100 schwarze Meisterwerke

Dienstag, 10. Juni 2008

Der rabenschwarze Brief des Jeremia


Aus Baruch, jenem Kapitel 6, das unter der Hand des Schreibers zu einer frühen Religionskritik und einer Kritik an den Idolen des Aberglaubens wurde.
Und wenn ihr seht, (meint der Schreiber) wie das Volk vor und hinter den Götzen einhergeht und sie anbetet, so wisset über diese Eidola:8
Ihre Zunge ist vom Künstler fein gemacht; sie selbst sind mit Gold und Silber überzogen; aber sie sind Truggebilde und können nicht reden. 9 Sie schmücken sie mit Gold wie ein putzsüchtiges Mädchen und setzen ihnen Kronen aufs Haupt. 10 Es kommt aber auch vor, dass die Priester das Gold und Silber von den Götzen stehlen und es für sich verwenden, ja sogar den Huren im Freudenhaus davon geben.
(Das kann einem Gott nicht passieren. Der hat keine Priester, die von irgend jemandem stehlen könnten.) 11 Und sie schmücken die silbernen, goldenen und hölzernen Götzen mit Kleidern, als wären's Menschen. 12 Die Götzen können sich aber nicht vor Rost und Motten schützen. 13 Und wenn man ihnen ein Purpurkleid anzieht, so muss man ihnen den Staub des Tempels vom Gesicht abwischen, der dick auf ihnen liegt. (Morgendliche Waschungen Shivas bis auf den heutigen Tag! Und außerdem: Der Mann hat ja so recht, wenn er glaubt, dass aus der Kritik am Idol das Ideal ins Relief springt.) 14 Und der Götze trägt ein Zepter in der Hand wie ein König und kann doch niemand bestrafen, der ihm ein Leid antut. 15 Er hat auch ein Schwert und eine Axt in der Hand; er kann sich aber des Kriegsvolks und der Räuber nicht erwehren. (Also lauft lieber dem nach, von dem ich euch erzähle, dass an ihm alle euch feindlichen Hutus und Tutsis zuschanden werden, so ihr nur zu ihm in der rechten Weise betet.) Daran sieht man deutlich, dass sie nicht Götter sind. Darum fürchtet sie nicht!
[...] 20 Die Götzen sind wie die Balken im Hause, deren Inneres, wie man sagt, herausgefressen wird; von den Würmern, die auf der Erde kriechen und sie und ihre Kleider fressen, fühlen sie nichts. 21 In ihrem Angesicht sind sie schwarz vom Rauch im Hause. 22 Und die Fledermäuse, Schwalben und andere Vögel setzen sich auf ihre Leiber und auf ihre Köpfe, ebenso auch die Katzen. 23 Daran könnt ihr merken, dass es nicht Götter sind. Darum fürchtet sie nicht!
(Wer euch in Klump und Asche hauen kann, wenn ihm danach ist, wird mählich klar.)
24 Das Gold, mit dem man sie behängt, um sie damit zu schmücken, glänzt nicht, wenn man den Rost nicht abwischt. Nicht einmal, als sie gegossen wurden, fühlten sie es. 25 Für teures Geld hat man sie gekauft, und es ist doch kein Leben in ihnen. 26 Weil sie nicht gehen können, muss man sie auf den Schultern tragen; daran können die Leute sehen, wie nichtig sie sind.(Und trotz dieses rhetorisch gewiegten Aufklärers gibt es die Semana Santa und die Fronleichnamsprozession und die Aussichtslosigkeit allen abgöttischen Fortschrittsglaubens.) 27 Es müssen sich auch die schämen, die ihnen dienen. Denn wenn die Götter zu Boden fallen, müssen sie von ihnen wieder aufgerichtet werden; wenn man sie aufrecht hinsetzt, können sie sich nicht von selbst bewegen; wenn sie sich zur Seite geneigt haben, können sie sich nicht aufrichten. Und wie Toten setzt man ihnen die Gaben vor. (Hö Hö!!!) 28 Was ihnen aber geopfert wird, das verkaufen und verbrauchen ihre Priester; ähnlich handeln auch ihre Frauen: Sie salzen davon ein und geben weder dem Armen noch dem Kranken etwas davon. (Geizkrägen, die!) 29 Unreine Frauen und Wöchnerinnen rühren ihre Opfer an. (Oh, o! das ist ja ganz schlimm verunkoschert! Und nix passiert.)
