Samstag, 8. März 2008

Weisheit

Der Weise ist mit meinen anregenden Angeboten ganz schlecht dran. Nach der Lektüre ist er um nichts gescheiter.
Das macht, weil er eben schon vorher viel zu weise war.

Vergnügungssucht
Wenn ich die Wahl habe zwischen einem Schauspiel von Botho Strauß und einem Fernsehdrama, so wähle ich einen Aphorismus von Karl Kraus.
Das Vergnügen dauert ganz einfach länger.

Tradition
Seit Heinrich Heine hat sich viel geändert: die Deutschen lieben außer Sauerkraut mit Würsten auch Fernöstliches und Kulinarisches als Kunst in Kassel. Nur ihre Schweinsrüssel, die lassen sie sich immer noch mit Lorbeeren schmücken.

Weltinnenpolitik
Die Amerikaner haben gar nichts gegen den Iran. Ganz im Gegenteil. Er befindet sich nur in den falschen Händen.

Distinguo
Der Unterschied zwischen „Verbrechen und Strafe“, einem nicht ganz unbekannten Roman von Dostojewski, und seiner bekannten deutschen Übersetzung mit „Schuld und Sühne“ ist der zwischen einem gesellschaftlich- kulturellen Zusammenhang einerseits und seiner Interpretation als einer zwangsweisen religiös -theologischen Verinnerlichung andererseits.

Derartige quid pro quos verdanken sich zumeist dem Interesse an der Verwechslung des einen mit dem Anderen.
Sosehr der Roman Anlass zur „verräterischen“ Übersetzung ins Psychologische geben mag, die neue Titelei verschiebt den Deutungshorizont des Lesers in eine präjudizierende Perspektivik, die dem Roman einen Gutteil seines psychologischen Realismus nimmt.

Unterm Gewissensdruck sich selbst der irdischen Gerechtigkeit auszuliefern (Schuld und Sühne), mag eine verquere Sorte Gottesbeweis ermöglichen, als objektiver Zusammenhang gelesen (Verbrechen und Strafe) wäre das der krause Unfug, sich die Gewalten hinieden zum Mittel seiner metaphysischen Bedürfnisse zu machen .

Enduring Freedom
Irgendjemand sollte endlich mal dem Altkanzler Helmut Schmidt sagen, dass die Amerikaner als Freiheitshelden der rechten Art ihre Prinzipien niemals um momentaner Vorteile willen verleugnen, sondern nur dann, wenn es um eine dauerhafte Kontrolle geht.

Freitag, 7. März 2008

Vermächtnis

Die Welt , die ich hinterlasse, ...in der möchte ich nicht leben müssen.
Liebe Kinder, man kann ein Erbe auch ausschlagen.

Agitation
Eine Schwierigkeit beim Versuch, mit der Wahrheit agitieren zu gehen, ist, dass sachhaltige Urteile dem philiströsen Normalo keine Unterhaltung gewähren, sondern er, um der Langeweile zu entgehen, stets der Idealitäten bedarf.

Bewährung
Unsere Mütter haben uns auf Bewährung in eine fertig eingerichtete Welt geworfen, und unsere Väter haben Vorkehrungen getroffen, dass das auch so bleibt.
Das Berufsprofil der Bewährungshelferei (Pfarrer, Moralphilosoph, Volkshochschullehrer, Psychotherapeut .... usw. in der Opferbetreuung) ist daher ebenso zukunftsträchtig wie das des Söldners privater Sicherheitsdienste.

Contra
Dem gutgelaunten Pessimisten wird nie langweilig und er hat immer recht.

Objektivismus
Albert Einstein bekennt in Mein Weltbild: “Nach dem Sinn oder Zweck des eigenen Daseins sowie des Daseins der Geschöpfe überhaupt zu fragen, ist mir von einem objektiven Standpunkt aus stets sinnlos erschienen.“
Sein verfehlter Objektivismus übersieht dabei, dass genau dies den Unsinn des Sinns ausmacht, dass der sogar noch nach dem Sinn des Drecks zu unseren Füßen fahndet, und zu diesem Zweck freiwillig bei den Polizisten der Naturphilosophie einsitzen geht.

