Donnerstag, 6. März 2008

Offenbarungsreligionen

Gott eilte jenen offensichtlich medial veranlagten Männern persönlich zu Hilfe, denen es dermaßen gründlich misslungen war, uns etwas weiszumachen.

Reichtum
Macht den Alltagsverstand nicht glücklich. Sagt er, und weiß von ehrenwerter Armut am blank gescheuerten Holztisch so ergreifend zu erzählen, dass sich die Balken noch in den Chalets der unglücklichen Millionäre biegen.
Vor allem seine Geldform unterliegt einer harschen Kritik: „Geld macht nicht glücklich.“ Und andersrum: „Die Ehre der Frau ist ihr größtes Kapital.“...“und wer froh ist, ist ein König.“
Unterm Mäntelchen einer Verächtlichmachung der Verfügung über fremde Arbeit schleppt so der Hausverstand eine merkwürdige Rechtfertigung des Reichtums durch die moralisch verseuchten Gemüter, indem sie ihn zu einer bloßen Paraphernalie der gesellschaftlichen Verhältnisse erklärt, denen es um ein Eigentliches, viel Wichtigeres von geradezu metaphysischen Gnaden zu tun sei.
Der fromme Erich Fromm, der Lieblingspsychologe des kleinbürgerlichen Seelengebräus wäre hier als einschlägige Vorstellungshilfe zu nennen. Auf ihn geht die Entgegensetzung von Haben (schlecht!) und Sein (gut!) zurück, als ob nicht jeder über sein Guthaben in die Lebenschancen eingewiesen würde. Weswegen einem vernünftigen Mann namens Goethe klar war: „Ein gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank“
Klartext dieser richtigen Rehabilitierung des Reichtums durch den Klassiker: die Totalität seiner Beziehungen zur und auf die gegenständliche Welt droht für den der Bettlägerigkeit zuwankenden Mittellosen auf den selbstproduzierten Mief bei zugezogenen Gardinen zu schrumpfen.

Expertenrunde
A: „Zwei mal zwei sind ganz gewaltige, und seit dem letzten Jahr nachhaltig zukunftsoffen zu begrüßende Vier. Und das ist gut so für die deutsche Wirtschaft.“
B: „Das kann man unmöglich so stehen lassen, Herr Kollege. Meine Gegenrechnung ergibt, dass es die von Ihnen erwähnten zwei plus zwei sind, die diese Vier als ein ganz mieses Ergebnis der verfehlten, politisch zu verantwortenden Rahmenbedingungen erscheinen lassen.“
C) „Als Philosoph kann ich nur sagen, dass in jener Vier eine Verdinglichung statthat...„

Meine Herren, ich danke Ihnen vier diese Einschätzung..

Gedanken
Für die Richtigkeit eines Gedankens bürgt, dass er - kaum ausgesprochen - heutzutage für einen Revolutionsaufruf genommen wird.
Seine schiere Differenz zur Reproduktion der Fassade ist schon Anlass zum Abrücken. Er hilft und taugt nun mal nicht beim Täuschungsgeschäft.

Idee
Die Beliebtheit der Idee rührt her von ihrer uns schmeichelnden Erinnerung daran, dass wir eben nicht schlicht zusammenfallen mit der Hinfälligkeit unseres Fleisches.
Eine gewisse Beliebigkeit, Unverbindlichkeit, um nicht zu sagen Promiskuität ist ihr aber leider nicht abzusprechen: da reibt sich ein Sartre am Schopenhauer, und Plato lehnt verträumt am Paracelsus.
Was darüber hinaus den Verdacht einer gewissen, sie durchaus charakterisierenden Unfruchtbarkeit nährt, ist der gar nicht zu übersehende Umstand, dass ihre ältesten Hüte der letzte Schrei sein sollen.

Populärkultur
Die triviale Unterhaltung ist direkter Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse, was man daran merkt, dass nichts davon bis zum anderen Morgen im Gedächtnis haftet: das an den Augen Vorübergezogene ist so identisch mit allem ohnehin Bekannten, dass es darin restlos und spurlos aufgeht.
Etwas - von diesen Verhältnissen - Verschiedenes wäre demnach automatisch eine aufklärerische Kunstübung.
Probe aufs Exempel:
Abend für Abend gibt die Fernseh-Polizei alles, unter Aufbietung letzter Kraft, den Höchstwert Gerechtigkeit realisieren zu helfen. Man sieht, Verbrechen zahlt sich nicht aus.
Der bloße Konter: „Oh doch!“ taugt bestenfalls für ein weiteres talk-show-Thema.
Besser ist das Klarstellen des Sachverhalts über den Begriff der Gewalt: Illegitime böse Gewalttat – legitime gute Gewalt wie im folgenden Brechtschen Merker:
Was ist schon ein Banküberfall im Vergleich zur Gründung einer Bank?.“ (Brecht)

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