Ein Gefangener, lebenslänglich,
Hermann Melvilles „Israel Potter“, hält es für seine traurige Pflicht, sich ergebnislos zu prügeln: Ohne Fleiß kein Preis.
Dieser aus Elementen einer tatsächlichen Lebensgeschichte und denen eines Abenteuerromans verfertigte Text ist eine symbolistische, zwischen Ironie und blutigem Ernst changierende Exerzitie über einen Hiob des Patriotismus, m. a. W. über einen stoischen Dummkopf, der sich seinen „amerikanischen Traum“ nicht ausreden lässt.
Erstaunlich in seiner Unerfreulichkeit ist das dennoch: Literatur als Muster von Realitätsverarbeitung. Darin wird die Frage nach dem metaphysischen Ort der amerikanischen Revolution zu beantworten versucht. Das Ergebnis ist ein mindestens zwieschlächtiges, wie immer bei Melville.
Der Versuch, den „Geist des Westens“ zu charakterisieren, gipfelt einerseits in einer trostlosen Predigt über Benjamin Franklins „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“:
„... wer im großen Erfolg haben will, darf nicht auf glatte See warten, die es nicht gegeben hat und nicht geben wird, sondern er muss mit der zufälligen Methode, über die er nun einmal verfügt, und mit aller Verblendung auf sein Ziel zustürzen und das übrige dem Glück überlassen; denn alle menschlichen Verhältnisse sind von Natur aus unübersichtlich, da sie in einer Art halbbeherrschtem Chaos entspringen und von ihm unterhalten werden."
In diesem Schlüsselsatz geht Melville Klartext redend, nicht gestaltend, unter sein sonstiges literarisches Niveau. Theoretisch hat er aber immerhin den Dezisionismus als Verhaltensmaxime angemaßter Souveränität entdeckt.
Von größerer Tragweite ist das Andererseits seiner Fortschrittskritik:
„Im Angesicht dieser Schlacht kann man sich fragen: Was unterscheidet den gebildeten Menschen vom Wilden? Ist die Zivilisation etwas Besonderes, oder ist sie eine fortgeschrittene Stufe der Barbarei?“
Dieser Ent-Heilung des Staats als der neuerdings so genannten „Rahmenbedingungen“ korrespondiert der in der Fremde wie ein ewiger Jude umherschweifende Israel Potter. Er wird scheitern gemacht an der Melvillschen Heiligung der Entfremdung: Israel Potters Exil im frühkapitalistischen London sieht sich in die postfigurale Bildlichkeit der Israeliten in Ägypten versetzt.
"Der Garten Eden war nur eine Ziegelei. Was ist ein Sterblicher mehr als ein paar Schaufeln unglücklichen Lehms, in eine Form gepresst, auf einem Brett zum Trocknen ausgebreitet und bald von der Sonne zu seinen wunderlichen Grillen erweckt? Ist der Mensch nicht in die Gemeinschaft eingemauert wie ein Ziegelstein in die Wand? Man denke an die große Chinesische Mauer, an die ungeheure Bevölkerung von Peking. Wie der Mensch die Backsteine, so behandelt ihn Gott und schichtet ihn milliardenweise zu Bauwerken nach seinem Plan."
"Es waren stoische Kräfte, die ihn auf einen nahen Tag vorbereiteten, an dem er in die tiefste Not geraten sollte, die es hier gab. Krankheit, Entbehrung und alle scharfen Qualen der Verbannung bestimmten ihm ein Schicksal, das sogar inmitten der unglücklichen Menschheit unvergleichlich war, ein Schicksal, dessen größte Not das Ausbleiben jeder Hilfe und die unendliche Verlassenheit waren. London, das Unglück und das Meer – das waren die drei Dämonen der Apokalypse, die ihr Opfer zugleich erschlagen und verstecken."
Israel kehrt nach fünfzig Jahren Exil endlich doch noch zurück ins gelobte Land Amerika, für das er seit Bunker Hill 1775 unter anderem als Kriegsheld, Spion, Agent usw. den Körper hingehalten hat, und sieht sein Vaterhaus abgebrannt.
Wenn einer unbedingt will, kann er nach Hause zurückkehren.
Aber alle Heimkunft stochert in der Asche des Gewesenen.
„Es bleibt wenig zu sagen.
