Dienstag, 22. Januar 2008

Einen guten Hasser

des Gemeinplatzes muss man einfach lieben, oder: Vorm Anruf des Absoluten platzt der Bourgeois vor Gemeinheit: Léon Bloy

Aus seiner „Exegese der Gemeinplätze“

MAN KANN NICHT ALLES HABEN
Richtig; zumal man ja schon das Gesetz auf seiner Seite hat....Darüber hinaus auch noch den Rest fordern hieße das Weltall verschlingen wollen. So ist der Bürger nicht. Verächter des Unendlichen und des Absoluten, weiß er sich zu beschränken. Wer wüsste es besser als er? Von Kind auf sorgt und arbeitet er einzig für die Errichtung von Schranken allenthalben.
Und man beachte die Mäßigung diese Gemeinplatzes. Es heißt nicht: man soll nicht, sondern: man kann nicht. Der Bürger sollte natürlich alles haben, da ihm ja alles gehört, doch kann er nicht alles packen und festhalten, seine Arme sind zu kurz.....
Nicht alles haben! Welches Verhängnis! Ich frage mich nur, wie dies Wort, diese gleichsam übernatürliche Beschwerde, die von Millionen Mäulern ohne Unterlass zu den Gestirnen empordringt, nicht die Gewölbe des Himmels zum Bersten bringt!“


ES KÖNNEN NICHT ALLE REICH SEIN
Scheint zunächst weniger absolut als der vorige, hat aber den Vorzug größerer Präzision. Im Grunde sind beide vollkommen identisch. Es lag daher nahe, sie nebeneinander zu stellen, sie zusammenzubringen, um zu zeigen, dass sie beide die gleichen Gefühle, die gleichen Gedanken wecken.
Denn hier muss es endlich gesagt werden, die Sprache der Gemeinplätze, die erstaunlichste aller Sprachen, hat, wie die der Propheten, die wunderbare Eigenschaft, immer dasselbe zu sagen. Da der Bürger, dessen Privileg sie ist, nur über einen ungemein bescheidenen Ideenvorrat verfügt, wie es sich schickt für einen Weisen, der mit einem Mindestmaß geistiger Tätigkeit auslangt, begegnet er diesen Ideen notwendig auf Schritt und Tritt. Wer dies nicht zu schätzen versteht, tut mir leid.. Sagt etwa eine Bürgersfrau: „Ich lebe nicht in den Wolken“, so darf man überzeugt sein, dass sie damit alles sagen will, alles sagt und gesagt hat, endgültig und für immer..

PRAKTISCH
Nach den Definitionen in den Wörterbüchern handelt es sich hier um nichts weiter als den Gegensatz zum sogenannten Theoretischen, übrigens eine nicht minder schätzenswerte Sache.
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, erscheint der praktische Mensch als das Werkzeug zur Verwirklichung einer Idee oder zur Anwendung eines Gesetzes. Der praktische Mensch im höchsten Sinne wäre demnach der Henker.....
Im Grunde ist der praktische Mensch der eigentliche Halbgott der bürgerlichen Welt, der moderne Ersatz für den Heiligen. Die meisten zeitgenössischen Denkmäler werden zu Ehren praktischer Menschen von anderen praktischen Menschen, errichtet, die ihr Handwerk verstehen und keine Schlafmützen sind.
Ein Hausherr, der mitten im Winter die Kranken und Hungernden auf die Straße werfen lässt, ist ein durch und durch praktischer Mensch, ... Was diesen Mann so hoch hebt, ist, dass er ein Herz hat, manchmal sogar ein überaus gefühlvolles Herz, und dass er sich Zwang antun muß, um nichts davon merken zu lassen...


DER PRINZIPIENREITER
Eine Art Reitkunst, die ausschließlich dem Bürger vorbehalten ist. Sie ist garantiert sicher. Nie hat man gehört, dass der also Berittene aus dem Sattel geflogen ist. Handelt es sich doch um trefflich dressierte Prinzipien! Das Reittier hat außerdem noch den Vorzug, dass es nichts kostet, es sucht sogar seinen Reiter!...
Die Prinzipien, auf denen der Bürger reitet, sind die unübertrefflichen, nicht einholbaren Rennpferde des Todes, die er im Stall seines Herzens verwahrt hält.