30 Denn woher sollen sie Götter genannt werden? Denn Frauen </i>(entsetzlich!!!) setzen den silbernen, goldenen und hölzernen Götzen Speisen vor. 31 Und die Priester sitzen in ihren Tempeln mit zerrissenen Gewändern, scheren den Bart ab und tragen Glatzen, sitzen da mit bloßen Köpfen, 32 heulen und schreien vor ihren Götzen, wie es bei einem Begräbnis Sitte ist. (Gut beobachtet! Man sieht die Murti-Puppen und ihre Verehrer geradezu vor sich!) 33 Die Priester stehlen ihnen die Kleider und kleiden ihre Frauen und Kinder damit. 34 Ob man ihnen Böses oder Gutes tut, sie können es doch nicht vergelten. (Nichts ist seit den Tagen der Tierheit so verächtlich wie die Machtlosigkeit.) Sie können einen König weder einsetzen noch absetzen. 35 Ebenso können sie weder Geld noch Gut geben. (Ganz im Gegensatz zu dem Herrn, der mir zu tausend Talern verhelfen wird.) Gelobt ihnen jemand etwas und hält es nicht, so werden sie es gewiss nicht einfordern. 36 Sie können einen Menschen vom Tod nicht erretten noch einen Schwächeren dem Starken entreißen;(Da lobe ich mir doch den Herrn, der an David schon erwiesen hat, dass er kein Märchen ist.) 37 sie können keinen Blinden sehend machen (wie der Erzengel Raphael den alten Tobias mit der wundertätigen Galle aus dem Fisch); sie können einem Menschen in der Not nicht helfen (wie Gott sehr wohl sogar dem Hiob); 38 sie erbarmen sich der Witwen nicht und tun den Waisen nichts Gutes. 39 Denn sie sind aus Holz, mit Gold und Silber überzogen, den Steinen gleich, die man aus dem Berg haut. Darum müssen, die ihnen dienen, zuschanden werden.[...]
Denn da sie aus Holz und mit Gold und Silber überzogen sind, wird man zuletzt erkennen, dass es Truggebilde sind; allen Heiden und
Königen wird offenbar werden, dass sie nicht Götter, sondern von Menschenhänden gemacht sind und dass keine Gotteskraft in ihnen ist. 52 Darum kann jeder deutlich merken, dass es nicht Götter sind.57 Die hölzernen, versilberten und vergoldeten Götzen können sich vor Dieben und Räubern nicht schützen. 58 Denn die sie in ihre Gewalt bekommen, die ziehen ihnen das Gold und Silber ab und das Gewand, mit dem sie bekleidet sind, und gehen damit fort; so können sie sich selber nicht helfen.(Alles muss man den Kindern mindestens 13 Mal sagen bevor es bei denen ein Mal ankommt.) 59 Darum ist's viel besser, ein König zu sein, der seine Macht beweisen kann, oder ein nützlicher Hausrat zu sein, den der Besitzer gebrauchen kann, oder eine Tür, die das Haus verwahrt, oder eine hölzerne Säule in einem königlichen Saal, als solche ohnmächtigen Götzen. (Die grimme Ironie dessen, der sich auskennt auf dieser Welt der Gebrauchenden und Gebrauchten!)[...]. 67 Sie können auch keine Zeichen am Himmel den Heiden geben; sie können es nicht hell machen wie die Sonne noch einen Schein geben wie der Mond. 68 Die unvernünftigen Tiere sind besser daran als sie; die können doch in eine Höhle fliehen und sich selber helfen. (Es sei denn, Gott möchte den Heiden und dem unvernünftigen Vieh mal wieder gehörig heimleuchten wie anlässlich Sodom und Gomorrah.
70 Denn wie eine Vogelscheuche, die im Garten nichts bewachen kann, so sind auch ihre hölzernen, vergoldeten und versilberten Götzen. 71 Und wie eine Hecke im Garten ist, auf die sich mancherlei Vögel setzen, oder wie ein Toter, der im Grabe liegt, so sind ihre hölzernen, vergoldeten und versilberten Götzen. [Dieses ent-ängstende Argument gebrauchten sehr viel später die Priestertrugslehren der Aufklärer mit dem selben Effekt auf jeden, der es nicht hören wollte.]
Denn nur Götter erwecken einen König über ein Land ( Von-Gottes-Gnadentum also schon hier), geben den Menschen Regen (Neulich in Kappadokien: das Dorf war menschenleer... alle zum Beten um Regen auf der Wallfahrtei)54 und schaffen ihnen ein Recht (genau! Eins! Jedes tut es für den, der im Heiligenschein der Gewalt seine Chance sehen muß) , und retten den, dem Unrecht geschieht (vor Schlimmerem)55 Wenn im Hause der hölzernen, vergoldeten und versilberten Götzen Feuer ausbricht, so laufen die Priester davon und retten sich; die Götzen aber verbrennen wie Balken. 56 Sie können weder Königen noch Feinden widerstehen. Wie soll man sie denn für Götter halten oder so nennen?

