Sonntag, 27. Juli 2008

Gerechtigkeit


Die Anhänger des Ideals der Gerechtigkeit verweisen gern bedauernd darauf, dass es nun mal leider, leider nicht zu verwirklichen sei.
Als ob diese Plattheit nicht schon mit dem Begriff des Ideals selbst mitgegeben wäre.
Dabei wird geflissentlich übersehen, was mit dem Ideal, also mit der täglichen Herstellung von Gerechtigkeit so alles Auferstehung feiert.
Ganz abgesehen von dieser müßigen Spiegelfechterei in beiden Fällen würde es durchaus genügen, den von allen gewussten Ausschluss vom existierenden Reichtum zur Disposition zu stellen.

Kaisers neue Kleider
Von Voltaire bis Adorno wird dem Gesellschaftskritiker gerne vorgeworfen, dass er als Denker der Herrschaft wohl Eintrag tut, ihr aber als Diener gern die Fackel trägt.
Übersehen wird dabei, dass man beim flackernden Schein der Fackel eigentlich sehr gut sieht: das da hat ja noch nicht mal Hosen an!

Kapitalismus als Heimatsong
Eine Folge der Wende war das offensive Bekenntnis zur Grundlage des Systems. Die Börsennachrichten standen nun nicht mehr bloß in den Zeitungen der interessierten Kreise.
Plötzlich sangen auch die ganz öffentlich Rechtlichen im beseligenden Walzertakt: Be-
ziehungen zur Industrie
sind sehr beliebt,
drum kriegst du sie.


„Schönes Wochenende!“
Unter der Tyrannei des Glückstrebens klingt dieser Befehl wie der Riegel des Schlosses, der erst am Montag den Freizeitpark wieder dem blanken Entsetzen öffnet: „Schönen Tag noch!“

Samstag, 26. Juli 2008

Mitte

Gibt es da, wo Ränder sind.
Es wäre - so gesehen - ein Unding mit Nietzsche zu behaupten: „Die Mitte ist überall.“
Politisch gesehen hat er bei diesem Verlust der Mitte durch die dreiste Besetzung der Ränder mit ihr selbst allerdings inzwischen weltweit recht bekommen. Die Merkel ist wirklich überall. Und trifft überall auf ihresgleichen.
Mediatoren erweisen sich in dieser Situation als Media-Toren.
Und der Exzentriker hat einen ganz schlechten Stand im ihm bereiteten Nirgendwo.

Mich wundert, dass ich so fröhlich bin.

Argumentative (engl. adj.)
Einer der vielen false friends, der mit dem Argumentativen des Deutschen nur am Rande zu tun hat.
Es charakterisiert dieses Adjektiv einen streitlustigen Menschen.
Höflich, wie das Englische nun mal ist, im Vergleich zu den mehr analytisch verfahrenden romanischen Sprachen, hält es am „Kontroversiellen“ der Oberfläche fest und blendet aus, dass im Argument die Sache mit ihrem Grund vorgelegt wird, und dass der ganze Ärger überhaupt nur entsteht, wenn einer sich die selbe Sache als einen guten Zweck verfolgend vorstellen will.
Übrig geblieben ist in dieser moralischen Einordnung eine starke Empfehlung aus der Tratschsphäre, es doch besser nicht so zu halten.

Sentiments (engl.)
So heißen im Angloamerikanischen die bis aufs Messer verteidigten Ansichten, obwohl man dächte, dass auch diesen Messerhelden auffallen müßte, dass ein unübersehbarer Widerspruch aus dem Hader von mentalen > < Gefühlen hervorspringt.
Wer sich seine Meinungen von außen ansieht, ist also schon einen Schritt weiter.

Entfremdung
Wenn´ s dir draußen zu kalt wird, drinnen stehen Kirchen Schlange mit dem Angebot warmer Umarmungen.

Freitag, 25. Juli 2008

Toleranz

Versprechen des Staates, in sehr eng zu definierenden Ausnahmefällen Gewaltverzicht zu üben.

Idealismus
Ist etwas Wunderbares. Jeden Wunders bar taucht er immer genau dann auf, wenn wegen fehlendem Barem Wunder gebraucht werden.

Alamo
Das Kolberg des Retorten-Mythos Amerika.
Wer vom Zweck einer Sache sich abgestoßen fühlt, neigt dazu, ihn zu leugnen, und ist auch noch dankbar für ihren Sinn.