Politiker
Es macht den Politiker aus, dass er der unumstößlichen Überzeugung ist, ohne seine höchstpersönliche Machtausübung ginge es nun mal nicht. Ihm Machthunger vorzuwerfen, geht deshalb am Thema voll vorbei. Genau so gut könnte man einem Karitativen seinen Liebeshunger zum Vorwurf machen.
Oder mir, dass ich einen über den Wissensdurst getrunken hätte.

Wunsch
Es wäre gut, wenn die Linken mir meine Idee klauen würden, bevor die Rechten meine Begriffe besetzen.
Recht betrachtet, sind das schon zwei Wunschträume.

Donnerstag, 6. März 2008

Offenbarungsreligionen

Gott eilte jenen offensichtlich medial veranlagten Männern persönlich zu Hilfe, denen es dermaßen gründlich misslungen war, uns etwas weiszumachen.

Reichtum
Macht den Alltagsverstand nicht glücklich. Sagt er, und weiß von ehrenwerter Armut am blank gescheuerten Holztisch so ergreifend zu erzählen, dass sich die Balken noch in den Chalets der unglücklichen Millionäre biegen.
Vor allem seine Geldform unterliegt einer harschen Kritik: „Geld macht nicht glücklich.“ Und andersrum: „Die Ehre der Frau ist ihr größtes Kapital.“...“und wer froh ist, ist ein König.“
Unterm Mäntelchen einer Verächtlichmachung der Verfügung über fremde Arbeit schleppt so der Hausverstand eine merkwürdige Rechtfertigung des Reichtums durch die moralisch verseuchten Gemüter, indem sie ihn zu einer bloßen Paraphernalie der gesellschaftlichen Verhältnisse erklärt, denen es um ein Eigentliches, viel Wichtigeres von geradezu metaphysischen Gnaden zu tun sei.
Der fromme Erich Fromm, der Lieblingspsychologe des kleinbürgerlichen Seelengebräus wäre hier als einschlägige Vorstellungshilfe zu nennen. Auf ihn geht die Entgegensetzung von Haben (schlecht!) und Sein (gut!) zurück, als ob nicht jeder über sein Guthaben in die Lebenschancen eingewiesen würde. Weswegen einem vernünftigen Mann namens Goethe klar war: „Ein gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank“
Klartext dieser richtigen Rehabilitierung des Reichtums durch den Klassiker: die Totalität seiner Beziehungen zur und auf die gegenständliche Welt droht für den der Bettlägerigkeit zuwankenden Mittellosen auf den selbstproduzierten Mief bei zugezogenen Gardinen zu schrumpfen.

Expertenrunde
A: „Zwei mal zwei sind ganz gewaltige, und seit dem letzten Jahr nachhaltig zukunftsoffen zu begrüßende Vier. Und das ist gut so für die deutsche Wirtschaft.“
B: „Das kann man unmöglich so stehen lassen, Herr Kollege. Meine Gegenrechnung ergibt, dass es die von Ihnen erwähnten zwei plus zwei sind, die diese Vier als ein ganz mieses Ergebnis der verfehlten, politisch zu verantwortenden Rahmenbedingungen erscheinen lassen.“
C) „Als Philosoph kann ich nur sagen, dass in jener Vier eine Verdinglichung statthat...„

Meine Herren, ich danke Ihnen vier diese Einschätzung..

Gedanken
Für die Richtigkeit eines Gedankens bürgt, dass er - kaum ausgesprochen - heutzutage für einen Revolutionsaufruf genommen wird.
Seine schiere Differenz zur Reproduktion der Fassade ist schon Anlass zum Abrücken. Er hilft und taugt nun mal nicht beim Täuschungsgeschäft.

Idee
Die Beliebtheit der Idee rührt her von ihrer uns schmeichelnden Erinnerung daran, dass wir eben nicht schlicht zusammenfallen mit der Hinfälligkeit unseres Fleisches.
Eine gewisse Beliebigkeit, Unverbindlichkeit, um nicht zu sagen Promiskuität ist ihr aber leider nicht abzusprechen: da reibt sich ein Sartre am Schopenhauer, und Plato lehnt verträumt am Paracelsus.
Was darüber hinaus den Verdacht einer gewissen, sie durchaus charakterisierenden Unfruchtbarkeit nährt, ist der gar nicht zu übersehende Umstand, dass ihre ältesten Hüte der letzte Schrei sein sollen.