Tja, wie kann man nur? Mittlerweile ca. 2058 Jahre Idolkritik für die Katz´!

Mittwoch, 4. Juni 2008

Lukian

, die schwarze Seele
in der Charakterisierung von Papa Wieland:
Begabt mit einem geraden Sinn und aufrichtigen Hang zum Wahren in allen Dingen, ein geborener herzlicher Feind aller Affektation und falschen Anmaßung, alles Überspannten und Unnatürlichen, aller Übervorteilung der treuherzigen Einfalt, aller Obermacht, die ein schlauer Betrüger durch künstlich versteckte Anstalten oder ein schwärmender Selbstbetrogener durch blendende Naturgaben und das ansteckende Feuer seines Seelenfiebers über den blöden Haufen der Armen und Schwachen am Geiste zu erhalten weiß – machte er zum Geschäfte seines Lebens und zum Hauptzweck seiner Schriften,
alle Arten von Lügen, Blendwerken und Künsten des Betrugs – von den theologischen Lügen der Dichter bis zu den Märchen der Geisterseher und Zaubermeister seiner Zeit, und von den Schlichen und Hinterlisten der reizenden Schwestern einer Lais, Phryne und Glykera bis zu den unendlich mal wichtigeren Kniffen der religiösen Gaukler, Orakelschmiede und Theophanienspieler – hauptsächlich aber und mit der unerbittlichsten Strenge die falsche Weisheit und Gravität, die unwissende Vielwisserei, die gleißnerische Tugend, die niedrige Sinnesart und pöbelhaften Sitten der Handwerksphilosophen seiner Zeit zu entlarven, alle diese verschiedenen Gattungen der großen Betrügerzunft in ihrer wahren Gestalt und Blöße darzustellen und dadurch zu einem desto größeren Wohltäter seiner Zeit zu werden, je weniger auf ihren Dank, und je gewisser er hingegen auf Hass und Verfolgung von seiten einer vielköpfigen und tausendarmigen Partei rechnen konnte.

Denn selbst der Umstand, dass er seine sehr ernsthafte Absicht, um sie desto gewisser zu erreichen, so oft unter einem Schein von Frivolität verbergen musste und bloß zu belustigen schien, wo es ihm um Belehrung und Besserung seiner Leser zu tun war, muß in den Augen weiser und gerechter Leser sein Verdienst um soviel erhöhen als es eben dadurch in dem blöden Urteile des großen Haufens, der sich immer durch den Schein der Dinge täuschen lässt, herabgewürdigt wird.“

Schwarzes Zitat (um ca. 150 n. Chr.): „Das ist seltsam, dass Männer, die sich für Experten ausgeben, einander widersprechen und von einerlei Sache nicht einerlei Begriff haben."
Durchgestzt jedoch ist die weiße Weisheit, dass die Sache nicht etwa kompliziert, sondern „schwierig, kontrovers, komplex, und für die Fassungskraft der Nichteingeweihten einfach zu hoch“ sei.

Schwarzes Zitat: „Ein Affe bleibt ein Affe, auch wenn er goldene Ehrenzeichen trägt.“
Richtig.
Nur der weise Geweissenswurm kriegt hier immer noch ein Problem: “Sind wir nicht alle ein wenig bluna...?“

Samstag, 5. April 2008

Faszinierende Groteske der Schwarzen Romantik

Nachtwachen, Von Bonaventura.