Die Differenzierten
In den wenigen Fällen, wo einer sagt, dass er was hat gegen die Grausamkeit der einen, wie gegen die Hochnäsigkeit der anderen, und er ist kein Pastor, wird man ihm über kurz oder lang sein einfältiges Geltungsbedürfnis verweisen.
Mit größerer Aussicht auf Erfolg hätte er in Nekrosen herumstochern können.

Gegen Gleichmacherei
- Nicht reden, machen.
- Also: nicht reden machen.
Der Unterschied ist: ich könnte euch schon bei euren Problemen helfen...

Selbstgefühl
Das, was einen befällt, wenn einfach nicht mehr zu leugnen ist, dass immerhin du deinen unfähigen Lehrern gelungen bist.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Paris Hilton

Diese verzogenen Bälger glauben doch tatsächlich, dass sich eine Langeweile mit Langeweile multipliziert zur angenehmen Zerstreuung potenziert.
Aber der Exhibitionismus macht die Titte hinter den Gittern eines Netzbodys um nichts weniger einsam, wenn die voyeuristische Neugierde im Menschenzoo des Vorabendprogramms sie anstarrt.

Boulevardblatt
Die Kamera fokussiert sich auf den Hund, der seine Notdurft am Eck verrichtet.
Jetzt hängt sogar hier noch ein bisschen davon ab, ob man den Eckpfeiler für wichtiger hält, weil er wichtiger ist.

Der sprechende Hosenanzug
sagte auf dem jüngsten G8-Gipfel der unbegrenzten Unverschämtheiten:
"Fehlende Nahrung und Verteilungskonflikte könnten die Demokratisierung gefährden, Staaten destabilisieren und zu einem Problem der internationalen Sicherheit werden".

Wieso weiß man eigentlich immer schon, was aus diesen Pestbeulen des Staatsidealismus rausquillt?
Und wieso, was von dergleichen nicht zu erwarten ist?
Da auch ihre an Eiter gewöhnte Zielgruppe nicht draufkommt, hier das allen so fern liegende Naheliegende: “Fehlende Nahrung führt zum Hungertod.“

Dialektik
Der schlechte Ruf der Dialektik kommt davon her, dass sie dauernd widerspricht, weil sie mit der einsichtigen Dorftrulle der Vernunft nicht das Bett teilen will.

Vulgarität
Vulgarität stellt sich auf die Showbühne und holt sich lachend öffentlich einen runter.
Hat also mit Grobianismus nichts zu tun.
Dem fällt an der Vulgarität vielmehr was auf, und er lässt sich aus über den ihm angetragenen Maßstab des affirmativ Schweinischen, und zwar auf dessen Ebene, aber reflektiert ablehnend.
Dementsprechend: es stinken zu viele schwarz—rot-gold aus dem Hals. Diese Fahne ersetzt nicht nur den Heiligen, sondern jeden Geist.

Marx reloaded
Das Malheur mit den Linken ist, dass es sie immer geben wird, weil sie aber auch alles tun, dass das so bleibt.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Engagement

Den Politisierten trennt vom denkenden Lebewesen das Engagement für den Aberglauben, dass Politik sich der Verhinderung ihrer Interessen verdanke.

Renegatentum
Viele Menschen fliehen nur deswegen in andere Religionen und Mystizismen, weil die Demokratie genannte sich ständig so unerträglich blamiert.

Persönlichkeitskult
Da keiner sich gern von jedem dahergelaufenen Dödel notzüchtigen läßt, erklärt man sich den Erfolg beim Überrumpeln von Plattköpfen gemeinhin aus ihrem Charisma.

Ergriffenheit im öffentlich Rechtlichen
Das müssen noch Zeiten gewesen sein, als einer das Wort ergriff, statt sich vom event beuteln zu lassen!

Zeitnah
- Eine Art Seinsnähe.
- ....? Und was soll das nun wieder sein?
- Frag doch die Zeitnähe, die an ihre Existenz zu glauben scheint.

Abhängigkeit
Dem Faktum der Abhängigkeit stehen der Exzentriker und der Verständige diametral einander gegenüber. Der eine mit seinem unabdingbaren Damit, der andere mit einem gelangweilten Weil der Vernachlässigbarkeit.

Dienstag, 22. Juli 2008

Philemon und Baukis

Je älter die Menschen werden, um so ähnlicher werden sie sich und einander.
So unterschiedlich sie einst ausgezogen sein mochten, das Erfahrungsmaterial der schlechten Nachrichten egalisiert sie zu jenen Klassikern, denen ja auch keine Realität mehr entspricht.

