Sonntag, 9. März 2008

Offenbarung

Gibt es was Neues ? Sicher doch.
Gute Nachricht, sehr gute sogar. Sprecht ruhig
Von froher Botschaft:
Gott holte sich einen runter,
während Er dachte an mich. (Gerard Kornelis van het Reve: Näher zu dir)

Der wahre Glaube
Wenn der Kardinal einen Furz gelassen hat, sagen sie:
„Tjunge, Junge, was riecht es hier gut,
sicher brät sich einer Leber mit Zwiebeln.“
Auf diese Art Katholiken bin ich nicht versessen. .
(Gerard Kornelis van het Reve: Näher zu dir)

Kein Wort zum Sonntag

Louis Ferdinand Célines „Reise an das Ende der Nacht“ Literatur als Inszenierung eines anderen Selbst
Meine Liste der schwarzen Meisterwerke wird durch ein Band der aufgekündigten Einverständniserklärungen zusammengehalten.
Da ist naturgemäß recht Unterschiedliches versammelt, weil das bloße Nein eine schlechte Unendlichkeit des Unbestimmbaren in sich trägt.
Normalerweise ist es die Vernunft, die den Zumutungen, denen sie sich ausgesetzt sieht, kündigt. Sezession vom nicht konvenierenden Convenue gibt es aber auch, wenn die Wahrheiten des Körpers als Auskünfte über die Wirklichkeit ernst genommen werden.
Der Körper als Seismograph: Dann ist der Ekel das physische Äquivalent zum dissentierenden Gedanken: "Der Geist gibt sich mit Phrasen zufrieden, aber der Körper ist anspruchsvoller und verlangt nach Muskeln. Der Körper ist etwas Reales, und deshalb ist er auch meist widerwärtig anzusehen.Der widerwärtige Kotzbrocken Céline war ein Meister dieser anarchischen Wahrnehmung und ihrer Unbelehrbarkeit, die aufs Hier und Jetzt pocht.
Nur ein Hundsfott denkt an die Zukunft, die Gegenwart allein ist wichtig. Sich mit der Nachwelt auseinandersetzen, ist nichts weiter, als den Würmern eine Rede halten."
Sein Anti-Held Bardamu ist ein picaro, ein nicht gerade sympathischer Schelm, der seine "Abenteuer" auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, im glorreichen Arsch des französischen Kolonialismus, in Amerikas zerrüttenden Arsenalen des Fordismus oder als Pariser Armenarzt mehr durch Zufall und weniger durch die genreübliche Listigkeit des tapferen Schneiderleins übersteht: "Ich für meinen Teil war nicht allzu klug, aber genügend mit der Wirklichkeit vertraut, um ein für allemal ein Feigling zu bleiben."

Schließlich treibt es ihn durch die Schlachthäuser des 20. Jahrhunderts und nicht durch die frühkapitalistische Verstädterung Europas, und da bleiben Desillusionierungen nicht aus:

Er, unser Oberst, wusste womöglich, warum diese Leute schossen, und die Deutschen wussten es vielleicht ja auch, aber ich, nein wirklich, ich wusste es nicht. So tief ich auch in meinem Gedächtnis grub, ich hatte den Deutschen nie was getan....
Die Reichen brauchen nicht selber töten, um was zum Fressen zu haben. Sie lassen die Leute für sich arbeiten, wie sie sagen. Sie tun selber nichts Böses, die Reichen. Sie zahlen. Man tut alles, ihnen zu Gefallen, und alle sind hochzufrieden. [...] Weiter ist das Leben seit Anbeginn nicht gekommen....</i>"... und immer wieder Geschäfte und Geschäftssinn, dieser Krebsfraß der Welt von heute, der in den Eiterbeulen verheißungsvoller Reklamen ausbricht."
"Die Poesie des Heldentums ergreift besonders unwiderstehlich all diejenigen, die nicht in den Krieg ziehen, und am stärksten jene, die sich gerade enorm am Krieg bereichern."


Wie man sieht: diese durchaus zutreffenden, aber finsteren Fiesigkeiten eines nihilistischen Miesepeters und Defaitisten gehören in den Giftschrank, in dem ich meine Lieblingssätze aufbewahre, damit nicht irgendein reaktionärer Kritiker der Kunstform des Ressentiments uns übers ungewaschene Maul fährt.

Man bringt die ganze Zeit auf dieser Welt mit Lieben oder Morden zu und mit beidem auf einmal. Man verteidigt sich, man unterhält sich, man gibt sein ganzes Leben an den Zweifüßler des folgenden Jahrhunderts weiter mit Inbrunst, um jeden Preis, als ob es so besonders angenehm wäre, sich fortzusetzen, als würde uns das schließlich unsterblich machen...Man muss sich auf jede Art betäuben, die nur möglich ist, mit billigem Wein, mit Masturbation, mit Kino. Man darf nicht wählerisch sein....