Seine Gesuche um ein Ruhegehalt scheiterten an gewissen gesetzlichen Umständen. Seine Narben blieben seine einzigen Orden.“
Dieser aus Elementen einer tatsächlichen Lebensgeschichte und denen eines Abenteuerromans verfertigte Text ist eine symbolistische, zwischen Ironie und blutigem Ernst changierende Exerzitie über einen Hiob des Patriotismus, m. a. W. über einen stoischen Dummkopf, der sich seinen „amerikanischen Traum“ nicht ausreden lässt.
Erstaunlich in seiner Unerfreulichkeit ist das dennoch: Literatur als Muster von Realitätsverarbeitung. Darin wird die Frage nach dem metaphysischen Ort der amerikanischen Revolution zu beantworten versucht. Das Ergebnis ist ein mindestens zwieschlächtiges, wie immer bei Melville.
Der Versuch, den „Geist des Westens“ zu charakterisieren, gipfelt einerseits in einer trostlosen Predigt über Benjamin Franklins „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“:
„... wer im großen Erfolg haben will, darf nicht auf glatte See warten, die es nicht gegeben hat und nicht geben wird, sondern er muss mit der zufälligen Methode, über die er nun einmal verfügt, und mit aller Verblendung auf sein Ziel zustürzen und das übrige dem Glück überlassen; denn alle menschlichen Verhältnisse sind von Natur aus unübersichtlich, da sie in einer Art halbbeherrschtem Chaos entspringen und von ihm unterhalten werden."
In diesem Schlüsselsatz geht Melville Klartext redend, nicht gestaltend, unter sein sonstiges literarisches Niveau. Theoretisch hat er aber immerhin den Dezisionismus als Verhaltensmaxime angemaßter Souveränität entdeckt.
Von größerer Tragweite ist das Andererseits seiner Fortschrittskritik:
„Im Angesicht dieser Schlacht kann man sich fragen: Was unterscheidet den gebildeten Menschen vom Wilden? Ist die Zivilisation etwas Besonderes, oder ist sie eine fortgeschrittene Stufe der Barbarei?“
Dieser Ent-Heilung des Staats als der neuerdings so genannten „Rahmenbedingungen“ korrespondiert der in der Fremde wie ein ewiger Jude umherschweifende Israel Potter. Er wird scheitern gemacht an der Melvillschen Heiligung der Entfremdung: Israel Potters Exil im frühkapitalistischen London sieht sich in die postfigurale Bildlichkeit der Israeliten in Ägypten versetzt.
"Der Garten Eden war nur eine Ziegelei. Was ist ein Sterblicher mehr als ein paar Schaufeln unglücklichen Lehms, in eine Form gepresst, auf einem Brett zum Trocknen ausgebreitet und bald von der Sonne zu seinen wunderlichen Grillen erweckt? Ist der Mensch nicht in die Gemeinschaft eingemauert wie ein Ziegelstein in die Wand? Man denke an die große Chinesische Mauer, an die ungeheure Bevölkerung von Peking. Wie der Mensch die Backsteine, so behandelt ihn Gott und schichtet ihn milliardenweise zu Bauwerken nach seinem Plan."
"Es waren stoische Kräfte, die ihn auf einen nahen Tag vorbereiteten, an dem er in die tiefste Not geraten sollte, die es hier gab. Krankheit, Entbehrung und alle scharfen Qualen der Verbannung bestimmten ihm ein Schicksal, das sogar inmitten der unglücklichen Menschheit unvergleichlich war, ein Schicksal, dessen größte Not das Ausbleiben jeder Hilfe und die unendliche Verlassenheit waren. London, das Unglück und das Meer – das waren die drei Dämonen der Apokalypse, die ihr Opfer zugleich erschlagen und verstecken."
Israel kehrt nach fünfzig Jahren Exil endlich doch noch zurück ins gelobte Land Amerika, für das er seit Bunker Hill 1775 unter anderem als Kriegsheld, Spion, Agent usw. den Körper hingehalten hat, und sieht sein Vaterhaus abgebrannt.
Wenn einer unbedingt will, kann er nach Hause zurückkehren.
Aber alle Heimkunft stochert in der Asche des Gewesenen.
„Es bleibt wenig zu sagen.
Seine Gesuche um ein Ruhegehalt scheiterten an gewissen gesetzlichen Umständen. Seine Narben blieben seine einzigen Orden.“
gitano - 3. Mär, 14:44