MAN MUSS MIT DEN WÖLFEN HEULEN
Eine kostbare Maxime, die aus der Hinterlassenschaft eines alten Hundes stammen muss. Das Heulen ist, wie ich wohl kaum zu erläutern brauche, eine Litotes, ein mildernder bildlicher Ausdruck. Es handelt sich natürlich darum, zu tun, was die Wölfe tun, nämlich die Schafe zu fressen und, wohlgemerkt, mit denen anzufangen, die man zu hüten hat.

WÄHLE VON ZWEI ÜBELN DAS KLEINERE
Hierüber herrscht Klarheit. Die mitleidigsten Seelen können sich der Erkenntnis nicht verschließen, dass das Übel des Nächsten immer das kleinere ist und folglich gewählt werden muss. Schon seit langem ist den Psychologen aufgefallen, dass man immer genug Kraft hat, das Leid der anderen zu ertragen.

Was ich an diesem Ankläger liebe, ist, daß ich ihm eine leicht zu machende Beobachtung verdanke: heute weiß ich schon nicht mehr, was gestern im Fernsehen war. Léon Bloys Bellen hingegen haftet. Unheimlich ist, dass in all dem Geschwätz und Schund, in dem man vor dem Fernseher versumpft und langsam ausblutet, man einer beständigen Apologie von Staatsanwälten der Teufelsarschküsser beizuwohnen glaubt. Der Teufel hörte übrigens während all der langen Weile all dem zu „in einem furchtbaren Schweigen.“
An diesen Teufel glaube ich sogar, dem haben wir alle schon die Hand gedrückt.
Meine Sympathien gelten dem Ankläger, der immer im Recht ist, das er nie bekommt. Seine hier nicht mitnotierten Rekurse auf Berufungsinstanzen wie regressive Utopien und Gottesknechtschaften der menschenfeindlichsten Art lasse ich dahingestellt sein, damit eventuelle Leser darüber selbst befinden. Eine Zurückweisung seines Ansinnens wegen Formfehlern würde ich ablehnen.
Dem Abstrakten des Absoluten abhold, schätze ich in ihm dennoch den hellsichtigen Verfolger todbringender Abstrakta. Das ist bis auf den heutigen Tag kein Popanz, was als MAN das Tun durchgeistert. Es heißt nur manchmal anders: in - out, musts and don´ts, trendy....

MAN...
Was ist dieses Man für den Bürger tatsächlich? Ist dieses von ihm beständig angerufene Abstraktum vielleicht der unbekannte Gott? Man kennt diesen Menschen nicht, Man liebt ihn nicht, Man hat ihn niemals gesehen, Man hat ihn oft genug gesehen. Gibt es treffendere, wirksamere Verdammungsurteile? Dieses Man verdichtet und belebt. Man kennt Sie gut, Man weiß ja, wer Sie sind, Man räumt Ihnen Kredit ein.
Jedesmal, wenn der Bürger spricht, klingt dieses geheimnisvolle Man, als würde ein Geldsack schwer auf den Boden gestellt in einem Nachbarzimmer, wo jemand umgebracht wurde.

Vaterlandslos, das


Das, was dir blüht, Geselle, wenn du es nicht verlassen kannst.

Verbohrtheit
Ein unliebenswürdiger Charakterzug Charakterschwacher, der aus jeder menschlichen Dummerhaftigkeit mindestens fünf gute Witze herausholt, anstatt frei heraus zuzugeben, dass er einfach verbohrt ist.
Beispiel:
Daß die Frösche ausgerechnet dem Storch ausgerechnet seine aristokratisch-elitäre Perspektive vorhalten liegt daran, dass es ihnen nichts ausmacht, von ihm und der Schlange gefressen zu werden, solange sie mit "Herr Frosch" angeredet werden.

