Samstag, 30. Juni 2007

Protest-Tanten

Anstößig scheint dem umsichtigen Weisheitslehrer das Pauschalisieren und Spielen mit Abstrakta wie in den folgenden Aphorismen:

- Je mehr der Mensch zum Pantoffel wird, umso stärkerer Sensationen bedarf er. (Hugo Raes)

- Die Demokratie feiert den Kult der Menschheit auf einer Pyramide von Schädeln. (Nicolás Gómez Dávila)

Es ist ihm dergleichen Scheuel und Greuel zu katholisch. (= für alle)

Korrekt hingegen scheint ihm die evangelische Auffassung der Unhintergehbarkeit von aller Individualität wie sie ihm die Auffassung vom Einzel-Menschen als einem Träger des „Gottesfünkleins“ verbürgt.

Mir fällt an dieser Verteidigung des Individuums ihre erlogene Konkretheit auf. Aus der Perspektive des lieben Gottes sind nämlich - diese Auffassung beim Wort genommen - hinieden nur Klumpen von Flammenhaufen zugange, ein umgedrehter Sternenhimmel.

Wem das kein Abstraktum ist, der verwechselt menschenfreundliche Nachrede mit nicht ganz senkrechten Auskünften über Abstrakta.
Die sind nämlich nicht bös oder gut. Manche sind tatsächlich der Begriff der Sache und tun vielen Leuten sich ganz praktisch an, was verdammt weh tut. Andere wieder sind reine Geistersubjekte, denen alles mögliche nachgeredet wird, nur nicht, dass sie Artefakte der ganz unschädlichen Art sind.

Da dies so ist, lasse ich mit Dávilas Auskunft über den Zusammenhang von Geschichtsschreibung und Demokratie in Zeiten des demokratisch definierten Terrorismus einleuchten:

-Der demokratische Historiker lehrt, daß der Demokrat nur tötet, weil seine Opfer ihn dazu zwingen.

Freitag, 29. Juni 2007

Wissenschaftsgläubigkeit

ist ungefähr so intelligent wie der Glaube an ein "erkenntnisleitendes Interesse".

Donnerstag, 28. Juni 2007

Metamorphosen

Schreiben ist Oper, Theater, Puppenkiste, Maskerade, Übergang vom Sein zum Schein, von Mann nach Frau, von Leben zum Tod. Es ist der Raum fürs Unerhörte, wo Giftgas die Atemluft verdrängt, wo der Adressat der so unverzichtbare Abwesende ist, wo aber ebenso sehr der Vereinigung bis zur Uneigennützigkeit ein Unterschlupf geboten wird.
Schreiben ist das Wahrhaben von Resonanz, von Anspielungen, Wissen um das Verborgene, Unsagbare, Verschwiegene.
Direkt sein ist vulgär.
Es ist auch die Lust an der Vernichtung, der Wille aus dem Wunsch geboren, sich an etwas festklammern zu können, das solide und erwiesen ist.
Schreiben ist ohne Nutzen oder Perspektive, eine Sucht, eine berauschende Dynamik, es ist sinnlos, aber der wahre Scribent kann es nicht lassen.
Es ist dennoch die Hellsichtigkeit eines Toxikomanen, ein schelmisches Delirium, das auch unter den Bedingungen eines Brutkastens sich der drohenden Diktatur der Wirklichkeit bewusst ist; die Doppeldeutigkeit in dem Trieb der schrecklichen, liederlichen Eindeutigkeit zu entkommen samt der Überzeugung, dass das möglich ist.
Da ist es gut, in diesen Undurchsichtigkeiten nicht allein zu sein, verliebt zu sein in sich selbst als Verliebten, aber doch nicht alles an diesen Begleiter hinzugeben.
Das ist Schreiben.
Viel Großmutter, Bettstatt, Schneckenteilchen, Papier und Hulu steckt darin.