Man kann die "Nachtwachen" von 1804 gar nicht hoch genug hängen!
Der satirisch und zu Pamphleten aufgelegte Nachtwächter Kreuzgang, der einsame Beobachter seiner kleinen Stadt, sinniert über sein Leben und beobachtet kommentierend jenes der wenigen ebenfalls schlaflosen Bürger, denen er anzusagen hat, was es geschlagen hat. Wer Lust hat, ihm zuzuhören, wird sich wundern.
Sympathie verbindet ihn nur mit Wenigen, z. B. dem Poeten, der sich schließlich mit dem Band, das sein abgelehntes Werk verschnürte, erhängen wird.
Die nächtlichen Ruhestunden sind angefüllt mit sehr negativ ausgehenden Gewissenskämpfen von Leuten, die sich wie Puppen auf dem Welttheater aufführen, mit Shakespeare'schem Witz, Verzweifelten und Verliebten...
Sein eigenes Leben betrachtend, zweifelt der Ich-Erzähler, "daß der Papst beim Beten andächtiger sein kann, als ich beim Blasphemieren"...
So wird Gott nicht etwa geleugnet, sondern schlicht in einer aufklärerischen Priestertrugstheorie entlarvt. Desillusionierung von Geheimnissen, die gar keine sind, macht sich respektlos breit.
Das Potpourrie schwarzseliger Ingredientien schließt mit den Sätzen:
Ich streue diese Handvoll väterlichen Staub in die Lüfte und es bleibt - Nichts! Drüben auf dem Grabe steht noch der Geisterseher und umarmt Nichts! Und der Widerhall im Gebeinhause ruft zum letzten Male - Nichts!’

Die Groteske erkennt darauf, dass die öffentlich propagierten Werte nicht und nirgends gelten. Sie ist die literarische Form des Nihilismus.
Man merkt, dass dieser Menschenhass als Motor sich einem invertierten klassischen Humanismus verdankt.
Wenn die Romantik sich selbst auf die Schliche kommt, und ihr Prinzip der abstrakten, ironischen Kritik am Unzulänglichen auf sich selbst anwendet, nachtet es seither in hübschen Persiflagen.

Bis hin zu Houellebecqs Elementarteilchen, von denen dieser Tage die Schreibe sein wird, damit keiner sage, ich zöge bei meinen Vorlieben nur die linkslastigen Kritikformen in Betracht.

Soviel schon mal vorweg. Mir ist ein intelligenter Rechter allemal lieber als ein dumpfer Fortschrittstrompeter.

Dienstag, 1. April 2008

Notwendigkeit des Hasses


Die schwarze Haut des Knechts in der weissen Maske des Arrivierenden: Frantz Fanons Manifest.

Die Beziehung zwischen dem Kolonialherrn und dem Kolonisierten ist eine Massenbeziehung. Der Zahl setzt der Kolonialherr seine Stärke entgegen. Der Kolonialherr ist ein Exibitionist. Sein Sicherheitsbedürfnis führt ihn dazu, den Kolonisierten mit lauter Stimme daran zu erinnern: "Der Herr hier bin ich." Der Kolonialherr hält beim Kolonisierten eine Wut aufrecht, die er am Ausbrechen hindert. Der Kolonisierte ist in die engen Maschen des Kolonialismus eingezwängt. Aber wir haben gesehen, dass der Kolonialherr nur eine Pseudo-Versteinerung erreicht. Die Muskelspannung des Kolonisierten befreit sich periodisch in blutigen Explosionen: Stammesfehden, Cof-Kämpfe, in denen sich ganze Gruppen von Einheimischen aufreiben, und Schlägereien zwischen einzelnen. Auf der individuellen Stufe findet man eine wahre Negation des gesunden Menschenverstandes. Während der Kolonialherr oder der Polizist den Kolonisierten den ganzen Tag lang ungestraft schlagen, beschimpfen, auf die Knie zwingen kann, wird derselbe Kolonisierte beim geringsten feindlichen oder aggressiven Blick eines anderen Kolonisierten sein Messer ziehen. Denn die letzte Zuflucht des Kolonisierten besteht darin, seine Würde gegenüber seinesgleichen zu verteidigen. In den Stammesfehden leben die alten, in das kollektive Gedächtnis eingegangenen Ressentiments wieder auf. Der Kolonisierte stürzt sich mit Haut und Haaren in derartige Racheakte und will sich dadurch einreden, dass der Kolonialismus nicht existiere, dass alles so geblieben sei wie früher, dass seine Geschichte einfach weitergehe. Wir haben es hier eindeutig mit einer kollektiven Form von Ersatzhandlungen zu tun.
(Frantz Fanon)