Populärkultur
Die triviale Unterhaltung ist direkter Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse, was man daran merkt, dass nichts davon bis zum anderen Morgen im Gedächtnis haftet: das an den Augen Vorübergezogene ist so identisch mit allem ohnehin Bekannten, dass es darin restlos und spurlos aufgeht.
Etwas - von diesen Verhältnissen - Verschiedenes wäre demnach automatisch eine aufklärerische Kunstübung.
Probe aufs Exempel:
Abend für Abend gibt die Fernseh-Polizei alles, unter Aufbietung letzter Kraft, den Höchstwert Gerechtigkeit realisieren zu helfen. Man sieht, Verbrechen zahlt sich nicht aus.
Der bloße Konter: „Oh doch!“ taugt bestenfalls für ein weiteres talk-show-Thema.
Besser ist das Klarstellen des Sachverhalts über den Begriff der Gewalt: Illegitime böse Gewalttat – legitime gute Gewalt wie im folgenden Brechtschen Merker:
Was ist schon ein Banküberfall im Vergleich zur Gründung einer Bank?.“ (Brecht)

Mittwoch, 5. März 2008

Kreditwesen

Obgleich es eigentlich unverständlich ist, dass ein durch Sanftmut hervorstechender Jesus die Händler gewaltsam aus dem Tempel vertrieben und ihre Tische umgeworfen haben soll, muss -dieser Anekdote zufolge - der Zorn doch einen wesentlichen Aspekt von Jesu Charakter ausgemacht haben. Das macht ihn sympathisch menschlich. Hier bedient sich der neutestamentliche Literat der Technik der Sympathielenkung durch vulgäre Identifikationsangebote.
Andererseits glaubt natürlich kein einziger Hörer auch nur ein Wort dieser story. Ein Erzürnter gegen gleich mehrere Männer siegreich?
Und die Marktaufseher schauen bei diesem geschäftsschädigen Gebaren einfach zu?
Von der Kundschaft ganz zu schweigen, die automatisch eine von Lynchinstinkten getriebene Posse gebildet hätte, um den praktisch werdenden Systemgegner zur Strecke zu bringen.
Der Verständige begreift: es geht um das Kreditwesen, und „Kredit“ heißt nun mal buchstäblich „Glauben“, was sowie so nur quia absurdum geht.


Kriegshetze demokratisch, ganz ohne Propaganda-Ministerium

Der Soziologe Wolfgang Sofsky belehrt in dem Kulturfenster „Kulturzeit“ neuerdings die Deutschen über ihre Untugenden, als ob er fürs Moralpredigen bezahlt würde.
Unter anderem seien die Deutschen als ängstliche Feiglinge im „Zustand tiefster Unfreiheit“.
Da muss es wie ein Befreiungsschlag wirken, wenn ein solcher „Mann des aufrechten Gangs“ „couragiert“ darauf hinweist, dass die von den Amerikanern schon seit längerem angemahnten Schulterschlüsse beim erfolgversprechenden Kriegführen auf vornehm-feige Zurückhaltung hierzulande stoßen.
„Friedensmissionen sind kein Zuckerschlecken“, weiß er. Und mutig zitiert er den provokanten „Spiegel“: „Die Deutschen müssen das Töten lernen.“
Genau, denn wie entkommt man dem Zustand tiefster Unfreiheit? Töten macht frei.
Er mokiert sich über die derzeitigen „bescheidenen moralischen Ansprüche“, denen zufolge die „Feigheit zum Beweis von Klugheit umgedeutet wird.“
Stimmt. Früher war das anders. Da waren die von Hitler produzierten Millionen toter Helden nicht nur objektiv dumm dran, sondern von grundsätzlich bezweifelter geistig-seelischer Verfassung.
Die große Koalition, die dem „Volke nach dem Munde“ zu reden gezwungen sei, kann diese Feigheit nicht "eindämmen", ist geradezu ein „Bremsklotz“ einer wünschenswerten „tatsächlichen Veränderung“ hinsichtlich der unumgänglichen „Entsendung deutscher Truppen zu Kampfeinsätzen im Ausland“.
Ein bisschen mehr Führerstaat geistert da rum, als ob eine Seminararbeit bei Arnulf Baring eingereicht werden sollte.
Bislang habe ich immer gedacht, dass bürgerliche Wissenschaft bloß allgemeine Moralinger auf wissenschaftlich unter die Leute bringt.
Jetzt weiß ich es besser: sie novelliert unaufgefordert und aktiv die Standards des Mitmachens.