(Aus: De giftmenger -Willem Brakman)


„Es gibt Menschen….die die Dinge anders erleben als äh…der Durchscnittsmensch. So wie es halt auch Menschen gibt, die einfach nicht mit einer Meßlatte zurechtkommen, die aber äußerst beschlagen sind im Umgang mit Hammer, Säge und Meißel. Wenn du die bittest, einen Tisch zu machen, dann kommen die mit einem wunderschönen Möbel daher, aber essen kannst du davon natürlich nicht. Eine Sorte Künstler eben“ , schloß er seufzend.
(Aus: Gekkenschemer - Louis Ferron)

Mittwoch, 27. Juni 2007

Fernreisen

„Du warst auf Reisen? Erzähl doch mal.“
„Äh…“
Tja, wo soll ich da beginnen? Ich fühle wie ich innerlich zuklappe. Bilder und Stimmen drängeln sich in meinem Kopf. Ich erlebe alles zur gleichen Zeit. Ich steh im Hotellift mit einem kleinen dicken Mann, der seinen Namen auf dem Revers trägt (Bertie). Ich stehe, zitternd vor Kälte und Emotionen, auf der Fähre nach Staten Island. Voller Angst unter den Zug geschubst zu werden steig ich zur U-Bahn runter. Ich nehme ein überflüssiges Frühstück zu mir mit einem leckeren flauen Kaffee. Ich hänge in einem Jazzclub rum und lausche dem neuesten Saxophontalent, ganz frisch aus dem Hinterland der Vereinigten Staaten angekommen, mit seiner Mutter als Begleitung. Ich laufe durch den Central Park und gucke nach den Schlittschuhläufern auf dem Eis. Ich stehe in der Reihe, um einen Tisch zugewiesen zu bekommen bei O´ Neil´s. Ich sehe den Fluß unter der legendären Brücke durchströmen. Ich sitze in einem Taxi und erfahre genüsslich die schlechte Federung und den höckerigen Asfalt. Ich lasse mir die Schuhe putzen auf dem Times Square und weiß nicht recht, was ich darüber denken soll. Ich ziehe mich mit einem heißen Pastrami - Sandwich in einer Papiertüte auf mein Hotelzimmer zurück und gucke TV mit einer Gier, als ob das Medium gerade erst erfunden worden wäre. Ich…

Da gibt es in den letzten Jahren einen Boom in Reiseerzählungen. Und obwohl ich auch schon mal die Grenzen überschreite, gelingt es mir kaum über meine Reisen was zu erzählen und erst recht nicht, ein vernünftiges Wort darüber zu schreiben. Ich weiß nicht wo ich da anfangen soll. Es ist alles zu wirklich und zu abgerundet. Das existiert doch alles. Das ist doch das schöne Buch von einem anderen, und in der Schule konnte ich auch schon nicht „mit eigenen Worten“ ein Buch nacherzählen.
Kannst du deine Reiseerfahrung nicht in einen Klang verworten, der dem Interessierten mit eins deutlich macht, was du gesehen und erlebt hast?
„Wie war es?“
„Wuuuuahhh!“ Oder: „Elefantastisch!“ Oder: „Saurierastico!“
Vielleicht muß irgendwas übrig bleiben, womit du nichts anfängst. Warum muß denn immerzu alles bis ins letzte aufgedröselt werden?

Aber frag mich mal beispielsweise: „Du warst in Arstobistan, wie? Wie war´s denn da“ und die Chance ist groß, dass ich eine Antwort habe.
„Arstobistan besteht eigentlich vorwiegend aus der Hauptstadt Bedorieviel. Um die Stadt drum herum gibt es etwas Vegetation aus Löwenzahn, Farnen und Fettpflanzen. Das Versteck für die Backentaschenspringmaus. Und was die Stadt selbst betrifft: Wuuuaaaahhh! In Bedorieviel rasseln Tag und Nacht Ziegenwagen über gläserne Brücken. Die Matratzen sind mit Zigarettenfiltern gefüllt. Um drei Uhr Mittags wird es dunkel und gleich wieder hell. Die Armen leben von dem Spatz auf dem Dach und die Reichen von den Tauben in der Hand. Als ich da war wurde Bedoriviel gerade von einer Stabheuschrecken-Seuche heimgesucht. Um sie einzufangen hatte man an jeder Straßenecke Terrarien aufgestellt. Da drehen sie Filme, die ein ganzes Leben lang dauern….“
Und so geht das dann immerzu weiter, wenn du nicht aufpasst.