Versöhnen, Verbum transitivum
Die Verlaufsform eines tatsächlichen Widerspruchs so lange mit dem Ideal des Gelingens traktieren („Pass bloß auf, dich versöhn ich schon auch noch!!!"), bis beispielsweise Ökologie und Ferntourismus wie besoffene Zechbrüder eingehenkelt davontorkeln.

Vertrauen
Mein Vertrauen in den Argwohn ist grenzenlos.

Montag, 21. Januar 2008

Überzeugen


ist unfruchtbar (W. Benjamin). Superfötation erst recht. Überzeugen Sie sich gefälligst selbst.

Unberechenbarkeit
Der Grund für Spionage und Diplomatie, also eine "zutiefst" inexistente Grundlage für einen sehr zielbewußten Zweck, dessen korrekte Durchführung dazu führt, daß es sie dann doch gegeben hat.

Unfug, haltloser
All jene Einfälle, die als Argumente getarnt gegen dieses erudite Diktionär antreten zu müssen meinen.

Unsterblichkeit
der Seele war den Juden erst völlig unbekannt und zu Jesu vermuteter Lebenszeit noch sehr kontrovers.
Kaum brauchte man fürs kriegerische Abschütteln der römischen Fremdherrschaft Heroen, säuselte der plötzlich geeinte Klerus von ihr als einem jenseitigen Lohn.

Urteilsaskese
Eine heute als akademische Tugend gehandelte Geisteshaltung, die von einer überwältigenden Enthaltsamkeit in Sachen Gegenstandsorientiertheit zeugt.
Da ich mir kein Urteil zutraue, und auch sonst in der hingeknieten Subalternität des Denkens zu exzellieren wünsche, hier eine – wie ich doch anzunehmen fast mir berechtigt erscheine –respektlose, also von vornherein lausbübisch-nichtige Persiflage.
Skene: ein antiker Sklavenmarkt kurz vor Geschäftsschluss. Der ganztägig bleischwer lastende Ladenhüter, ein Skeptiker aus der Fakultät des Pyrrho, soll noch rausgehen.
(Übersetzung aus Lukians Dialogen von Christoph Martin Wieland)

Merkur: -He, meine Herren! Will uns jemand auch diesen noch abnehmen?

Käufer: Der bin ich. Aber sag mir erst was du weist?
Pyrrhonist: Nichts.
Käufer: Wie soll das gemeynt sein?
Pyrrhonist: Daß ich nicht weiß ob überall etwas da ist.
Käufer: Wie? Also wären auch wir nicht da?
Pyrrhonist: Wenigstens nicht dass ich’s wüsste.
Käufer: Du weißt also nicht ob du selbst da bist?
Pyrrhonist: Das ist gerade was ich am wenigsten weiß.
Käufer: Das heißt die Ungewissheit weit getrieben!...Aber was im gemeinen Leben zu thun ist, das wirst du doch hoffentlich ausrichten können?
Pyrrhonist: Alles, nur keinen Entlaufenen einholen.
Käufer: Und warum das nicht?
Pyrrhonist: Weil ich nichts fasse.
Käufer: Das begreift sich; du scheinst in der That ein langsamer, schwerfälliger Bursche zu seyn. Aber was ist denn das Ultimatum deines Philosophierens?
Pyrrhonist: Die Unwissenheit, und weder zu sehen noch zu hören.
Käufer: Du bist also, wie ich höre, auch blind und taub?
Pyrrhonist: Auch ohne Urteilskraft, ohne Geschmack, mit einem Wort, um nichts besser daran als ein Regenwurm.
Käufer: Das macht mir Lust dich zu kaufen.
Was soll er gelten?
Merkur: Um eine attische Mine ist er dein.
Käufer: Hier! –
Nun, was meinst du, guter Freund, hab ich dich gekauft?
Pyrrhonist: Das ist mir nichts ausgemachtes.
Käufer: O das ist sehr ausgemacht! Denn ich habe mein baares Geld für dich bezahlt.
Pyrrhonist: Ich halte mein Urteil noch zurück, bis ich die Sache näher untersucht habe.
Käufer: Folge du mir unterdessen wie es die Schuldigkeit meines Sklaven ist.
Pyrrhonist: Wer kann wissen, ob du die Wahrheit sagst?
Käufer: Der Ausrufer, mein Geld und die Umstehenden
Pyrrhonist: Sind denn noch mehr Leute da?
Käufer: Die Mühle, in die ich dich werfen lassen will, soll dich bald auf eine sehr fühlbare Art überzeugen, dass ich dein Herr bin.
Pyrrhonist: Ich halte mein Urteil zurück.

