mir ein, das hieße in etwa:.“Würden Sie bitte damit aufhören, sauber zu sein?!“

-Badeleben unter Bedingungen Zelebrierende, wie sie in Manhattan üblich sind. "Du willst zum Strand? Pack das Auto voll, ist nur ´ne Viertelstunde zum Strand."

Leute eben, die als Statisten der mit ihnen fabrizierten Geschichte ihre großmächtige Freiheit im ausgestaltenden Gehorsam gefunden haben (Sinatra:„I did it myyy wayyy!“), und dich bestenfalls mit einem "HÄÄÄ!" beehren, wenn du ihnen einen Ohrstöpsel raus ziehst, um ihnen versuchsweise was zu sagen.

- Man sieht sie nicht, aber man weiß es. Da draußen schwimmt von den sieben die Sechste Flotte. Wegen der Bedrohungslage der amerikanischen Nation. Auf daß auch hinfort die Schulkinder in Amerika ungefährdet über die Straße kommen, muß die weltweit verfolgte Unschuld Amerika natürlich…natürlich….natürlich…Und die Populärkultur hält auch da das Heilmittel, sich ins rechte Verhältnis dazu zu setzen, parat:

Who am I to disagree?
I travel the world
And the seven seas--
Everybody's looking for something.
Some of them want to use you
Some of them want to get used by you
Some of them want to abuse you
Some of them want to be abused.

Heiliger Hieronymus Bosch…gib mir doch bitte einen Standpunkt, von dem aus ich mit innigem Behagen die Menschheit mit saftigen Fußtritten traktieren kann, solange es mich danach gelüstet.

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