Aus Remco Camperts Kolumnenband „Eetlezen“

Dienstag, 26. Juni 2007

Dies Eiland

Für die Sanftmütigen, Unterdrückten,
Zur geregelten Arbeit Untüchtigen,
Für die mutwillig Missglückten
Und die großartig Gleichgültigen,

Die reinen Verwegnen,
Vom steten Leben Verworfnen
Die nicht Städte, nicht Dörfer,
Die Wüsten wählten,

Die ohne Siegerkranz
Verlorene Schlachten schlagen
Und am liebsten mit stolzer Lanze
Die wackligsten Throne stützen;

Für alle, die umgekommen sind
Durch ihren Ekel vorm Profit
Nur beherrscht von ihren Träumen,
Dem Spott der Besitzer zum Trotz,

Nehm ich Besitz von diesem Eiland
Pflanz ich die schwarze Flagge
Nehme jede Nation zum Feind an.
Erkenn den Azur nur als Obrigkeit an.

Wer sich mir nähert mit guten Absichten:
Handel, humaner Lust zum Bekehren,
Wird am Riff abgewehrt durch Beschwörung,
Den unterspül ich mit Bedeutungsmeeren.

Überall auf Erden herrscht Ordnung,
Man lasse mir mein Eiland als ruhige Wüste;
´S bleibt wüst hier, soll anders nicht werden
Solang ich kampier an dessen Küste.

Das sehr viel bessere niederländische Original steht unter dem link:
http://www.brakkehond.be/slau/slau26.html
nachzulesen.

Montag, 25. Juni 2007

Gemütliche Kerkermeister

Der Unterschied zwischen Unterhaltung als Hilfestellung für die allgemein favorisierten Anpassungsweltbilder einerseits und den darin irgendwie vorkommenden Realitäten ist nicht, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat.
Im Gegenteil, Hollywood ist sehr wohl bezogen auf das, was es unentwegt leugnet. Also von wegen: Traumfabrik.

Während in der Realität eifersüchtige Flieger und gemütliche Kerkermeister sehr wohl vorkommen, tauchen solche von Charakterzügen tingierte Systempositionen im Unterhaltungsgewerbe auf als fliegende Eifersüchtige und a bissl herumkerkernde Gemütsmenschen, also die sozio-ökonomische Systemposition als austauschbare Farbgebung des eigentlich Wichtigen, nämlich des Charakters vorstellig gemacht wird.
Das Wichtige ist dabei, dass der Charakter - von allerlei in Berufsrollen verfestigten Systempositionen - der allgemeinen Bildung des moralischen Urteils vorgeführt wird, und das, was die tatsächlich tag-täglich vor Feierabend beitragen zur Aufrechterhaltung des Ladens der Vernachlässigbarkeit von Fürzen anheimgegeben wird.
Das Wichtige am Bankangestellten ist dann, ob er freundlich lächelt.
Das Kostüm der Merkel ist gefälligst Diskussionsgegenstand, ihre Erfolge interessieren bestenfalls die Reflexionselite von Aufklärern, die Daten ihrer beliebigen Wahl in Beziehung zueinander setzen und daran was rumzumäkeln finden, obwohl andererseits…

Vor der hier ausbrechenden Unendlichkeit des Blödsinns sei daran erinnert, dass die Methode nie die Wahrheit über das ist, womit sie sich befasst. Und die Methode ist hier die Auswechselung der Gegenstandsbestimmung durch die Willkür des Maßstabs, den man anzulegen beliebt. Im Unterhaltungsgewerbe ist das nun mal die Moral.
Da dies so ist, erklärt sich die Zunahme obsoleter oder auch gänzlich fiktiver Berufsrollen : Geisterjäger etc.