Die des Merkens würdige Fabel vom gekränkten Bauern und der klugen Schlange

Eine Schlange, die ihr Nest auf dem Hof eines Bauern hatte, tötete dessen kleines Kind, worüber die Eltern in tiefe Trauer verfielen.
In seiner Betrübnis ergriff der Vater ein Beil und wollte die Schlange, sobald sie hervorkäme, totschlagen. Wie sie nun den Kopf ein wenig herausstreckte, wollte er schnell auf sie einhauen, allein er verfehlte sie und traf nur die Öffnung ihres Schlupfwinkels. Nachdem sich die Schlange wieder in ihr Loch zurückgezogen hatte, glaubte der Landmann, sie denke nicht mehr an den Racheakt, nahm Brot und Salz und setzte es vor die Höhle. Die Schlange aber zischte ganz fein und sprach. "Nun und nimmer kann Zutrauen und Freundschaft zwischen uns bestehen, solange ich die Kerbe als Denkmal deines Hasses sehe und du darin das Grab deines Kindes.
Und die Moral von dieser Äsopschen Geschicht´?
Verwechsle Kriegerdenkmal und Obsessionen nicht.

Selbstbetrug
Wer sich zu den Bessern zählt
Hat sich meistens gern verzählt.

Freiheit
Eins der vielen Abstrakta, von denen sich die Leute erzählen, dass es darüber nichts Vernünftiges zu sagen gibt, weil jeder darunter versteht, was ihm gerade einfällt.
Grenzen wir also ein. Über die unbegrenzte Freiheit zur Spinnerei kann tatsächlich nichts Ersprießliches formuliert werden. Über Sätze, wie sie so vorkommen schon.
Nehmen wir den Klassiker der französischen Revolution: „Wir wollen Freiheit.“
Diese Forderung unterstellt eine Macht, die sich das anhört. Von dieser allgemeinen Gewalt, auf die sich die Leute selbst verpflichten, bekommen sie dann auch, was sie wollten: ein freies Dürfen - Wollen nach den Maßgaben jener Instanz.
Denn die Existenz einer von meinem Willen getrennten Gewalt zieht automatisch mein Einverständnis mit der freiwilligen Nötigung nach sich.
Beschränkungen wollen - als Angebot an den freien Willen - heißt, die nicht von mir gesetzten Bedingungen meines Erfolgs gutheißen zu müssen.
Das erklärt mir so manches.

Dienstag, 4. März 2008

Leistungsträger

Das zetert über eine Elite ohne Moral. Und irrt sich gleich zweifach.
1) ist Macht und Geld der tatsächliche Maßstab, an dem jede einzelne Seele hierzulande gemessen wird. Die Leute, die es also nicht nur in ihrem eigenen Urteil geschafft haben, entsprechen also in geradezu vorbildlicher Weise den gültigen Moralvorstellungen.
2) Die Schlechtweggekommenen halten ihre kleinkarierte Eingepferchtheit nicht für ein praktisches Urteil, das über sie letztinstanzlich bereits ergangen ist, sondern nehmen es als freiwilliges Ja zur Beschränkung aller gegen alle zu Beschränkenden.
Ganz schön beschränkt.

Moral
Als Einstiegsdroge zu diversen härteren Sächelchen durchaus brauchbar, heute allerdings als verdammt hartes „non plus ultra“ (Keinen Schritt weiter, oder es knallt!) befohlen.