Kein Mann der Mitte


denn die Welt ist draußen , und er mittendrin: Titus Petronius.
Arbiter elegantiarum unter Nero.
Umfassender Kulturkritiker:
"Wägst du so recht das eine gegen das andere ab, so ist überall Schiffbruch."
Freimütiger Betrachter der Differenz zwischen Prätention und praktischer Einlösung:
"Warum betrachtet ihr mich mit gerunzelten Stirnen wie Cato?
Regt ihr euch auf, weil mein Werk ungewohnt freimütig ist?
Ohne das Wort zu verfälschen, lacht es in heiterer Anmut.
Was ein jeder so treibt schildert es einfach und klar."

Ein aufgeklärter Kopf, an dem sichtbar wird, daß Ideologiekritik keine Erfindung der Neuzeit ist:
"Nichts ist verkehrter als die dummen Vorurteile der Menschen, und nichts ist dümmer als heuchlerische Sittenstrenge."
Interessiert sich für die merkwürdigen Allianzen zwischen Herrschaft und Heil, imperialem Geschäft und das Zuschlagen der Gewalt. Und dabei hat er noch nicht einmal Marx gelesen:
"Ach, was bewirken Gesetze, wo Geld doch allein eine Macht ist
und wo jeglichen Streit immer die Armut verliert?
Selbst wer den Rucksack des Kynikers immer geschultert herumträgt,
gibt seine Weisheit nur preis, wenn man ihn dafür bezahlt.
Also ist ein Urteil nichts andres, als käufliche Ware,
und wenn ein Ritter es fällt, dann ist es sicher gekauft."

Der Meister der Pläsierlichkeiten als Spielverderber? Dazu ist er zu elegant. Ein satirischer Parodist wie sehr viel später nur Musil, der es hinkriegte, mit der Beschreibung eines Klerikers zugleich einen Bolschewiken zu erwischen. Anspielungen sind zwar unverbindliche Belustigungen, sie irritieren gleichwohl. Der um sich greifenden moralphilosophischen Geschwätzigkeit und ihrer Zeitkritik rechnen sie die Unentrinnbarkeit ihrer Involviertheit ins allgemeine Verderben mit formvollendeter Eleganz vor.
Schroffe soziale Gegensätze führen zumeist zu schulmännischem Eifer philosophischer Lehren. Da sie keine Verbindung zur lebensweltlichen Alltagsrealität haben, ist Petron der Ansicht, dass die auch keinen geschworenen Anhänger namens Petron brauchen. Im wechselnden Rollenspiel der Stile und Anmaßungen zerstört er, was in sich selbst zusammenfällt.
Ein Ironiker, der auch vor Selbstironie nicht Halt macht, ist kein Mann, bei dem man sich Lösungen abholen könnte. Aber es ist schon viel und erholsam, wenn der Stolz der kleinen Leute (auf ihren täglichen Heroismus) von der Warte eines aufgeklärten Patriziers ausgehöhlt wird.
"Irrsinn beherrscht auch das Marsfeld: die Bürger lassen sich kaufen,stimmen für den, der das meiste verspricht und sich laut genug anpreist. Volk und Senat sind beide in gleichem Maße bestechlich.. Gunst wird bezahlt.... Rom machte sich selbst zur Ware... Außerdem packte das Volk ein doppelt gefährlicher Strudel: Unersättlicher Wucher zehrte es auf und Verschwendung. Sicher ist nirgends ein Haus, und jeglicher Kopf ist verpfändet."
Was das Oben und Unten der systemgerecht Herauf- und der davon geschädigten Herabgekommenen betrifft: in ihrer Dämlichkeit im Verbrauch von angeblichen ideellen Abhängigkeiten sind sie sich alle gleich:
"Wer seinen Wünschen Erfüllung gelobt, wer den Erdkreis verschachert- alle sind eifrig bemüht, sich eigene Götter zu machen."
Danke, Petron!
Für Leute, die viel Zeit haben, und eine humanistische Sozialisation verpaßt bekommen haben, eine lebenshilfliche Notration in dürftigen Zeiten.