Sich ins Benehmen zu setzen mit was auch immer, ist ein so niederträchtiges geistiges Schurkenstück, dass das noch jede lebende Seele der letzten paar hunderttausend Jahre lässig hingekriegt hat, und selbst eine rauhbauzige aber eher unbedarfte Künstlerseele wie die des Henry Miller ganz richtig hinschreibt:

"…für einen Psychoanalytiker bin ich etwas anderes, für einen Marxisten wieder etwas anderes und so weiter. Was soll mir das alles? Was geht mich das an, wie euer fotografischer Apparat arbeitet? Um einen Menschen ganz und richtig zu sehen, muss man eine andere Art Kamera benutzen, man muss ein Auge haben, das objektiver ist als die fotografische Linse. Man muss durch die verschiedenen Facetten sehen, deren gleißender Widerschein uns für die wahre Natur eines Menschen blind macht." (Miller)


Das Problem ist aber nicht, dass es so ist. Sondern dass alle Welt inzwischen glauben gemacht wurde, es sei die Perspektive, die rosa/purpurne/schwarze …Brille, der „ denkraam“ (Niederländisch für Bezugsrahmen, Paradigma) , die Mentalität, die Hinsicht …schon alles, wofür zu interessieren sich lohnt.
Und hier wird der Relativismus der Einordnungen zur Idiotie des Privatmanns, der am liebsten auch noch das bissl Intellektualität verbieten würde, die sich beim uneingeschränkten/unhalbierten Gebrauch der Vernunft gegen die Vorbehalte vielleicht gar nicht so übel auswirken würde...

"Je mehr wir lernen, desto weniger wissen wir, je besser unsere Apparatur ist, desto weniger können wir sehen. Erst wenn wir den Versuch aufgeben, etwas sehen und wissen zu wollen, sehen und wissen wir wirklich etwas." (Miller)

Na, da bleibe ich aber doch lieber bei der „Hirnwichserei“ wie meine überheblichen Kritiker meinen Gebrauch der ihnen vorenthaltenen Geistesgaben nennen.

Und sage ihnen ihren Begriff auf den Kopf zu, was ihnen vorkommt wie die Unhöflichkeit, dass da einer sie vor den Kopf stößt, als ob nicht der Kritiker heutzutage von vornherein im Unrecht wäre:
Ihr könnt oder wollt nicht mehr zwischen der Analyse von einem Trumm Welt und einem Charakterurteil unterscheiden.

Und das will schon was heißen!