Tagesschau,
Freitag, 18. Juli 2008, von 20:05 Uhr bis 20:05 Uhr und 5 Sekunden

Ich denke, glaube und bin der Meinung, weil man das nie so genau wissen kann, dass ein orangenfarbiger Hosenanzug sprechen kann, weil ich gesehen habe, wie er Hörbares von sich gegeben hat.
Der Informationsgehalt seiner 45-minütigen Rede passte allerdings auf die Rückseite einer Briefmarke.

Tiefenglück
Ein Hass, der in die Tiefe geht, verlässt die Oberflächlichkeit seiner Hassliebe.

Literatur
Geschriebenes und Gedrucktes mit Anspruch auf ein längeres Verfallsdatum ist das Gegenteil von „Da werden sie geholfen“.
Unverschämterweise liegen hier die Dinge so, dass der Endverbraucher von Bücherhaftem sich sogar noch mehr denken muss als bei dem üblichen Gerede.

Gelöbnisgrauen
Wir Deutschen werden nur demokratische Bomben awacsen.

Als wir noch nicht so awacsen waren, lautete es anders:
"Selbst in Preußen haben Gelöbnisse und Vereidigungen im Kasernenhof stattgefunden. Es hat nur eine Zeit in Deutschland gegeben, wo öffentlich gelobt und vereidigt wurde, und das waren nicht die Zeiten der Demokratie, sondern des blanken faschistischen Terrors."( Jürgen Trittin, 1998)

Amerikas Selbstkritik
Da betränen sie die fehlende Moral der Bush-Administration...!

Als ob John. F. Kennedy seinerzeit nicht eine staatsmoralische Anmache des Bürgers formuliert, sondern eine griffige Kurzfassung von Platos Utopie vom Geist an der Macht geliefert hätte.

Montag, 21. Juli 2008

Intellektuelle

Historisch zu Grabe getragene soziale Intelligenz, die aber als Schreckgespenst immer noch gute Dienste leistet.
Mit ihrem Anspruch auf Wissbares sind sie die totalitären Nachfolger Robespierres, der bekanntlich dem Höchsten Wesen mit der Guillotine huldigte.
Dabei ist es wirklich so, dass eine fotogen auf dem Nordpol herumstehende Merkel noch weniger für die Urteilsbildung taugt als ihr Klimaschutzerfolgsgerede.

Heucheleitkultur
Gott ist die Liebe, sagt der Papst.
Offenheit erzeugt Hass, weiß das Sprichwort.
Also ist Gott eine sehr unoffene Hintenherumheit.

Begleitmusik
Kains Nachfahre im sechsten Glied hieß Jubal. „...Von dem sind hergekommen die Geiger und Pfeifer“.
Was kann man bei einer solchen Abstammung schon von den Journalisten im Schaustellergewerbe der Medien erwarten?

Kopfgeburtenkontrolle
Intellektuelle Kontrolle ist nach wie vor das einzige Mittel, die Moralwachteln an ihrer - mit viel fröhlichem Zwitschern inszenierten - epidemischen Selbstvermehrung zu hindern.

Mieter
Wohnen nicht in Häusern, sondern in Kapitalanlagen.
Ein Mieter, der gleichwohl glaubt, er wohne in einem Haus, steht auf der selben geistigen Entwicklungsstufe, die ein imitierendes „Ticktack“ als einen vollgültigen Ersatz für den Begriff „Zeitmesser“ ansieht.

Sonntag, 20. Juli 2008

Sozialismus heute

Die staatliche Begleichung der Verbindlichkeiten insolventer Banken (Sozialisierung von Verlusten), zum Zwecke der weiteren Privatisierung ihrer Gewinne.


Ratschluss, Gottes unerforschlicher -
Wenn Gott tatsächlich gewollt hätte, dass ich mich durch Arbeit ruiniere, warum hat er dann das arbeitslose Einkommen, das kein Einkommen aus Arbeitslosigkeit ist, erfunden?

Scheißhausparole
Räche dich. Lebe lange genug, um ein Problem zu werden.

Meinungsfreiheit ist kein Persönlichkeitsrecht
Solange du deine Meinung, dass ein gewisser Politiker große Ähnlichkeiten mit einem anderen, historisch bekannt gewordenen, beängstigenden Arschloch aufweist, für dich behältst, wird dich kein Gericht zu € 45 000,- Geldstrafe verurteilen.

Don´t call us, we´ll call you.
Die Kommunikationsverweigerer - aus welchen Gründen auch immer - haben nur dann etwas in der Hand, wenn man sich von ihrer Meinung etwas verspricht.

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