Samstag, 5. April 2008

Faszinierende Groteske der Schwarzen Romantik

Nachtwachen, Von Bonaventura.

Man kann die "Nachtwachen" von 1804 gar nicht hoch genug hängen!
Der satirisch und zu Pamphleten aufgelegte Nachtwächter Kreuzgang, der einsame Beobachter seiner kleinen Stadt, sinniert über sein Leben und beobachtet kommentierend jenes der wenigen ebenfalls schlaflosen Bürger, denen er anzusagen hat, was es geschlagen hat. Wer Lust hat, ihm zuzuhören, wird sich wundern.
Sympathie verbindet ihn nur mit Wenigen, z. B. dem Poeten, der sich schließlich mit dem Band, das sein abgelehntes Werk verschnürte, erhängen wird.
Die nächtlichen Ruhestunden sind angefüllt mit sehr negativ ausgehenden Gewissenskämpfen von Leuten, die sich wie Puppen auf dem Welttheater aufführen, mit Shakespeare'schem Witz, Verzweifelten und Verliebten...
Sein eigenes Leben betrachtend, zweifelt der Ich-Erzähler, "daß der Papst beim Beten andächtiger sein kann, als ich beim Blasphemieren"...
So wird Gott nicht etwa geleugnet, sondern schlicht in einer aufklärerischen Priestertrugstheorie entlarvt. Desillusionierung von Geheimnissen, die gar keine sind, macht sich respektlos breit.
Das Potpourrie schwarzseliger Ingredientien schließt mit den Sätzen:
Ich streue diese Handvoll väterlichen Staub in die Lüfte und es bleibt - Nichts! Drüben auf dem Grabe steht noch der Geisterseher und umarmt Nichts! Und der Widerhall im Gebeinhause ruft zum letzten Male - Nichts!’

Die Groteske erkennt darauf, dass die öffentlich propagierten Werte nicht und nirgends gelten. Sie ist die literarische Form des Nihilismus.
Man merkt, dass dieser Menschenhass als Motor sich einem invertierten klassischen Humanismus verdankt.
Wenn die Romantik sich selbst auf die Schliche kommt, und ihr Prinzip der abstrakten, ironischen Kritik am Unzulänglichen auf sich selbst anwendet, nachtet es seither in hübschen Persiflagen.

Bis hin zu Houellebecqs Elementarteilchen, von denen dieser Tage die Schreibe sein wird, damit keiner sage, ich zöge bei meinen Vorlieben nur die linkslastigen Kritikformen in Betracht.

Soviel schon mal vorweg. Mir ist ein intelligenter Rechter allemal lieber als ein dumpfer Fortschrittstrompeter.

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