Sonntag, 24. Juni 2007

Rotkäppchen

Eines Morgens sagte die Mutter zu Rotkäppchen: „Großmutter ist so einsam und so krank. Bringe ihr doch diese zwei alten Pfannkuchen und die Flasche Bier, die dein Vater nicht trinken wollte. Aber steh du nicht wieder stundenlang am Waldteich, um dich darin zu spiegeln.“
Rotkäppchen war noch ganz jung, erst vor kurzem hatten Brüstchen an ihrem Leib zu wachsen und wuchern begonnen. Sie war entzückt davon und fand es eine Sünde, dass man sie in das Dunkel einer Bluse wegschließen musste. Sie führte lange Gespräche mit ihnen ganz als ob es ihre Freundinnen wären.
Sie ordnete ihr rotes Halstuch mit dem weißen Bällchenmuster auf ihrem Kopf und band sie unterm Kinn fest.
Aber ihre Bluse ließ sie offen, damit ihre Brüste mit ihr mitgehen konnten. Dann nahm sie den Korb und ging davon.
„Und paß auf vor dem Wolf!“ rief ihre Mutter ihr noch nach.
Daß sie eigentlich zur Großmutter sollte, hatte sie nicht geradezu unverzüglich vergessen, aber sie dachte, daß dazu immer noch genug Zeit wäre. Jetzt kam es eh schon nicht mehr darauf an, wenn die Pfannkuchen noch ein paar Stunden älter würden. Sie eilte zu dem Teich im Wald, wo sie ihre beste Freundin, ihr Spiegelbild, treffen würde.
Sie guckte sich in dem glatten Wasserspiegel die Augen nach sich aus, und entdeckte erst, dass da jemand dicht bei ihr stand, als der sie ansprach. Sie schrak ziemlich zusammen und wollte wissen, wer er denn sei.
„Ich bin Adriaan Dewolf “, sagte dieser, der sich so heimlich still und leise nähern konnte. „Und Ihr seid sicher Rotkäppchen. Ich habe viel über Euch gehört.“
„Oh “, antwortete Rotkäppchen „und haben Sie auch das Neueste gehört? Ich habe erst neulich Brüste gekriegt. Ich wollte denen gerade in dem Wasserspiegel hier zeigen wie schön sie sind. Aber die sind ja so dumm und blind “, seufzte sie bedauernd.
„Ja, das haben Brüste so an sich“, sagte Adriaan Dewolf. „Sie sind schön aber geradezu sinnlos blind. Wollen wir ein bisschen mit ihnen spielen?“
Wie gern auch Rotkäppchen das getan hätte, ihr fiel die Großmutter ein, die so einsam und so krank war. Am Ende starb die noch, während sie selbst hier in der Zwischenzeit herumspielte.
„Nein, ich muß zur Großmutter“, sagte sie. „Denn es wird gleich dunkel und ich habe Angst vor dem Wolf.“
„Sehe ich denn so gefährlich aus?“ fragte Dewolf.
„Im Dunkeln sind alle Wölfe grau“, antwortete Rotkäppchen mit einem weltweisen Spruch, den sie irgendwo aufgeschnappt hatte.
Dann ging sie davon, ihr rotes Halstuch unter dem Kinn festgezurrt, und ihre Brüste hüpften ihr voraus. Aber da gab es so viel zu sehen im Wald, dass sie nur langsam vorankam. Als sie sich dem Häuschen der Großmutter näherte, war bereits alles geschlossen. Sie trommelte an die Tür und auch an die Fensterläden.
„Großmutter, Ihr seid doch nicht etwa tot?“ fragte sie. Und miteins begriff sie wie blöd so eine Frage ist, denn eine tote Großmutter könnte ja nimmer antworten. Von drinnen wurde aber gerufen, dass sie bloß die Türklinke niederdrücken müsste…
„Ich bin so einsam und so krank und liege bereits zu Bette“, sagte die Großmutter.
Ihre Stimme klang ganz anders als sonst, aber vielleicht ist das mit allen Todkranken so. Rotkäppchen trat ein. Die Lampe brannte, und Großmutter lugte aus ihrem Bett voller Begierde nach ihr. Sie trug wie immer ihre Brille auf der Nase.
„Komm zu mir ins Bett, und bringe die Pfannkuchen und die Flasche Bier mit“, sagte sie.