Unglück


"Auch das Unglück hat sein Gutes."
Vor allem und unzweifelhaft das meines Konkurrenten, Widersachers und all seiner Helfer und Helfershelfer.
Da hier der Gemeinplatz in ein etwas zweifelhaftes Licht gerückt erscheint, beeile ich mich hinzuzufügen:
Unbestreitbar gut dagegen ist, seinen Nächsten leiden zu sehen, zu wissen, daß er leidet. Das ist nicht nur an sich gut, sondern gut auch in den Auswirkungen, denn ein Mensch, der auf dem Boden liegt, ist ein Mensch, der verspeist werden kann. Und bekanntlich gibt es kein schmackhafteres Fleisch, selbst Schweinefleisch reicht nicht heran.
(Léon Bloy: Dem Teufel aufs Maul geschaut. Entlarvte Gemeinplätze)

Sonntag, 20. Januar 2008

Selbsterhaltungstrieb


Selbsterhaltungstrieb:
die Lüge des Psychologen über die Wahrheit, daß im modernen Staat die Pflicht zum freien Verkauf seiner selbst die Normalität ist.

Beim Geld


hört sich die Freundschaft auf. Stammt nicht von Marx, oder: Wie einer auszog, um daran zu glauben, daß die Realität sich seinem moralischen Weltbild beuge:Herman Melville

Hier ruhen
die sterblichen Überreste
von China Aster, dem Kerzenmacher,
dessen Leben
ein Zeugnis jener Wahrheit der Heiligen Schrift war,
die wir in der nüchternen Philosophie
Salomons finden,
des Weisen.
Denn er fiel ins Verderben,
weil er wider sein besseres Wissen
den Verführungen eines zügellosen Vertrauens nachgab
und einer strahlend heiteren Ansicht vom Lebendigen huldigte
bis zur Missachtung des Rats,
welcher der gegenteiligen Ansicht
entspringt.

(Aus: Herman Melville: „The Confidence-Man. His Masquerade )

„Aber, aber“, sagte der Fremde und machte mit der Pfeife in der Hand eine abwehrende Geste, „Ironie ist so ungerecht. Ich habe Ironie nie leiden können. Irgend etwas Satanisches ist an ihr. Gott bewahre mich vor Ironie und Satire, ihrer Busenfreundin.“
„Ein rechtes Knabengebet – und ein rechtes Narrengebet auch“, sagte der Hagestolz und klatschte gegen das Schloss seiner Büchse.
(ebenda)


Ach, worum es bei dieser Geschichte eigentlich ging, wo einer wider sein besseres Wissen den Verführungen eines zügellosen Vertrauens nachgab? Um ein Darlehen eines Freundes, also um die nur - zum eigenen Schaden - zu missachtende Dialektik von Moral und moraljenseitigen Gesetzlichkeiten, die regelmäßig dazu führt, dass die Entgeisterten beispielsweise ausrufen: „Aber du bist doch mein Arbeitgeber!“

Tribun


Einer, der die Überzeugungen seines Herkunftsmilieus als so zwingend verbindlich empfindet, dass er - als dessen Dödel - diese Überzeugungen überzeugend darzustellen zu seinem Metier macht. In aller Öffentlichkeit.
Die Senatoren kichern und schließen NOKIA gleichwohl.

