Definitionen und Aphorismen zur Lebens-Unweisheit

Samstag, 5. Januar 2008

Dung


Globalisierte Ackerbauern, die es nicht geschafft haben, das Interesse westlicher Börsen zu erwecken.
Wenn man lange genug nach Westen geht, kommt man selbstverständlich auch nach Tokyo.

Diskriminierung

Geschlechter- und jedwede andere Diskriminierung genießen einen schlechten Ruf vor dem großen Gleichmacher, dem vorurteilslos jede lebende Seele als Arbeitskraft recht ist - in genehmer Lohnhöhe und Anzahl - wie das halt gerade mal wieder gebraucht wird.
Man kann diese groteske Gleichmacherei auch als historische Befreiungstat hinstellen: vor Colt und Dollar sind alle gleich demokratisch.

Freitag, 4. Januar 2008

Barbarei, siehe Kultur

Nach dem Erdbeben, das drei Viertel von Lissabon zerstört hatte, fanden die klügeren Köpfe des Landes kein wirksameres Mittel zur Verhinderung der völligen Vernichtung, als dem Volk das Schauspiel eines prächtigen Autodafés zu bieten. Die Universität von Coimbra hatte nämlich entschieden, dass das mit feierlichem Gepränge veranstaltete langsame Verbrennen mehrerer Menschen ein unfehlbares Mittel zur Verhütung von Erdbeben sei.

[...] man legte auch den Doktor Pangloss und seinen Schüler in Fesseln, den einen, weil er gesprochen, den anderen, weil er mit beifälliger Miene zugehört hatte.[...] Während man sang, wurde Candide im Takt gepeitscht
Dank an Voltaires Candide


Beruf
Etwas, das seit längerem gern weltweit ergriffen wurde, wenn man es denn von den Arbeitsplätzchenverteilern zugeteilt kriegte.
Seit immer mehr an immer kleineren Plätzchen knabbern ist der Nährwert dieser Notrationen doch sehr in Frage gestellt.

Beten Beseelter
Seinerzeit zogen die päpstlichen Galeeren auf den Menschenfang der Sklavenjagd aus, und unzählige inbrünstige Dankgebete stiegen zu Gott empor, wenn wieder ein reicher Fang von den seit Aristoteles "beseelten Werkzeugen" geglückt war.
Heute beten sie millionenfach, daß ein anderer Bush anders auf ihr Öl aufpasst.

Christ
siehe Beten Beseelter
Wenn man genau hinschaut, tut ein Christ auch nichts anderes als die anderen. Seine Gewissenserforschung weiß sich aber weit entfernt davon und das sehr viel besser. (Zeugma!)

Nächstenliebe



ist, wenn der Heilige Martin an einem bitterkalten Wintertag seinen Mantel mit einem nackten Bettler teilt, und jetzt beide frieren.

Erlösung


Die nicht zu überbietende Unverschämtheit, sich als Herr der Welt eine juristisch einwandfreie Hinrichtung zu verpassen, um mich von Sünden loszukaufen, die ich in ca. 2000 Jahren begehen werde.
Mysteriöserweise hört man aber, daß dieser Tote die Jurisprudenz genarrt habe und als frei Herumlaufender unter uns lebe.

Erkenntnisskepsis
Dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall.
Des einen Fahrrad ist des anderen Banane?
Der Versuch, das Fahrrad zu schälen, wird zu dem selben Kriterium der Wahrheit führen wie die versuchsweise Flucht auf einer Banane.
Die nicht ganz so wichtigen Erkenntnisansprüche jenseits „the proof of the pudding is in the eating“ gehören in die gehobenen Unterhaltungsangebote der Philosophiegeschichte.

Donnerstag, 3. Januar 2008

Wissensideal


-"Solange mir Marx nicht erklärt....(ad libitum mit Ausnahme dessen, was er erklärt)..." geht gegen existierendes Wissen mit einer zielbewußten Trennung von dessen Ideal vor.