Rotkäppchen kleidete sich aus, behielt aber das rote Halstuch auf ihrem Kopf auf. Sie war ganz jung und ganz schön, so ohne Kleider. Ihre Brüste waren stolz auf so einem schönen Rotkäppchen zu wachsen. Als sie fühlte wie die Großmutter ihren Leib abtastete, sagte sie: „Aber Großmutter, was habt Ihr für große Hände!“
„Das ist, damit ich dich überall anfassen kann.“
Sie ließ Großmutter gewähren. Es war ein ganz angenehmes Gefühl, andere Hände als die ihrigen über ihren Leib wandern zu fühlen. Die Decke glitt dabei aber beiseite, so dass sie die Großmutter unversehens nackt sah.
„Oh Großmutter“, sagte sie „was habt Ihr denn da?“
„Da ist vor kurzem eine gute Fee gekommen, und die hat mir das gegeben. Die Fee hatte überall nach dir gesucht, denn das war eigentlich für dich gedacht. Soll ich es dir jetzt geben?“
Rotkäppchen zögerte. Um die Wahrheit zu sagen, sie war ein bisschen ängstlich. Das musste nämlich so ein Zauberdings sein, genau wie in dem Märchen von dem Mädchen, das eines Tages damit spielte und ein Kind kriegte.
In ihrer großen Begierde, es dem Rotkäppchen zu geben, verplapperte sich aber die Großmutter…
„Nun komm schon, im Dunkeln sind alle Zauberdinge grau!“ sagte sie ermutigend.
Dadurch jedoch erinnerte sich Rotkäppchen an Adrian Dewolf, der schon am Teich auch solche seltsamen Vorschläge gemacht hatte. Sie guckte sich nun die Großmutter genauer an, rückte ihr die Brille von der Nase und entdeckte, dass das ja Adriaan Dewolf höchstselbst war.
Laut begann sie um Hilfe zu rufen.
Und da der Jäger just in diesem Augenblick vorbeikam, sprang er herein.
„Helft mir“, rief Rotkäppchen „er heißt Adriaan und will mir sein Ding aufschwätzen.“
Als Adriaan flüchten wollte, kam er nicht recht voran, sein Bauch war geschwollen und hing ihm im Wege.
„Höchstwahrscheinlich hat er Großmutter aufgegessen!“ sagte Rotkäppchen, denn ab und zu ging auch ihr ein Licht auf, wie man so sagt.
Um sich davon zu überzeugen, nahm der Jäger sein großes Messer und schnitt den Bauch von Dewolf auf. Und ja, da sahen sie Großmutter liegen, die das ganze Gespräch im Bett mitgehört hatte und – oh oh oh! - nichts dazu sagen konnte. Da wollte der Jäger Dewolf niederschießen, der da mit seinem offenen Bauch bewusstlos dalag.
„Nein“, sagte Rotkäppchen „laßt uns ihn mit Steinen vollstopfen und dann wieder zunähen. Das wird Spaß machen.“
Und nachdem sie das Loch, wo die Großmutter dringesessen hatte, mit dicken Wackersteinen vollgestopft hatten, nähten sie es wieder zu. Das machten sie aber schlampig, bloß so eben mal aufgeriehen, gerade ausreichend dafür, dass die Steine nicht gleich rausfallen würden. Dann rüttelten sie ihn aus seiner Bewusstlosigkeit. Sie hörten die Steine rumpeln.
Die Brüste von Rotkäppchen wippten auf und nieder, als ob sie lachen müssten. Mit den rumpelnden Steinen in seinem Bauch lief Dewolf davon. Er kam aber nicht weit. Nach ein paar Schritten sackte er in sich zusammen und war tot.
„Das soll ihn lehren Großmutter spielen zu wollen!“ sagte Rotkäppchen.
„Und dir sein Zauberding geben zu wollen“, fügte der Jäger hinzu… „Und weißt du was, Rotkäppchen, wenn du das mal bedauern solltest, du kannst ja jederzeit das meine kriegen.“
Rotkäppchen war aber vorläufig nicht darauf aus, mit dergleichen bezaubernden Sachen zu spielen.
Sie begann damit gerade ein Jahr später, als ihre Großmutter bereits gestorben war, und sie keine Pfannkuchen mehr liefern musste.
Aus: Blauwbaardje in wonderland en andere grimmige sprookjes door Louis Paul Boon

