Selbstbefriedungstechniken
Blickt man um sich, sieht man lauter zu kurz gekommene Materialisten sich tummeln.
Zur listigen Abhilfe gegen das Hintenruntergefallensein wird von Millionen Lotto gespielt, und zwar Mittwoch und Samstag, und das dürfte nicht das einzige Glückspiel sein.
Solche Praxis ist eine zugelassene, weil dem Staat sehr einträgliche, Kritik an der vorgefundenen Freiheit, die sich materialiter nun mal an der Länge des Geldbeutels bemißt. Chancen gibt es, aber irgendwann merkt jeder dieser Kicker: Tor-Chancen sind keine Tore.
Von einer gewissen Einkommensgrenze an führt, wer etwas auf sich hält, unter kräftiger Mithilfe seiner Bank ein Portefeuille von listig gestreuten Wertpapieren, also Anspruchsberechtigungen auf Partizipation am gelungenen Ausplündern des Globus durch Kapital und Arbeit.
Und so weiter...in Illustrierungsmöglichkeiten von offenkundiger Unzufriedenheit mit dem Los, das man gezogen.
Da die vorgefunden, offenbar massenhaft als sehr einengend erfahrenen Verhältnisse aber nicht zu irgendwelchen Unmutsäußerungen oder gar zu Loyalitätsschwund führen, muß es so etwas wie Selbstbefriedungstechniken geben.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit fallen mir dazu ein:
1) Aber...auch
Welch unerquicklicher Befund auch immer vorliegen mag, an allem Schlechten sei was Gutes. Dies aufzufinden ist kein Kunststück. Eigenhändig fabrizierte gute Gründe, die nie der Grund sind, und ganz allgemein irgendwie Sinnvolles, das den gewussten Zweck eskamotiert, sprechen von der Findigkeit der Anbequemung.
Zwar verdanken sich diese buntscheckigen Einfälle in der gewünschten Richtung keineswegs der Sache selbst, sondern einer im erfreulich Beliebigen fündig gewordenen Sinnsuche. "Man kann mit viel Geld aber auch viel Gutes tun." "Man kann aber auch die Gewalt für den Export der Freiheit an den Hindukusch verwenden."
Jaja, und wenn sich hinterher herausstellt, daß ein Huhn nicht wie ein Adler sich in die Lüfte erheben kann, ist das keineswegs eine Widerlegung des Dödels. Sondern: umso schlimmer für die Wirklichkeit.
Man nennt solches übrigens ein ausgewogenes Urteil, zu dem ich mich lieber nicht hinreissen lasse.
2) Vergleich
Es gehe einem so dreckig wie dem, dessen Wahl zwischen Butter und Margarine von vornherein feststeht, er wird im Vergleich immer feststellen, daß es ihm ja noch "gold" gehe. Selbst der Bahnhofspenner wird feststellen, daß er noch nicht beim billigen Lambrusco angelangt ist wie der Nachbar auf der Platte. Eine Grenze dieser trostlosen Trostfigur nach unten gibt es nicht, weswegen es selbstverständlich keine Armut gibt.
Man nennt das ein ausgewogenes Urteil, zu dem ich mich lieber nicht hinreissen lasse.
3) Dummheit, die sich selbst schadet.
Dies ist übrigens der ursprüngliche Dummheitsbegriff, der den fehlerhaften Konnex von Absicht und Wahl der Mittel zur wesentlichen Bestimmung erhebt. Erst in der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft wird Dummheit zu einer Sache der intellektuellen Defizienz erklärt.
Auch die Blödheit, die auf die Blödigkeit des 18. Jahrhunderts zurückgeht, stellt die selbe Einengung der Bedeutung auf Konkurrenztauglichkeit dar. Blödigkeit war ehemals die Ungelenkheit, sich selbst seinem Stande gemäß zu repräsentieren, wäre also mit Schüchternheit und ungebührlicher Zurückhaltung zu umschreiben. Dieser Übergang von einem Verhaltensurteil zu einem intellektuellen Defekt spiegelt die Nötigungen der Konkurrenzgesellschaft, von denen der nichts wissen will, der "es gebracht hat."
Ein Hölderlin z. B. fiel durch diesen heute eher sympathisch anmutenden Zug auf.
Bevor Don Quichote unter die Deutungshoheit der Romantiker geriet und zur Symbolfigur einer sympathischen, weil idealistischen Weltfremdheit avancierte, war sein Kampf gegen Windmühlen mit eingelegter Lanze ein klassischer Fall von sich selbst schadender Realitätsverkennung. Durchaus korrigibel, nicht Naturgegebenheit wie der heutige Intelligenztest suggeriert. Um mal wieder sententiös zu werden:
Intelligenz ist das am besten verteilte Gut überhaupt.
An dieser Sorte Dummheit nun, (die schon damit beginnt, dass einer sich selbst eines Vergnügens beraubt, wozu schließlich die anderen da sind,) gibt es so gar nichts zu verteidigen. Sie braucht keinen Anwalt. Sie ist nämlich auch ohne Apologeten stockzufrieden mit sich wie andere eben stockbesoffen sind. Hockt in ihrem Schützengraben bei Ihresgleichen, und hält das für eine gemütliche Kuhle. Sieht sie andere auf dem Glacis herumirren, grölt sie hochgemut: "He, du Klugscheißer...wenn du so clever bist. Wie kommt´ s, daß du ..." (einzusetzen ad libitum)
4) Ach was, Schützengraben, das ist erstens eine stark überzogene Metapher, und zweitens: man kann aber auch Glück haben…und nicht jede Kugel trifft… (s. o. unter 1)
Zur listigen Abhilfe gegen das Hintenruntergefallensein wird von Millionen Lotto gespielt, und zwar Mittwoch und Samstag, und das dürfte nicht das einzige Glückspiel sein.