Die von den Kolonisierten bewohnte Zone ist der von den Kolonialherren bewohnten Zone nicht komplementär. Die beiden Zonen stehen im Gegensatz zueinander, aber nicht im Dienste einer höheren Einheit. Beherrscht von einer rein aristotelischen Logik, gehorchen sie dem Prinzip des gegenseitigen sich Ausschließens: es gibt keine mögliche Versöhnung, eines der beiden Glieder ist zuviel. Die Stadt des Kolonialherrn ist eine stabile Stadt, ganz aus Stein und Eisen. Es ist eine erleuchtete, asphaltierte Stadt, in der die Mülleimer immer von unbekannten, nie gesehenen, nicht einmal erträumten Resten überquellen. Die Füße des Kolonialherrn sind niemals sichtbar, außer vielleicht am Meer, aber man kommt niemals nah genug an sie heran. Von soliden Schuhen geschützte Füße, während die Straßen ihrer Städte sauber, glatt, ohne Löcher, ohne Steine sind. Die Stadt des Kolonialherrn ist eine gemästete, faule Stadt, ihr Bauch ist ständig voll von guten Dingen. Die Stadt des Kolonialherrn ist eine Stadt von Weißen, von Ausländern.
Die Stadt des Kolonisierten, oder zumindest die Eingeborenenstadt, das Negerdorf, die Medina, das Reservat, ist ein schlecht berufener Ort, von schlecht berufenen Menschen bevölkert. Man wird dort irgendwo, irgendwie geboren. Man stirbt dort irgendwie, an irgendwas. Es ist eine Welt ohne Zwischenräume, die Menschen sitzen hier einer auf dem anderen, die Hütten eine auf der andern. Die Stadt des Kolonisierten ist eine ausgehungerte Stadt, ausgehungert nach Brot, Fleisch, Schuhen, Kohle, Licht. Die Stadt des Kolonisierten ist eine niedergekauerte Stadt, eine Stadt auf Knien, eine hingelümmelte Stadt...
Frantz Fanon. Die Verdammten dieser Erde.
Frankfurt am Main, 1966, S. 32.

Nur in einem irrt Fanon: das steht im Dienst einer höheren Einheit. Und der Ausschluss ist einer der vom Herrn bedingten Zulassung.
Dass es das Verreckenmachen eines nicht funktional gehaltenen Teils eines ganzen Kontinents durchaus geben könnte, war in der Phase der Entkolonialisierung noch nicht Thema, weil nicht sichtbar.


Heute hat die Utopie eine ganz schlechte Presse.
Wen das in seinem Behagen stört, dem kann ich mit einem kulturell unanfechtbaren Diktum aus dem Munde Friedrichs II. von Hohenstaufen, dem seinerzeitigen "Wunder der Welt" auf die vor Autoritativem strauchelnden Beine helfen:
"Den lieb ich, der Unmögliches begehrt."
Solches hat ihm allerdings den ehrenden Übernamen und Bannspruch "Antichrist" eingebracht.
Oder war es vielleicht doch mal wieder Goethes ganz falsch strukturierter "Faust"?

Als ob man dem eigenen Vorlaufen in die Heilung je entkommen könnte, wenn man vom System des Vorlaufs von Konsum vor geldbringend verbrauchter Lebenszeit nichts hält, und auch nicht vor ihm hält!

Freitag, 14. März 2008

Schwarze Meisterwerke

Ein Prediger hat grundsätzlich zwei Methoden, der Gemeinde zu kommen.
Entweder er pinselt das gemeine Höhere mit allen Farben und attraktiven Reizen der Rhetorik aus, oder er malt den Teufel in den rußigsten Tinten und Tuschen an die Wand.
Nicht anders verfahren die verpönten Gattungen der ideellen Unruhestiftung von Satire über Groteske bis zum Totalaufwasch der Auflehnung gegen Unbekannt.
Das hat eine subjektive Seite:
„Ich mag die Ideen, die von der Zerstörung der herrschenden Gesetze berichten. Ich bin an allem interessiert, was sich um Aufruhr, Unruhe, Chaos und spezielle, scheinbar unsinnige Aktivitäten dreht. Für mich scheint das ein Weg zur Freiheit zu sein; eine äußere Revolte ist ein Weg zu innerem Frieden.“ JIM MORRISON
Das unterschreibe ich ohne Abstriche.

