Mittwoch, 5. März 2008

Kreditwesen

Obgleich es eigentlich unverständlich ist, dass ein durch Sanftmut hervorstechender Jesus die Händler gewaltsam aus dem Tempel vertrieben und ihre Tische umgeworfen haben soll, muss -dieser Anekdote zufolge - der Zorn doch einen wesentlichen Aspekt von Jesu Charakter ausgemacht haben. Das macht ihn sympathisch menschlich. Hier bedient sich der neutestamentliche Literat der Technik der Sympathielenkung durch vulgäre Identifikationsangebote.
Andererseits glaubt natürlich kein einziger Hörer auch nur ein Wort dieser story. Ein Erzürnter gegen gleich mehrere Männer siegreich?
Und die Marktaufseher schauen bei diesem geschäftsschädigen Gebaren einfach zu?
Von der Kundschaft ganz zu schweigen, die automatisch eine von Lynchinstinkten getriebene Posse gebildet hätte, um den praktisch werdenden Systemgegner zur Strecke zu bringen.
Der Verständige begreift: es geht um das Kreditwesen, und „Kredit“ heißt nun mal buchstäblich „Glauben“, was sowie so nur quia absurdum geht.


Kriegshetze demokratisch, ganz ohne Propaganda-Ministerium

Der Soziologe Wolfgang Sofsky belehrt in dem Kulturfenster „Kulturzeit“ neuerdings die Deutschen über ihre Untugenden, als ob er fürs Moralpredigen bezahlt würde.
Unter anderem seien die Deutschen als ängstliche Feiglinge im „Zustand tiefster Unfreiheit“.
Da muss es wie ein Befreiungsschlag wirken, wenn ein solcher „Mann des aufrechten Gangs“ „couragiert“ darauf hinweist, dass die von den Amerikanern schon seit längerem angemahnten Schulterschlüsse beim erfolgversprechenden Kriegführen auf vornehm-feige Zurückhaltung hierzulande stoßen.
„Friedensmissionen sind kein Zuckerschlecken“, weiß er. Und mutig zitiert er den provokanten „Spiegel“: „Die Deutschen müssen das Töten lernen.“
Genau, denn wie entkommt man dem Zustand tiefster Unfreiheit? Töten macht frei.
Er mokiert sich über die derzeitigen „bescheidenen moralischen Ansprüche“, denen zufolge die „Feigheit zum Beweis von Klugheit umgedeutet wird.“
Stimmt. Früher war das anders. Da waren die von Hitler produzierten Millionen toter Helden nicht nur objektiv dumm dran, sondern von grundsätzlich bezweifelter geistig-seelischer Verfassung.
Die große Koalition, die dem „Volke nach dem Munde“ zu reden gezwungen sei, kann diese Feigheit nicht "eindämmen", ist geradezu ein „Bremsklotz“ einer wünschenswerten „tatsächlichen Veränderung“ hinsichtlich der unumgänglichen „Entsendung deutscher Truppen zu Kampfeinsätzen im Ausland“.
Ein bisschen mehr Führerstaat geistert da rum, als ob eine Seminararbeit bei Arnulf Baring eingereicht werden sollte.
Bislang habe ich immer gedacht, dass bürgerliche Wissenschaft bloß allgemeine Moralinger auf wissenschaftlich unter die Leute bringt.
Jetzt weiß ich es besser: sie novelliert unaufgefordert und aktiv die Standards des Mitmachens.


Die des Merkens würdige Fabel vom gekränkten Bauern und der klugen Schlange

Eine Schlange, die ihr Nest auf dem Hof eines Bauern hatte, tötete dessen kleines Kind, worüber die Eltern in tiefe Trauer verfielen.
In seiner Betrübnis ergriff der Vater ein Beil und wollte die Schlange, sobald sie hervorkäme, totschlagen. Wie sie nun den Kopf ein wenig herausstreckte, wollte er schnell auf sie einhauen, allein er verfehlte sie und traf nur die Öffnung ihres Schlupfwinkels. Nachdem sich die Schlange wieder in ihr Loch zurückgezogen hatte, glaubte der Landmann, sie denke nicht mehr an den Racheakt, nahm Brot und Salz und setzte es vor die Höhle. Die Schlange aber zischte ganz fein und sprach. "Nun und nimmer kann Zutrauen und Freundschaft zwischen uns bestehen, solange ich die Kerbe als Denkmal deines Hasses sehe und du darin das Grab deines Kindes.
Und die Moral von dieser Äsopschen Geschicht´?
Verwechsle Kriegerdenkmal und Obsessionen nicht.

Selbstbetrug
Wer sich zu den Bessern zählt
Hat sich meistens gern verzählt.

Freiheit
Eins der vielen Abstrakta, von denen sich die Leute erzählen, dass es darüber nichts Vernünftiges zu sagen gibt, weil jeder darunter versteht, was ihm gerade einfällt.
Grenzen wir also ein. Über die unbegrenzte Freiheit zur Spinnerei kann tatsächlich nichts Ersprießliches formuliert werden. Über Sätze, wie sie so vorkommen schon.
Nehmen wir den Klassiker der französischen Revolution: „Wir wollen Freiheit.“
Diese Forderung unterstellt eine Macht, die sich das anhört. Von dieser allgemeinen Gewalt, auf die sich die Leute selbst verpflichten, bekommen sie dann auch, was sie wollten: ein freies Dürfen - Wollen nach den Maßgaben jener Instanz.
Denn die Existenz einer von meinem Willen getrennten Gewalt zieht automatisch mein Einverständnis mit der freiwilligen Nötigung nach sich.
Beschränkungen wollen - als Angebot an den freien Willen - heißt, die nicht von mir gesetzten Bedingungen meines Erfolgs gutheißen zu müssen.
Das erklärt mir so manches.

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