Über Feinstaubplaketten und Rauchfreiheit in öffentlichen Räumen sollst du dem small-talk zuschowen, der Feinstaub aus amerikanischen Massenvernichtungswaffen mit abgereichertem Uran (Krebstod für 2,5 Millionen Jahre im Umkreis von 25 km der Einsatzgebiete garantiert) in Ex-Jugoslawien, Afghanistan, und Irak, Libanon ist erst gar kein Thema.

Wussten sie eigentlich, dass die Israelis ihren Atommüll im befreundeten Mauretanien verbuddeln, den Strahlentod also nicht bloß mal eben nach Südlibanon verschießen?
So, und jetzt mal im Ernst: Unter welche Untugend unter wessen Verantwortlichkeit fällt eigentlich die Atompolitik, dessen Einstieg in den Ausstieg aus dem Ausstieg wir augenzeugen?

Klassenhass, von oben
Bevor die niederländische Ritterschaft von den Bauern weggeputzt wurde, sang die das Kerelslied, um sich den Hass und wohl auch die Angst vor den Geknechteten vom Leibe zu singen:
wij willen van de kerels zingen/ Wir wollen von den Bauern singen
zij zijn van kwader aard/ die sind von böser Art
zij willen de ruiters dwingen/ die wollen gar die Ritter zwingen
zij dragen een langen baard/ und tragen einen langen Bart
(Symbol des freien Mannes)

ter kermisse wil hij gaan/ Der will zum Jahrmarkt gehn
hij denkt dat hij is een graaf/ und denkt er ist ein Graf
daar wil hij het al omme slaan/ da will er sich herumprügeln
met zijne verroesten staaf/ mit seinem verrosteten Stab
dan gaat hij drinken van den wijn/ Und macht er sich an den Wein stappans is hij versmoord /in dem er sich ertränkt, dan is de wereld 't zijn/ dann hat er die Welt in der Tasche:
stede, land ende poort/Städte, Land und Hafen

men zal ze slepen en hangen/Man wird sie schleifen und hängenhun baard is al te lang/ ihr Bart ist all zu lang
zij kunnen het niet ontgangen/ da kommen die nicht drum rum
zij dochten niet zonder bedwang/ die taugen nicht ohne Zwang

Hallo, ihr Friedens- und Konfliktforscher!
Wie hätte denn nach den zahlreichen vergeblichen Bauernaufständen, die vorläufig immer an den besser gerüsteten Rittersleuten scheiterten, eure Lösung ausgesehen?
Den Unterdrücker bitten, streicheln, eine Gewerkschaft gründen, auf Ver- Rechtlichung des Abhängigkeitsverhältnisses bestehen, auf Augenhöhe verhandeln? An welche gemeinsamen Interessen hätte man da wohl appellieren können?
Die Liebesbotschaft war übrigens damals schon den beiden Parteien durchaus bekannt, aber von der ebenso bekannten durchschlagenden Wirkungslosigkeit.
-Ach, du immer mit deinen alten Geschichten!
Menschenmaterial“ ist kein Bah-bah!-Unwort des 20. Jahrhunderts wie uns die Moralwachteln einreden wollen, sondern ein Fachterminus des Militärs aus den Schlachten des ersten der Weltkriegsserie.
Nach Vietnam sagte der Menschenfreund und gern Frieden herbeibombende Henry Kissinger: «Soldaten sind nur dumme, stumpfe Tiere, die man als Pfand in der Außenpolitik benutzen sollte …» (aus Kapitel 5 der «Final Days» von Woodward und Bernstein).