Abstrakta

entstehen durch das Weglassen von unwichtigen Charakteristika einer Sache, die einem Umfassenderen zuliebe ausgeblendet werden.
Da wundert es aber doch, wieso alle Welt glaubt, daß Geld etwas Konkretes sei. Es löscht doch alle Unterschiede an den Dingern, in die es verwandelbar ist. Zwischen z. Bsp. einer Wurst, einem Rechtsanwalt und einer Nutte bestehen in der Zusammenfassung ihrer Käuflichkeit überhaupt keine angebbaren Unterschiede mehr.

Weil alle Welt das Geld lieb hat, vergißt sie, daß man das Papierl wohl anfassen kann, aber überhaupt nicht zu betatschen braucht, weil es eben für ein abstraktes Gewaltverhältnis der privaten Verfügung steht:

Die Aktien meines Sohnes steigen, mir sinkt das Herz.

Umgekehrt hält alle Welt den Staat für ein - und außerdem und sowieso - unerlaubtes Abstraktum. Irgendwie ungreifbar, gell? Das Staatsbürgerhandbuch und der Sozialkundeunterricht hingegen sei die einzige senkrechte Auskunft.
Spricht man mit denen, die bei ihren demonstrativ ausgetragenen Differenzen mit dem Staat sich blutige Köpfe holen, hört man da schon Konkreteres, aber auch nichts Vernünftiges, über die Gewalt des Staates.

Das abstrakteste, millionenfach herumlaufende Gehirn ist als Bild-Zeitungsleser bekannt. Er selber dünkt sich freilich in seinem Denken von einer Buntheit der Konkretion, die ihresgleichen nicht zu scheuen braucht. Das Kapital hält er für das Logo einer Zeitschrift. Seinen höchstselbstigen Willen hingegen für den Grund der journalistischen Bebilderung von dessen Inhalten in den Medien.

Autorität

Die Vollmacht der Diener irgendwelcher Geistersubjekte, in deren Namen und mit Hilfe von Polizisten, Soldaten, Staatsanwälten, oder sonstwie Berufenen...von der Bonität ihrer Entscheidungen, der zweifelsfreien Geltung ihrer Rechte und der unendlichen Weisheit und Tiefe ihrer Ansichten zu überzeugen.

Montag, 30. Juli 2007

Selbstbefriedungstechniken

Blickt man um sich, sieht man lauter zu kurz gekommene Materialisten sich tummeln.
Zur listigen Abhilfe gegen das Hintenruntergefallensein wird von Millionen Lotto gespielt, und zwar Mittwoch und Samstag, und das dürfte nicht das einzige Glückspiel sein.
Solche Praxis ist eine zugelassene, weil dem Staat sehr einträgliche, Kritik an der vorgefundenen Freiheit, die sich materialiter nun mal an der Länge des Geldbeutels bemißt. Chancen gibt es, aber irgendwann merkt jeder dieser Kicker: Tor-Chancen sind keine Tore.

Von einer gewissen Einkommensgrenze an führt, wer etwas auf sich hält, unter kräftiger Mithilfe seiner Bank ein Portefeuille von listig gestreuten Wertpapieren, also Anspruchsberechtigungen auf Partizipation am gelungenen Ausplündern des Globus durch Kapital und Arbeit.

Und so weiter...in Illustrierungsmöglichkeiten von offenkundiger Unzufriedenheit mit dem Los, das man gezogen.

Da die vorgefunden, offenbar massenhaft als sehr einengend erfahrenen Verhältnisse aber nicht zu irgendwelchen Unmutsäußerungen oder gar zu Loyalitätsschwund führen, muß es so etwas wie Selbstbefriedungstechniken geben.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit fallen mir dazu ein:

1) Aber...auch
Welch unerquicklicher Befund auch immer vorliegen mag, an allem Schlechten sei was Gutes. Dies aufzufinden ist kein Kunststück. Eigenhändig fabrizierte gute Gründe, die nie der Grund sind, und ganz allgemein irgendwie Sinnvolles, das den gewussten Zweck eskamotiert, sprechen von der Findigkeit der Anbequemung.
Zwar verdanken sich diese buntscheckigen Einfälle in der gewünschten Richtung keineswegs der Sache selbst, sondern einer im erfreulich Beliebigen fündig gewordenen Sinnsuche. "Man kann mit viel Geld aber auch viel Gutes tun." "Man kann aber auch die Gewalt für den Export der Freiheit an den Hindukusch verwenden."

