Dienstag, 21. Oktober 2008

Naturidyllik

"Ich dagegen werde verächtlich auf das herabsehen, was Steuerklasse und Reichtum geben,
und das Werk der Natur bewundern, wo nicht der Eifer der verschwenderischen Neffen
und froh über Verluste, die Bedürftigkeit schwelgt.
Hier bedeckt fester Sand die feuchten Gestade
und nicht halten die eingedrückten Fußspuren ihre Formen bleibend fest."

Aus Ausonius´ Preislied "Mosella"
Die Antike ist hier mal ausnahmsweise ganz modern.

Raubtierkapitalismus


In Kreisen der Gebildeten will man eine neue Qualität der an und für sich guten Sache des Kapitalismus ausgemacht haben. Sie sei irgendwie im Verlauf böser Mutationen des natürlichen Gleichgewichts auf der Steppe entartet.
Früher hätten die Ameisen und ihr - das Eigentum verpflichtender-Sozialstaat unter Adenauer ein allseits befriedigendes Erscheinungsbild abgegeben.
Dann seien die Heuschrecken gekommen.
Und jetzt machten die Löwen die Pleene unsicher. Im Bildungsprogramm der Bayern wird eine Sendung über „Kapitalismus pur?" angekündigt unter dem Haupt-Titel: “Der Tiger läuft frei herum.“
Lässt man die Sich-Auskenner, die sowieso der Ansicht sind, das alles hätte vermieden und verhindert werden können, eine Weile quatschen, dann enden ihre Unzufriedenheitskundgebungen in innovativen Einfällen, die regelmäßig den Bock zum Gärtner machen: Aufstockung der personellen Ressourcen bei den Geparden zum Ausbau und zur nachhaltigen Wahrung polizeilicher Ordnungsstiftung.

Das ist dem Leser zu vage, bloß im Erahnbaren verharrend?
Bedanke er sich bei den Geistern, die so überaus genaue Auskunft über die Raubtiere und ihre Staatsdoktrinen unter die Leute bringen.


Triebestreiben
Hinter der Bücherreihe verstaubender übler Gewohnheit
Nistet des Unzuträgli chen allzu lebendige Staubmaus.

Montag, 20. Oktober 2008

In Memoriam Jean Améry

I
Greisenweisheit, sofern sie nicht überhaupt nur ausgeborgter Überlegenheitsgestus ist, besteht im Vergessen, was es bedeutet hat, an sich selbst systemrelevante Tauglichkeit herzustellen, oder sich fürs Arbeitsleben einbrechen zu lassen, von den sonstigen Unzumutbarkeiten der professionell verabfolgten Konsensherstellung abgesehen.

Da ist man nicht undankbar für die Überforderungen durch das Geistesleben zorniger alte Männer, denen außer der trivialen Ergebung ins Unabwendbare auch noch was anderes dazu einfällt: der unbezahlte, unverwertbare Akt der Rebellion gegen das Einsickern des Vergessens in den verwelkenden Körper. In seiner Abgeschabtheit weist er die Spuren der Geschichte vor, und wenn wir Glück haben, in exemplarischer Verschlissenheit durch die Einschreibungen geschichtsmächtiger Eliten.

II
Was wir Skeptiker (Skeptiker ausschließlich vor dem Unverständlichen am Entsetzlichen, Nicht-Wegrationalisierbaren) Jean Améry verdanken, ist die gründliche Entfremdung als Voraussetzung des Denkens: „Wer Heimat hat, braucht sie nicht.“
Dass so einer ganz schnell nirgendwo mehr hingehört, führt vom Herdentrieb Gesteuerte zu den Anbetern der schwarzen Sonne melancholischer Resignation.
Ihm aber hatte die Revolte wohl näher gelegen.

III
Was hätte das Folteropfer Améry wohl von den heutigen Philosophien der wohltemperierten Friseursalons und dem gekauften Konsens gehalten?
Dafür, dass ich meine Sinne so halbwegs mir salvierte, bürgte der Konflikt.“...
„(Und nun mag, wer will, mich einen unversöhnlichen Hasser nennen, einen neurotisierten Juden, einen von Ressentiments verstörten Narren.) Ich weiß es besser, denn ich war dabei, war Tatzeuge.“

Es bleibt dabei: bei allen skeptischen Vorbehalten gegen Metaphysica und abstrakte Heilsansprüche der Religionen, Amérys illusionsfreies Wissen über Kapital und Staat hatte sich dieser Hans (Chaim) Mayer nie auf den Status einer beliebigen Meinung herunterreden lassen.
So hat er uns die Fähigkeit vermacht, zwischen einer ehrbaren Skepsis und dem aus keinem Leibe zu prügelnden Wissen zu unterscheiden.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Aufkläricht

Nach Walter Benjamin hätte die Aufklärung zwar stattgefunden, wäre aber gescheitert.
Stimmt.
Sie hat seit jeher stattgefunden ohne Ergebnis für den Bedürftigen, der aufs Flehen sich verlegt.
Seither.