Montag, 3. März 2008

Ein Gefangener, lebenslänglich,

Hermann Melvilles „Israel Potter“, hält es für seine traurige Pflicht, sich ergebnislos zu prügeln: Ohne Fleiß kein Preis.
Dieser aus Elementen einer tatsächlichen Lebensgeschichte und denen eines Abenteuerromans verfertigte Text ist eine symbolistische, zwischen Ironie und blutigem Ernst changierende Exerzitie über einen Hiob des Patriotismus, m. a. W. über einen stoischen Dummkopf, der sich seinen „amerikanischen Traum“ nicht ausreden lässt.
Erstaunlich in seiner Unerfreulichkeit ist das dennoch: Literatur als Muster von Realitätsverarbeitung. Darin wird die Frage nach dem metaphysischen Ort der amerikanischen Revolution zu beantworten versucht. Das Ergebnis ist ein mindestens zwieschlächtiges, wie immer bei Melville.
Der Versuch, den „Geist des Westens“ zu charakterisieren, gipfelt einerseits in einer trostlosen Predigt über Benjamin Franklins „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“:
„... wer im großen Erfolg haben will, darf nicht auf glatte See warten, die es nicht gegeben hat und nicht geben wird, sondern er muss mit der zufälligen Methode, über die er nun einmal verfügt, und mit aller Verblendung auf sein Ziel zustürzen und das übrige dem Glück überlassen; denn alle menschlichen Verhältnisse sind von Natur aus unübersichtlich, da sie in einer Art halbbeherrschtem Chaos entspringen und von ihm unterhalten werden."
In diesem Schlüsselsatz geht Melville Klartext redend, nicht gestaltend, unter sein sonstiges literarisches Niveau. Theoretisch hat er aber immerhin den Dezisionismus als Verhaltensmaxime angemaßter Souveränität entdeckt.
Von größerer Tragweite ist das Andererseits seiner Fortschrittskritik:
Im Angesicht dieser Schlacht kann man sich fragen: Was unterscheidet den gebildeten Menschen vom Wilden? Ist die Zivilisation etwas Besonderes, oder ist sie eine fortgeschrittene Stufe der Barbarei?“
Dieser Ent-Heilung des Staats als der neuerdings so genannten „Rahmenbedingungen“ korrespondiert der in der Fremde wie ein ewiger Jude umherschweifende Israel Potter. Er wird scheitern gemacht an der Melvillschen Heiligung der Entfremdung: Israel Potters Exil im frühkapitalistischen London sieht sich in die postfigurale Bildlichkeit der Israeliten in Ägypten versetzt.
"Der Garten Eden war nur eine Ziegelei. Was ist ein Sterblicher mehr als ein paar Schaufeln unglücklichen Lehms, in eine Form gepresst, auf einem Brett zum Trocknen ausgebreitet und bald von der Sonne zu seinen wunderlichen Grillen erweckt? Ist der Mensch nicht in die Gemeinschaft eingemauert wie ein Ziegelstein in die Wand? Man denke an die große Chinesische Mauer, an die ungeheure Bevölkerung von Peking. Wie der Mensch die Backsteine, so behandelt ihn Gott und schichtet ihn milliardenweise zu Bauwerken nach seinem Plan."
"Es waren stoische Kräfte, die ihn auf einen nahen Tag vorbereiteten, an dem er in die tiefste Not geraten sollte, die es hier gab. Krankheit, Entbehrung und alle scharfen Qualen der Verbannung bestimmten ihm ein Schicksal, das sogar inmitten der unglücklichen Menschheit unvergleichlich war, ein Schicksal, dessen größte Not das Ausbleiben jeder Hilfe und die unendliche Verlassenheit waren. London, das Unglück und das Meer – das waren die drei Dämonen der Apokalypse, die ihr Opfer zugleich erschlagen und verstecken."

Israel kehrt nach fünfzig Jahren Exil endlich doch noch zurück ins gelobte Land Amerika, für das er seit Bunker Hill 1775 unter anderem als Kriegsheld, Spion, Agent usw. den Körper hingehalten hat, und sieht sein Vaterhaus abgebrannt.
Wenn einer unbedingt will, kann er nach Hause zurückkehren.
Aber alle Heimkunft stochert in der Asche des Gewesenen.

Es bleibt wenig zu sagen.
Seine Gesuche um ein Ruhegehalt scheiterten an gewissen gesetzlichen Umständen. Seine Narben blieben seine einzigen Orden.“

Sonntag, 2. März 2008

Adiaphora

Heirate, und du wirst es bereuen. Heirate nicht und du wirst es genauso bereuen.
Wähle, und du wirst es bereuen. Wähle nicht...du glaubst doch nicht etwas, du kämest ums Regiertwerden herum?