Jaja, und wenn sich hinterher herausstellt, daß ein Huhn nicht wie ein Adler sich in die Lüfte erheben kann, ist das keineswegs eine Widerlegung des Dödels. Sondern: umso schlimmer für die Wirklichkeit.

Man nennt solches übrigens ein ausgewogenes Urteil, zu dem ich mich lieber nicht hinreissen lasse.

2) Vergleich
Es gehe einem so dreckig wie dem, dessen Wahl zwischen Butter und Margarine von vornherein feststeht, er wird im Vergleich immer feststellen, daß es ihm ja noch "gold" gehe. Selbst der Bahnhofspenner wird feststellen, daß er noch nicht beim billigen Lambrusco angelangt ist wie der Nachbar auf der Platte. Eine Grenze dieser trostlosen Trostfigur nach unten gibt es nicht, weswegen es selbstverständlich keine Armut gibt.

Man nennt das ein ausgewogenes Urteil, zu dem ich mich lieber nicht hinreissen lasse.

3) Dummheit, die sich selbst schadet.
Dies ist übrigens der ursprüngliche Dummheitsbegriff, der den fehlerhaften Konnex von Absicht und Wahl der Mittel zur wesentlichen Bestimmung erhebt. Erst in der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft wird Dummheit zu einer Sache der intellektuellen Defizienz erklärt.
Auch die Blödheit, die auf die Blödigkeit des 18. Jahrhunderts zurückgeht, stellt die selbe Einengung der Bedeutung auf Konkurrenztauglichkeit dar. Blödigkeit war ehemals die Ungelenkheit, sich selbst seinem Stande gemäß zu repräsentieren, wäre also mit Schüchternheit und ungebührlicher Zurückhaltung zu umschreiben. Dieser Übergang von einem Verhaltensurteil zu einem intellektuellen Defekt spiegelt die Nötigungen der Konkurrenzgesellschaft, von denen der nichts wissen will, der "es gebracht hat."
Ein Hölderlin z. B. fiel durch diesen heute eher sympathisch anmutenden Zug auf.
Bevor Don Quichote unter die Deutungshoheit der Romantiker geriet und zur Symbolfigur einer sympathischen, weil idealistischen Weltfremdheit avancierte, war sein Kampf gegen Windmühlen mit eingelegter Lanze ein klassischer Fall von sich selbst schadender Realitätsverkennung. Durchaus korrigibel, nicht Naturgegebenheit wie der heutige Intelligenztest suggeriert. Um mal wieder sententiös zu werden:

Intelligenz ist das am besten verteilte Gut überhaupt.

An dieser Sorte Dummheit nun, (die schon damit beginnt, dass einer sich selbst eines Vergnügens beraubt, wozu schließlich die anderen da sind,) gibt es so gar nichts zu verteidigen. Sie braucht keinen Anwalt. Sie ist nämlich auch ohne Apologeten stockzufrieden mit sich wie andere eben stockbesoffen sind. Hockt in ihrem Schützengraben bei Ihresgleichen, und hält das für eine gemütliche Kuhle. Sieht sie andere auf dem Glacis herumirren, grölt sie hochgemut: "He, du Klugscheißer...wenn du so clever bist. Wie kommt´ s, daß du ..." (einzusetzen ad libitum)

4) Ach was, Schützengraben, das ist erstens eine stark überzogene Metapher, und zweitens: man kann aber auch Glück haben…und nicht jede Kugel trifft… (s. o. unter 1)

Freitag, 29. Juni 2007

Wissenschaftsgläubigkeit

ist ungefähr so intelligent wie der Glaube an ein "erkenntnisleitendes Interesse".

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