Freitag, 31. Oktober 2008

Humankapital


2004 wurde dieses Kompositum von den Darmstädter Moralwachteln zum Unwort des Jahres gekürt. Wahrscheinlich hatten sie als Gebildete Kants hübschen Einfall vom Selbstzweck des Menschen im Auge, der dem Mittel immer dann angedichtet wird, wenn seine Einreihung unter Zwecke, die nie und nimmer die seinen sein können, allzu offensichtlich wird.
Sollte ein Linker in der Jury gesessen haben, stand vermutlich die philosophische Verdinglichungstheorie, nicht die tatsächliche Verdinglichung des Kostenfaktors Arbeit Pate bei der Auswahl.

Das Entsetzen bei allen Kennern der menschenfreundlichen Wirtschaftstheorien über diesen Missgriff war groß.
Ein Professor für Betriebswirtschaftslehre, kommentierte die Entscheidung wie folgt: "Der Beitrag der Unwort-Jury war leider nur der zynische Versuch einer kontraproduktiven Denunziation eines konstruktiven Weges im Personalmanagement: weg vom rein negativ belegten Begriff der Mitarbeiter als Verursacher von Personalkosten hin zu einem positiv belegten Begriff der Mitarbeiter als Wert des Unternehmens.“
Dass man die produktive Verwurstung als börsentauglichen Wert des Unternehmens auch „positiv belegen“ kann, steht außer Frage.
Dass beide nur den schwarzen Peter weiterschieben und sich hinterher sauwohl fühlen, ist beiden Beteiligten bis auf den heutigen Tag nicht aufgefallen.

So geht nun mal Betriebskultur in den Filialen der Firma Deutschland.

Gier
Alle Welt scheint sich darüber einig zu sein, dass es an der Gier liegt, wenn die Finanzen der Menschheit mal wieder die Gürtel der Leute enger schnallen machen.

Da es sich jedoch um einen Vorgang unter Leuten handelt, welche „die Wirtschaft“ heißen, scheint es manchem sehr viel wahrscheinlicher, dass ein gewisser Traven Vertrauen und Gehör verdient: “Die Profitgier ist die älteste Religion, hat die besten Pfaffen und die schönsten Kirchen.“

2. So ein - sich auf Wohlinstalliertes doch noch irgendwie beziehender - Ansatz liegt freilich voll daneben.
Die „Welt“ weiß das besser: „Die Gier hat uns den Wohlstand beschert. Wer die Gier verurteilt, verurteilt den Kapitalismus. Das ist absurd. Denn der Wunsch, mehr zu verdienen und besser zu leben, hat der Welt einen Wohlstand beschert, der vor 100 Jahren unvorstellbar erschien. Daran ändert auch die überall gegenwärtige Finanzkrise nichts: Gier ist geil.“

3. Wenn man mal kurz die Pfaffenrhetorik des Beschmitzens und Segnens der Gier sich mit sich selber beschäftigen lässt, fällt dem mittelständischen bis prekär situierten Kopf auf, dass er wohl stand, und zwar für alles gerade, aber leider falsch positioniert.

Schönredner
sind bekanntermaßen nicht etwa Leute, die schön reden, sondern jene, die jedes beliebige Faktum schönreden.
Was weniger bekannt ist: diese merkwürdig kritischen Kritiker namens Politiker schaffen es doch tatsächlich durch das bloße down - rating des gegnerischen Standpunkts, also durchs Schlechtreden eines Gegners die „draußen vor bleibenden“ Sachverhalte schönzureden.

Fundstück 4

Sie gab die Lektüre von Stuart Mill nur auf, um zu Lachelier * überzugehen, und je weniger sie an die Wirklichkeit der äußeren Welt glaubte, desto mehr ließ sie es sich angelegen sein, in ihr noch vor dem Tod sich einen guten Platz zu verschaffen.
(Marcel Proust in Sodom und Gomorrha; II, 2)*Lachelier, gut kantisch: «L'expérience la mieux faite ne sert qu'à nous apprendre au juste comment les phénomènes se lient sous nos yeux.»

Fundstück 5
Wir werden nicht ewig akzeptieren, dass der Respekt, welcher der Maske des Philosophen angedient wird, letztendlich nur der Macht der Bankiers zu Gute kommt.“
(Aus Paul Nizans Pamphlet über die „Wachhunde“)

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