Benehmen, schlechtes
wie es hier zum guten Ton gehört, wird kaum Anklang finden.
Ebenso richtig ist, dass ihr an eurem guten Benehmen zugrunde gehen werdet. Da ihr zu den sprachbegabten Tieren gehört, hätte wenigstens ein Aufschrei euch vermenscht.

Fundamentalismus
Mit der Interpretation kanonischer Schriften beginnt die Folklorisierung jeder Religion.
Deswegen wird Demokratie auch gesetzt, mental fundiert. Erst beim Wählerwillen wird mächtig heruminterpretiert. Denn von dem hängt eh nichts mehr ab.

Gewalt
Sie kommt dir so, muss aber nicht. Sie kann auch ganz anders oder lässt es auch schon mal ganz bleiben.
Das unterscheidet unsere Impotenz vom Potentaten, der noch für sein Sich - Enthalten an seinem Heiligenschein polieren lässt.

Kompromiss
Jedes Interesse bedarf zu seiner Realisierung der ihm gegenüber geltend gemachten Gewalt. Gewaltlosigkeit würde ihn als Albernheit kompromittieren.
Die Hochschätzung eines angeblich gewaltfrei, sozusagen „auf Augenhöhe“ zu Stande gekommenen Kompromisses, hat sich in die Spiegelfechterei verliebt.

Leben
Am Leben ist nichts heilig.
Man kann es aber heiligen, indem man es widmet. Z.B. dem Hass. Das dazugehörige Opfer wird sich in der Steinigung automatisch einstellen.

Sauls Erbe
Der erste Staatsmann ging, wie der letzte Politiker ebenfalls gehen wird, zur Hexe von Endor, um sich Rat für sein unberatenes Tun zu holen.

Samstag, 1. März 2008

Motto

In den Arsenalen meines Hasses wird immerdar eine Lunte für dich glimmen....
(Ishmael)

Aphorismen
streuen diffuse Signale zwischen das Selbst- und das Unverständliche.

Demokrat
Der Knecht, der sich selber fesselt, hat endlich seine Ketten gesprengt.

Eingehaust
Wohin auch immer es die Verhausschweinten verschlagen haben mag, sie werden jeden – nach ordentlichen Zumutbarkeitsregelungen errichteten - Stall als von ihnen ins Werk gesetzt voller Stolz vorzeigen.

Idealismus
Beim Gläubigen: imperativ
Beim Philosophen: fakultativ
Beim Normalo: dekorativ. Denn bravsein muss er eh.

Lebensentwürfe
Die großen Biographen im vornehmsten Sinne sind doch die Geschichte schreibenden Politiker. Schreiben sie doch Sagas des Alltagsheroismus, gleich millionenfach, und verlangen noch nicht einmal Tantiemen dafür.


Pausenhof
A: „Sprache, Quelle so vieler Missverständnisse ...“
B: ...“ist das Mittel ihrer Bereinigung.“
C: „Ohrfeigen tun es auch. Oder hast du damit ein Problem?“

Sie wurden später genau das, was sich hier schon überdeutlich ankündigt.

Pfaffenwitzchen
Sind die Normen erst einmal gut verinnerlicht, darf mit ihrer Verletzung kokettiert werden. So wird das Leben des wohlsituierten und wohltemperierten Zeitgenossen zu einem einzigen Boulevardstück.

Religionsverbrechen
Zu Sibiu, höre ich, hat man ökumenischerseits folgenden - vermutlich vollinhaltlich geteilten - Grundsatz beschlossen:“ Ein Verbrechen im Namen der Religion ist ein Verbrechen gegen die Religion.“
Bloß gut, dass die Demokratien von sich aus festsetzen, was ein Verbrechen ist. Sonst müssten sämtliche Freiheitsrelegionäre hinter Gitter.


Weisheit vs. Interesse
A: „Was ist schon das bisschen Leben im Angesicht der Ewigkeit?!"
B: „Was ist schon ein ausgeschlagener Zahn angesichts von 32?!"

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