Solche Praxis ist eine zugelassene, weil dem Staat sehr einträgliche, Kritik an der vorgefundenen Freiheit, die sich materialiter nun mal an der Länge des Geldbeutels bemißt. Chancen gibt es, aber irgendwann merkt jeder dieser Kicker: Tor-Chancen sind keine Tore.
Von einer gewissen Einkommensgrenze an führt, wer etwas auf sich hält, unter kräftiger Mithilfe seiner Bank ein Portefeuille von listig gestreuten Wertpapieren, also Anspruchsberechtigungen auf Partizipation am gelungenen Ausplündern des Globus durch Kapital und Arbeit.
Und so weiter...in Illustrierungsmöglichkeiten von offenkundiger Unzufriedenheit mit dem Los, das man gezogen.
Da die vorgefunden, offenbar massenhaft als sehr einengend erfahrenen Verhältnisse aber nicht zu irgendwelchen Unmutsäußerungen oder gar zu Loyalitätsschwund führen, muß es so etwas wie Selbstbefriedungstechniken geben.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit fallen mir dazu ein:
1) Aber...auch
Welch unerquicklicher Befund auch immer vorliegen mag, an allem Schlechten sei was Gutes. Dies aufzufinden ist kein Kunststück. Eigenhändig fabrizierte gute Gründe, die nie der Grund sind, und ganz allgemein irgendwie Sinnvolles, das den gewussten Zweck eskamotiert, sprechen von der Findigkeit der Anbequemung.
Zwar verdanken sich diese buntscheckigen Einfälle in der gewünschten Richtung keineswegs der Sache selbst, sondern einer im erfreulich Beliebigen fündig gewordenen Sinnsuche. "Man kann mit viel Geld aber auch viel Gutes tun." "Man kann aber auch die Gewalt für den Export der Freiheit an den Hindukusch verwenden."
Jaja, und wenn sich hinterher herausstellt, daß ein Huhn nicht wie ein Adler sich in die Lüfte erheben kann, ist das keineswegs eine Widerlegung des Dödels. Sondern: umso schlimmer für die Wirklichkeit.
Man nennt solches übrigens ein ausgewogenes Urteil, zu dem ich mich lieber nicht hinreissen lasse.
2) Vergleich
Es gehe einem so dreckig wie dem, dessen Wahl zwischen Butter und Margarine von vornherein feststeht, er wird im Vergleich immer feststellen, daß es ihm ja noch "gold" gehe. Selbst der Bahnhofspenner wird feststellen, daß er noch nicht beim billigen Lambrusco angelangt ist wie der Nachbar auf der Platte. Eine Grenze dieser trostlosen Trostfigur nach unten gibt es nicht, weswegen es selbstverständlich keine Armut gibt.
Man nennt das ein ausgewogenes Urteil, zu dem ich mich lieber nicht hinreissen lasse.
3) Dummheit, die sich selbst schadet.
Dies ist übrigens der ursprüngliche Dummheitsbegriff, der den fehlerhaften Konnex von Absicht und Wahl der Mittel zur wesentlichen Bestimmung erhebt. Erst in der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft wird Dummheit zu einer Sache der intellektuellen Defizienz erklärt.
Auch die Blödheit, die auf die Blödigkeit des 18. Jahrhunderts zurückgeht, stellt die selbe Einengung der Bedeutung auf Konkurrenztauglichkeit dar. Blödigkeit war ehemals die Ungelenkheit, sich selbst seinem Stande gemäß zu repräsentieren, wäre also mit Schüchternheit und ungebührlicher Zurückhaltung zu umschreiben. Dieser Übergang von einem Verhaltensurteil zu einem intellektuellen Defekt spiegelt die Nötigungen der Konkurrenzgesellschaft, von denen der nichts wissen will, der "es gebracht hat."
Ein Hölderlin z. B. fiel durch diesen heute eher sympathisch anmutenden Zug auf.
Bevor Don Quichote unter die Deutungshoheit der Romantiker geriet und zur Symbolfigur einer sympathischen, weil idealistischen Weltfremdheit avancierte, war sein Kampf gegen Windmühlen mit eingelegter Lanze ein klassischer Fall von sich selbst schadender Realitätsverkennung. Durchaus korrigibel, nicht Naturgegebenheit wie der heutige Intelligenztest suggeriert. Um mal wieder sententiös zu werden:
Intelligenz ist das am besten verteilte Gut überhaupt.
An dieser Sorte Dummheit nun, (die schon damit beginnt, dass einer sich selbst eines Vergnügens beraubt, wozu schließlich die anderen da sind,) gibt es so gar nichts zu verteidigen. Sie braucht keinen Anwalt. Sie ist nämlich auch ohne Apologeten stockzufrieden mit sich wie andere eben stockbesoffen sind. Hockt in ihrem Schützengraben bei Ihresgleichen, und hält das für eine gemütliche Kuhle. Sieht sie andere auf dem Glacis herumirren, grölt sie hochgemut: "He, du Klugscheißer...wenn du so clever bist. Wie kommt´ s, daß du ..." (einzusetzen ad libitum)
4) Ach was, Schützengraben, das ist erstens eine stark überzogene Metapher, und zweitens: man kann aber auch Glück haben…und nicht jede Kugel trifft… (s. o. unter 1)
gitano - 30. Jul, 10:29