Trieb, der
Fallweise auch Zug genannnt, woraus man ersehen kann, daß es da aufs "Wer Wen" nicht so recht ankommt.
Oder sollte es daran liegen, daß der Sprecher sich in solchem, meist als Ur Angesetzem, nicht so recht auskennt? Prinzipiell aber schon seine petitio principii beim Grundsätzlichen eingereicht haben möchte.


Tugend
Kommt von taugen. Da kann man mal sehen wie die Sprache lügt: die ganze Tugend taugt doch nichts für den, der sich ihrer fromm befleißigt. Oder ist die Tugend der Tüchtigen gemeint, der eine ersprießliche Bewirtschaftung der treuen Taugenichtse zu verdanken ist?


Trotz
Vor der Erfindung des Ressentiments das Erklärungsmodell für den unbotmäßigen Willen.
Da es eine Kultur des begründeten Einspruchs nicht geben kann, ist alle Widerrede kindische Widerborstigkeit oder pubertäre Wallung, anmaßende Überschreitung der Kompetenzen, Fahnenflucht des Schusters vor dem Leisten, Verstocktheit eines allzu sensibel Missratenen.....
Denn – wie gesagt – saure Trauben gibt es nicht.

Samstag, 19. Januar 2008

Quatsch

siehe Unfug.

Quark
Wenn die Milch der frommen Denkungsart sauer wird, sieht man sie regelmäßig ausfällig werden.

Quadrophonie
Immer raffiniertere Apparaturen dreschen auf immer dümmere angewendete Anwender ein.
Hier ist das technische Mittel, da wird sich doch wohl auch ein Zweck dafür herbeifinden lassen!

Sachzwang
ist Sachzwang, wie Gott Gott ist, das heißt außer und über allem. Der Sachzwang ist so sehr das Unerklärbare, das Unbeweisbare, das Unbestimmbare in seiner höchsten Bestimmtheit, dass es genügt, diesen Gemeinplatz auszusprechen, um jeden Widerspruch zum Schweigen zu bringen; der Tadel verstummt ebenso wie die Zornausbrüche, die Klagen und Bitten, die Entrüstung und Vorwürfe. Wer diese zwei Silben ausgesprochen hat, hat alles gesagt und alles beantwortet, weitere Enthüllungen sind von ihm nicht zu erwarten.

Satan
Ein toter Hund. Seit seiner Überarbeitung und Neuherausgabe durch die Kurie quicklebendiges Dogma.

Satiriker
Der Satiriker bewegt sich auf feindlichem Terrain. Er tut gut daran, seine Attacke zu tarnen und über sein Ziel zu täuschen. Es sind einfach zu viele, die gute Lust haben, ihm seine Ordination zu bestreiten sobald sie ihm auf die Schliche gekommen sind.
Die strategische Médisance ist also sein Metier: der Angriff, der sich über seine Widerrufung unangreifbar macht.
Was heute als Satire in den Medien seinen Sendeplatz hat, ist ein Wischen über blitzblanke Scheiben.

Scheinbar adj.
War früher.
Heute ist es wirklich so wie es aussieht.

Schwererziehbare
Der silberne Streif am Horizont, der von der freiwilligen Knechtschaft der allzu leichtsinnig Einsichtigen verdüstert wird.

Lachen


Symbolisches Entblößen der Eckzähne als Kulturtechnik, die den anderen Fleischessern zu verstehen gibt, die vorläufige Zurückhaltung bedeute keineswegs, man werde am Verzehr der Beute nicht teilnehmen.

