Montag, 16. Juni 2008

Der Mann, der seine Kinder liebte

(von Christina Stead), ein schwarzer Mann, vor dem man sich wirklich fürchten muß.

Wenn Marx Zeit gehabt hätte, die bürgerliche Familie nicht nur en passant als eine der üblichen Mystifikationen zu streifen, hätte er schon damals einen Familienroman dieses Kalibers über dieses gemütvoll-alberne Schlachthaus verfasst.
So hat sich eine ungnädige Australierin kurz vor 1940 die Arbeit machen müssen, eine irgendwie nicht so ganz unvertraut klingende, grauenvolle und vermutlich ultimative Auskunft über eine Familienhölle aus ihren autobiographischen schmerzhaften Erinnerungen zu illuminieren.
Weil es bei ungefilterter Erlebniswucht nie um den Goethepreis geht, wurde den Australiern dieses Leseangebot eines „gemeinen, jaulenden, im Dreck schnüffelnden Straßenköters“, wahlweise auch „einer ganz gewöhnlichen Rinnsteinratte“ erst 16 Jahre später zugänglich. Als nämlich die anglo -amerikanische Kritikerelite von einem „Buch wie ein schwarzer Diamant“ daherschwafeln zu müssen meinte.
Mir empfahl sich dieses Datum freilich als unwiderstehlicher Leseanreiz. Seitdem bin ich mir wieder mal von Herzen uneins mit den Heulsusen, die von einer Ästhetik des Hässlichen Heuschnupfen und Hautausschlag kriegen. Sagen sie.
Ach, wenn sie doch wenigstens die Unumgänglichkeit des Hasses hassen würden!
Wer nicht gerade aus Überzeugung bei seiner Mutter oder Tante auf dem Sofa den Rest seiner Tage zu verdämmern entschlossen ist, sondern ungern vergessen möchte, warum er sich seinerzeit unter die Familienflüchtlingsströme gemischt hat: hier hat er einen seitenstarken Denkzettel.
Ich liebe meine Kinder, wie kein Mann vor mir je seine Kinder geliebt hat. Ich weiß, auch andere Menschen lieben ihre Kinder, aber meine sind unauflöslich mit mir verbunden, sie sind ein Teil von mir...
Nach dieser grauenhaften Drohung hält dieses Monster „einen Moment lang inne. `In all meinem Kummer sind sie mir der größte Trost [Aha, das Kind als Sinngratifikation!]; eine größere Freude als mein eigenes Heim könnte es in der Welt nicht für mich geben.´
Genau, deswegen Abschottung aller außerhäuslichen Gefährdungspotentiale der Familienzentriertheit ...

Die diesem „self-serving“ „Pappmessias“ beigepferchte Mutter ist in ihrer giftsprühenden Ausgelaugtheit auch nicht gerade das, was der Schöngeist sich gerne an „uplifting“ erlesen hätte.
Und: Fünf Kinder suchen sich ihre Auswege. Und die fallen als interpretierende Verrechnungskünste mit den sonstigen Druckverhältnissen unvorhersehbar und so unterschiedlich aus wie Gedichte über Mineralien.

Die gerade mal wieder laufende, massenhafte Deklassierung einer ganzen Gesellschaftsschicht dürfte als Parallelerfahrung einen günstigen Resonanzboden abgeben für dieses Meisterwerk des lebensprallen Verismus im Psychosozialen.

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