Denn die Wahrheit dieser Welt ist der Tod. Die Reise ans Ende der Nacht führt unweigerlich ins Verrecken. Deines. Meines:
Nur Mut, Ferdinand‘, redete ich mir selber gut zu, um mich zu stützen,wenn du immer so vor die Tür gesetzt wirst, findest du sicher irgendwann heraus, was es ist, wovor sie alle so Angst haben, diese Mistkerle, denn das sind sie, vor dieser Sache, die am Ende der Nacht zu finden sein muss.‘

Verzweiflung, Ekel, Hass sind der Motor, furiose Suaden des Zorns und des Zynismus die Transmissionsriemen einer auf der Stelle tretenden Abrechnung mit den niederträchtigen Miesigkeiten einer Welt, die den Untergebutterten immer die selbe Rechnung der Lebensbedingungen aufmacht, und von deren destruktiven Schmutzigkeiten und aggressivem Pissegestank ihrer Überlebenstechniken kein klassenkämpferisches Heil zu singen ist:
Töten und sich töten, das wollten sie, nicht auf einen Schlag freilich, sondern nach und nach, mit allem, was ihnen einfiel, altem Kummer, neuem Elend, mit Hass, der noch gar keinen Namen hatte, wenn nicht sowieso richtiger Krieg herrschte

Was mir an diesem radikalsten Rundumschlag der nicht gerade seltenen Kultur- und Zivilisationskritiken des 20. Jahrhunderts gefällt?
Natürlich die schwarze Mystik und ihr makabrer Lyrismus, der erstmals wieder seit Lautréamont den Himmel aus Pfützen säuft, und der bei den Epigonen von Henry Miller bis Charles Bukowski themen- und stilbildend wurde. Beim Vergleich mit dem Original fällt allerdings auf, dass diese abweichlerischen „Größen“ der amerikanischen Literatur geradezu biedere, lesebuchreife Selbstverwirklicher sind.

Seine schockierend desillusionierte Verachtung von Menschenmassen, die sich als Futter eines Unbegreiflichen aufführen: Die Reichen brauchen nicht selber zu töten, um was zum Fressen zu haben. Sie lassen die Leute für sich arbeiten, wie sie sagen. Sie tun selber nichts Böses, die Reichen. Sie zahlen. [...] Und wir anderen können uns bemühen, wie wir wollen, wir rutschen weg, gleiten ab, verfallen dem Alkohol, der die Lebenden und die Toten konserviert, wir erreichen nichts. Gründlich bewiesen ist das. [...] Dabei hätten wir begreifen müssen, was da lief. Unerschöpfliche Wellen nutzloser Geschöpfe kommen aus der Tiefe der Zeit heran und sterben unablässig vor unseren Augen, aber wir stehen da und hoffen auf wer weiß was ... Wir taugen nicht mal dafür, an den Tod zu denken.

Sätze, die sich nicht einer dämlichen Funktionalisierung der Armut für den Klassenkampf oder sonst ein menschenfreundliches Projekt beugen:
Außerdem, denken wir mal nach, wie viele Leute einem im normalen Leben im Lauf eines normalen Tages den elenden Tod an den Hals wünschen, zum Beispiel alle, denen man im Weg ist, die sich in der Metro hinter einem in der Schlange drängeln, dazu all jene, die vor unserer Wohnung vorbeigehen und selber keine haben, alle, die möchten, dass man schneller pinkelt, damit sies auch tun können, kurz, unsere Kinder und viele andere dazu.

Die Sicht auf den geschundenen Körper durchschlägt alle akademischen Vermittlungen der "Humankapitalisten" als lächerliche Einbildung des Personkonzepts.
Vielleicht sollte man daran erinnern, dass Zynismus nicht einfach die aggressive Negation von zeitläufigen oder überzeitig gedachten Wertschätzungen ist. Ehemals waren die Kyniker Leute, deren Bezeichnung sich vom Hund herleitete. Und dessen tiefergelegte Perspektive sieht es nun mal anders:
Die Eingeborenen muss man meist erst mit Knüppeln zur Arbeit treiben, so viel Würde haben sie sich bewahrt, während die Weißen, die die öffentlichen Bildungsinstitute durchlaufen haben, ganz von selber funktionieren."
Und:
Philosophieren ist auch nur eine andere Art, Angst zu haben, und führt zu nichts als zu feigen Trugbildern."

Was steht in Aussicht?
Einigermaßen frei zu krepieren: wenigstens das bleibt die Aufgabe des Menschen! Alle Täuschung ausgespuckt haben ...(Brief an eine Freundin)

Bleibt der genierliche Umstand, dass Céline in den späten Dreißigern zu einem unerträglich geifernden, widerlichen Faschisten mutierte, und es einen allgemeinen Zusammenhang zwischen dissoluten Hetz- und Hasstiraden und einer Heilssehnsucht im organisierten Rassismus gegeben haben mag, der für Célines geradezu pathologischen Fall nun mal nicht zu leugnen ist:
Die Wucht des ungezielten Ressentiments trägt das Opfer des Bauchgefühls auch schon mal in die Unwucht, auf der richtigen Seite, nämlich der des Siegers, stehen zu wollen. Die Identifikation mit dem Aggressor ist nicht bloß ein psychoanalytischer Terminus: die gibt es wirklich. Und hat schon manchem Menschenfreund ein Unbehagen an und in der von ihm ansonsten hochgeschätzten Kultur beschert.
Die beiden frühen Romane („Reise ans Ende der Nacht“ und, „Tod auf Kredit“) wissen von diesem lebensgeschichtlich erschreckenden Zusammenhang noch nichts: der Unwert des agetanen Lebens führt hier zum Wert einer monströsen. anti-klassischen Welt-Literatur.

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