Gegen das Befreiungsgeschwätz
Die Unterdrückung durch „Sachzwänge“ zu hassen, ist noch lange kein Grund, die Unterdrückten zu lieben.

Liebesfilm
Sie würden liebend gern ihre Freiheit für eine sakralisierte Abhängigkeit hingeben und lassen sich mit einer einfältigen Bebilderung ihrer Funktionalität abspeisen.

Hans Christian Andersens Märchen wurden in ebenso viele Sprachen übersetzt wie die Schriften von Marx.
Nur anders herum hätte es mich gewundert.

Freitag, 17. Oktober 2008

Begriffsverwirrung

Dem Möglichen, das eigentlich keine Grenzen kennt, weil es nichts Wirkliches ist, setzt jeder Satz des Gewalthabers Grenzen. Nur dem Unmöglichen, das seine sich selbst vernichtende Grenze in sich trägt, wird von ihm generös Grenzenlosigkeit zugeteilt.

Dürrenmatts
Besuch der alten Dame“ ist eine Schelte der widerwärtigen Charaktere als welche wir in uns gehen sollen, ist also ein widerwärtiger Missbrauch der Kapitalismuskritik zu Zwecken der Predigt über die Abgründe von Abhängigen.
Der Primitivität der Abhängigkeit wird der Primitivismus von notgedrungen Abhängigen hingerieben.

Meinung
Die Meinung hat so einen hohen Beliebtheits- und Verbreitungsgrad weil jeder weiß, dass alle Praktiker sich in ihren respektiven Notwendigkeiten hervorragend auskennen.
Wohingegen: über das schwarze Ding da in ihrem Rücken, das derweil und deswegen ungehindert sich drohend türmt, auch nur mal bissl theoretisch eine These zu formulieren, ist eine Anmaßung sondergleichen.

Fakt
Sie interessieren sich nicht fürs Geld. Nur für die ihm nachgesagten segensreichen Wirkungen.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Zu Walter Benjamin

Die einen halten ihn für einen Marxisten.
Die anderen für einen Religionsphilosophen.
Angesichts der allgemeinen Lagermentalität der Reinhalter und Feindschöpfer liegt der Gedanke nahe, Benjamin habe erstmals das Kapital nicht bloß als Religion bebildert, sondern dieses neue integrative Absolutum als Gott im Ernst gedacht.

Gesichter
von einer grässlichen Frömmigkeit entstellt. (Norman Lewis: Die Stimmen des alten Meeres)

Dienstag, 14. Oktober 2008

Auswüchse

An der reduktionistischen Metaphorik des konservativen Denkens lernt man die obskurantistische Untugend der bildlichen Übertragung, alles Unbekannte durch hinlänglich Bekanntes zu substituieren, mehr zu hassen als unbedingt nötig ist.

Denn als Auswuchs hat man sich ja wohl eine krankhafte Geschwulst, eine abnormale Protuberanz am ansonsten gesunden Organismus vorzustellen.
Kapitalismus ist nach dieser Vorstellung das Gesunde, Normale, das sich zu Zysten, Polypen und anderen ekligen Neoplasmien auswächst, wenn die Zivilisations- und Zukunftsarchitekten nicht aufpassen.
Dann zerfällt das fiktive Kapital plötzlich in bübische Zertifikate von Schmarotzern, die mit der gang und gäben Aufblähung des Kreditvolumens nichts zu tun haben, und in die rosenwangige, alternativlose Alternative der guten alten Tour, Leute, die darauf angewiesen sind, in die Kreditfalle laufen zu lassen.

Wahrheit
Es gibt viele Wahrheiten, weiß die vielfältige Einfalt (tot capita tot sententiae).
Aber doch wohl nur eine über ein und dasselbe.
Daß die Prawda jeder Nationalstaatsideologie lügt, ist keine Widerlegung, sondern geeignet, dem Erkennen seine Unteilbarkeit zu lassen.

Montag, 13. Oktober 2008

Spätromantiker

„Rosen in einem zerbrochenen Krug.
Sind immer noch Rosen.“ (Gustaf Fröding 1860-1911, Schwedischer Dichter)

Freies Land in freier Welt
Schon im 19. Jahrhundert, hat "freies Land" nur bedeutet, dass es angeblich niemand gehörte, und man darauf tun konnte, was man wollte, zum Beispiel verhungern oder Leute wegräumen.

Samstag, 11. Oktober 2008

Berichtigung Oswalds,

des geschichtsphilosophischen Spenglers
Humor verträgt sich mit dem Mitleid der Knechte untereinander, Satire gehört sich wegen der Grausamkeit des Herrn.

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