Samstag, 23. Juni 2007

Demokratischer Faschismus

Wenn ich mich im Folgenden ein wenig ausrotze, dann ist mir schon klar, dass ich mit dem selben Erfolg beispielsweise ein shit-in auf dem deutschen Bundestag veranstalten könnte, aber ich merke, dass es mir gut tut kräftig zu kläffen, wenn ich schon nicht beißen darf. Also:

Die Merkel mag eigentlich keiner von uns so recht.
Woran das wohl liegen mag? Sollte es nicht nur an dem seltsamen Gebaren unserer Hunde bei ihrem Erscheinen auf der Mattscheibe liegen?

Lassen wir sie reden:

-Ziel sei nun ein Reformvertrag in Gestalt eines Änderungsvertrages, sagte Merkel.
Wir erfahren so von höchster Stelle, dass in diesem Vertragswerk sich die gigantischen Kontrahenten darauf verpflichten werden, dass eine Reform eine Änderung darstellt, die als Änderung schon in sich eine Reform ist.
Wenig scheint bekannt zu sein, dass man Bomben ganz unterschiedlicher Bauart und Durchschlagskraft herstellen kann, ohne dass an deren sinnvoller Zwecksetzung irgendetwas reformiert/geändert worden wäre.
Gelernt könnte man das aber schon an den zahllosen Rasierapparatsystemen haben, und am Persil oder am McDonald sowieso längst gemerkt haben, dass die tausend Erscheinungsweisen des immer Selben immer nur auf einen gar nicht verschwiegenen, immer denselben Zweck hinauslaufen.

Formales zu einer Rednerin, die Papiertaschentüchlein mit garantiert Null Nährwert verteilt, wenn irgendwen der kleine Hunger befällt:
„Trotz der schwierigen noch offenen Fragen gebe es die Chance, auf dem Gipfel einen Fahrplan für das Vertragswerk zu beschließen, das die Möglichkeit vorsehe, unter Umständen in Betracht zu ziehen, dass bei angemessener Berücksichtung auch der sozialverträglichen und kostennneutralen Änderungsvorschläge der Gegenseite ein großer Schritt vorwärts zu ihrer positiven Einschätzung einer nicht auszuschließenden Schlußbilanz führen könnte,“ sagte Merkel aus vollem Herzen.

Dieser Müll aus mehreren Merkeln (=Einheit für tranquilisierende Nichtssagendheit) hat aber dennoch einen Inhalt:
"Wichtig ist doch, kann ich aus vollem Herzen sagen, wir sind nach dem Gipfel einen Schritt weiter als vorher. Und das würde ich bejahen", sagte Merkel. Zugleich unterstrich sie, die Globalisierung könne nur gelingen, wenn es soziale Mindeststandards sowie Standards für die Umwelt gebe. Wohlstand könne sich entwickeln, wenn es Wachstum gebe. "Das ist aber kein Selbstzweck, sondern nur vernünftig, wenn wir für alle auf der Welt Verantwortung übernehmen", fügte die Kanzlerin hinzu.
Um das mal von hinten aufzudröseln, um rauszukriegen, was mir hier zugemutet wird: also
1. ich verzichte auf mein wohlbegründetes Urteil über meine und meiner Zeitgenossen Lage, und wer uns die bereitet hat, und weiterhin beherzt zu bereiten gedenkt, und übergebe
2.die ganze Angelegenheit getrost der Verantwortung einer Frau, die in Gestalt eines nebulosen „Wir“ nicht gerade bescheiden „für alle“ auf diesem Planeten die global wohltätigen Zwecke definiert, weil Selbstzwecke (i. e: von ihr nicht gesetzte) vom Übel seien.
Klartext: Den Arsch wird sie uns allen aus vollem Herzen aufreißen bei dem verantwortungsvollen Geschäft, dem Wachstum des Kapitals vorzubuchstabieren wie Wohlstand zu gehen hat.
Das letzte Mal hat ein Politiker namens Adolf Hitler so getönt, als es um den Versuch einer Indienststellung des Kapitals in das deutschnationale Schicksal ging.
Soll jetzt nicht heißen, dass die Merkel einen Faschismus aufziehen will. Aber einen demokratischen Faschismus und dessen Chancen visioniert und ventiliert Ihresgleichen immer öfter.

Es stimmt ja gar nicht, dass ich andauernd (neudeutsch: nachhaltig) gegen alles bin. Angesichts der laufenden Geschäfte bin ich aus vollem Herzen, und das ist doch wichtig, auf meiner Seite.
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen in dieser schwierigen und noch offenen Frage: Ich bin für mich.

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