Leutnant
In der Militärhierarchie derjenige, der den gemeinen Mann mit vorbildlichem "Sprung-auf-Marsch-Marsch"- Vorgemache dazu aufhetzt, den Schutz des Schützengrabens zu verlassen, um den Willen des Feindes an ausgerechnet dieser gefährlichen Stelle zu brechen.
Die vielen Leutnants mit Ein- und Durchschüssen a tergo aus den letzten beiden Weltkriegen gehen - nach dem Urteil des Begriffs (Stellvertreter!) und aller Beteiligten - nicht auf ihre Feigheit vor dem Feinde zurück.

Libertin
Ein Liederjahn, der so weit vom Janhagel entfernt ist, daß selbiger vom anderen nichts zu befürchten hat.
Die Fresse poliert dir immer bloß das juste-milieu.

Lümmel
ein Flegel, der Geld für das kriegt, was er macht, aber jedem, der das nicht wissen will, versichert, daß er das macht, weil er Geld dafür kriegt.
So ganz anders das Feinbein! Das kriegt kein Geld nicht und macht gar nie nichts, weswegen es auch so überaus selten vorkommt.

Romantik


Ewig daran scheitern, seine Vorstellung auch in corpore küssen können zu müssen.

Donnerstag, 17. Januar 2008

Philosophie


Denken zum Zwecke der Demütigung des Denkens, vorgetragen als erstmals korrektes Denken. Daraus kann man lernen: fürs Besserwissen ist Wissen eher hinderlich.

Paradoxon, das
Beim Kurzschluß des Paradoxons als einer in sich selbst widersprüchlichen Aussage knallen sämtliche Sicherungen im Gehirn durch.
Das schafft vielleicht Helligkeit!

Parteilichkeit
Wenn es nun mal so ist, daß immer der andere durch Parteilichkeit seines Denkens unangenehm auffällt, ergreife beherzt die Unparteilichkeit der bürgerlichen Mitte.

Polemik
Unbestellter, unzusammenhänger Gallimatthias aus Unverschämtheiten gegenstandsjenseitiger Expertisen über ein verfehltes Thema, der sich wunderbarerweise in kompetentes Expertentum verwandelt, sobald einer den Mund aufmacht, der auch wirklich was zu bestellen hat.

Samstag, 12. Januar 2008

Kirchgängerpraxis


Der untilgbare Restmaterialismus in jeder organisierten Religion enthält den Übergang des Gläubigen zu der Auffassung, der Andersgläubige sei eine praktische Bedrohung in sich, gebiete also dessen brennende Heiligtümer und Leichenberge.



Klimaschutz:
das ist, als ob ein Scheisshaufen sich mit Gestank parfümieren wollte.

Konkurrenzgesellschaft
Die elenden Künste der Konkurrenzgesellschaft beginnnen mit der strikten Leugnung ihrer Existenz und schwingen sich auf zu den Höhen des alerten Umgangs mit deren Folgen: Achtung und Verachtung des lieben Mitmenschen unter einen Hut zu bringen erweist sich als so schwierig wie die Abschaffung des metaphysischen Zirkels.

Freitag, 11. Januar 2008

Kritische Menschen


Der rußige Topf verübelt und verweist es dem Kessel, schwarz aus-/zusehen.
"Im Grunde, Frrrrooooiiinndä, ist doch alles Eins. Schwarz ist selbstverständlich weiß, du mußt nur - wie bei einem changierenden Seidentepppich - den Blickwinkel ändern. Menschliche Schwächen sind zum Beispiel beim Militär sehr respektable Tugenden: Engstirnigkeit, Kriecherei...

Nur beim Zebrastreifen würde ich nicht unbedingt auf der Richtigkeit dieses Grundsatzes bestehen."


Kultur des Hinschauens
Die ohnehin schon selektive Wahrnehmung des Lebenskämpfers wird von einer anscheinend wichtigen Frau namens Merkel zur Verkrüppelung seiner Restwahrnehmung angehalten. Es ist nämlich sonst alles in Ordnung, was man an zig -Tausenden der von ihr belobigten Ehrenamtlichen sieht.
Den vigilanten Bürger gibt es als Berufungsinstanz nämlich auch so schon: als Coolrider, Denunziant und Hilfssheriff, der mit seinesgleichen Bürgerwehren und wachsame Milizen der Zivilgesellschaft bildet.

Donnerstag, 10. Januar 2008

Ideologe


Ein Aufklärer, der die lebenspraktische Notwendigkeit seinem Publikum anheimstellt, was einem den Handlungsbedarf immerzu deckenden Politiker nie einfiele.

Instrumentalisierung

Schlauberger glauben mit ihrem verächtlich hingeschnaubten "Instrumentalisierung" (...der Religion, der Moral... aller höheren Güter, so nicht Rost noch Motten fressen..) einer gebotenen Reinhaltungspflicht genügt zu haben.
Einspruch, Euer Ehren!
Was man zum Mittel machen kann, war von vornherein kein Zweck.
Instrumentalisierung geht, weil sie die taktische Stellung der Leute zu den umlaufenden Angeboten an Symbolwelten abruft.

Instinktlosigkeit


Ein ganz schlimmer Makel in den Augen von Bestien, die damit das Einzige verloren sehen, das ihnen Führung und Geleit gibt.

Interessenvertreter
Wie die erste Hälfte des Worts schon sagt: beim Interesse steckt man bis über beide Ohren mittendrin im Schlamassel.
Das Interesse des Vertreters hingegen sei eins, das ohne eigenes Interesse hausieren gehe, mit den Interessen seines Auftraggebers, die bei sotanen Verhältnissen ja wohl erst mal futsch sind.
Dann wird’ s ja wohl werden!

Jahr

Wenn Präsidenten und andere Vorgesessene die Fahnen von albernen Gemeinplätzen vor sich hertragen, dass einem von dem üblen Geruch die Sinne zu schwinden drohen, haben die 365 mal wiederkehrenden Ekelanfälle ein wenigstens kalendarisches Ende.


Jenseits subst. neutr. sg.
Nicht hier.
Und was erfahren wir bei diesem unserem Denkapparat aufgenötigten Besorgungsgang von Pontius zu Pilatus über das Nicht- Hier?
Daß es die Negation des Hier sei. Danke Pilatus.
Und über das Hier? Daß es nicht das Jenseits sei. Danke, Pontius.

Und angesichts solcher Meisterschaft im Verneinen müssen sich Atheisten, Nihilisten, Anti-Idealisten und andere Satansbraten sagen lassen, sie seien bloß große Negationisten!.

Justitia
Soll die Göttin der Staatsanwälte und aller anderen Kriminellen darstellen.
Daß Darstellung und Sein zweierlei Paar Stiefel sind, merkt man daran, dass die Praxis dieser Prinzipienreiterin sich nicht ad absurdum führen lässt, weil sie da selber hingegangen ist und darauf herumsteht.
a) So alt wie das römische Recht, soll sie dennoch Jungfrau sein. Der Verdacht, dass sie die verdammte Hure all derer sei, die sie bezahlen können, konnte deswegen nie so recht erhärtet werden, weil dieser Beweis nur begrifflich zu führen ist. Und alle – schon bei der captatio benevolentiae - gelangweilt den Saal verlassen..
b) Ihre Augenbinde soll einen gnädigen Schleier über diese delikate Gesichtspartie legen. Sonst würde man sehen, dass sie gar keine Augen hat. Braucht sie auch nicht. War eh nie dabei als passierte, was sie sich jetzt aus einem Buch vorlesen lässt.
c) Das Schwert, mit dem sie nach erledigtem Rechtsstreit einen der beiden Kontrahenten verstümmeln lässt, taugt vielleicht noch zur Not als Gehhilfe. Kastriert oder sonst wie unschädlich gemacht wird heute mit Laser, Computerüberwachung, AWACS, Richtmikrophon ...
d) Da sie also auch schon mal präventiv zuschlägt, muß sie wohl mit sich selbst im Clinch gelegen und gegen sich selbst gewonnen haben.

Flaneure


Du musst auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber ....
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

- Kurt Tucholsky, 1930

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