Die objektive Seite daran: Gegenüber der u. a. von Klaus Vondung ("Die Apokalypse in Deutschland") ins Spiel gebrachten Krisenhypothese, die den Pessimismus als Reaktion auf historische oder andere Defizienzerfahrungen erklärt, im selben Atemzug aber seine ästhetischen und rhetorischen Elemente vernachlässigt, hält meine Charakterisierung der dunklen Brüder argumentativ durch, dass Pessimismus und literarische Destruktionslust spätestens seit Schopenhauer eine Form der Inszenierung von Kritik und Kritiker ist, zu der die Ästhetisierung des Leidens, die Verwandlung von Grauen in Genuss und die Selbststilisierung des Kritikers gehören.

Hier wird eben nicht Wirklichkeit nachgeahmt, sondern das freie Konstrukt des wetternden Pfaffen sozusagen als Blaupause für eine weitere autonome Gedankenfigur benutzt.
Wer Literatur anders verwendet, tut das aus fragwürdigen Beweggründen für noch fragwürdigere Zwecke. Das kann ich zwar verstehen, habe aber keinerlei Verständnis dafür. Denn Literatur ist kein - wenn und wie auch - dürftiger Lebensersatz.

Ein ganz anderes ist es mit dem Aphorismus, den Formen des Gedankens in der Polemik, und den Figuren des Pamphlets.

Im Aphorismus ertappt sich der Leser auf seinem eigenen Menschen- und Weltbild, und fühlt sich in dessen trügerischer Gesichertheit und dessen ungestörtem Besitz verstört. Das macht ihn verdrießlich, und die Form des Witzes entschädigt nur unzulänglich für das fatale Erlebnis.

Am schlimmsten ergeht es dem Rezipienten bei den „Definitionen“, einer Form, die sich parodistisch der lexikalischen Ernsthaftigkeit bedient, um sie aus den Latschen kippen zu machen.
Die hier anstehende Gedankenarbeit des Lesers beruhigt sich zumeist vorschnell in Sortierungsbemühungen, landet also beim - sich seiner Gültigkeit rückversichernden - Terminus (geistiger Endpunkt einer „Erfassung“, die sehr nach polizeilicher Dingfestmachung aussieht).
Aber den Versuch einer Attacke war es dem Autor wert.

Ich habe gesprochen und meine Seele in beiden relevanten Hinsichten gerettet.

Montag, 10. März 2008

Poètes maudits

Die Gesänge des Maldoror
Von Isidor Ducasse, Comte de Lautréamont

Die verfemten Dichter verschwenden sich an die Metaphysische Revolte eines von ihnen autorisierten Ich, das erst als ein Anderer authentisch zu werden verspricht.


Hauptthema der Chants de Maldoror ist der pathetisch-erhabene Aufruhr eines gefallenen Engels dieses Namens gegen die Menschheit und deren grausamen Schöpfer.

Das lyrische Ich hat das Gelübde abgelegt, »mit der Krankheit und der Herumhängerei zu leben bis ich den Schöpfer überwunden habe...« Das Böse tun, um das Böse zu vernichten, das ist der basso ostinato von Lautréamonts genial schwarzer Romantik.
In einer ungeheuerlichen Phantasmagorie von Metamorphosen, in der das Lebendige tot, das Anorganische lebendig wird, verwandelt sich Maldoror in einen Polypen, der zum Angriff auf Gott ansetzt: » ...angreifen, mit allen Mitteln, den Menschen, dieses wilde Tier, und den Schöpfer...“

Leicht einzusehen, weshalb Albert Camus Lautréamont, zusammen mit Sade, Nietzsche, aber auch mit Rimbaud und den Surrealisten unter die Söhne Kains, unter die Vertreter der »metaphysischen Revolte« einreihte, und die Chants de Maldoror als ein Werk der Rache an Gott, der für alles Böse verantwortlich ist, interpretiert, als Revolte gegen eine absurde Schöpfung, gegen die Herrschaft des Bösen, die Gott zum Schuldigen stempelt, wenn er allmächtig ist, und die ihn als Allmächtigen negiert, wenn er das Böse wider Willen zulassen musste.

1) Neugierig tritt Maldoror in ein Bordell, Symbol der Moderne. Er findet dort ein redebegabtes Haar, das in verzweifeltem Monolog nach seinem Herrn ruft, der es hier verlor, und nach den Gründen fragt, weshalb dieser Herr überhaupt hierher kam und sich mit einer Dirne beschmutzte. Der lange Monolog, der nicht nur von der Begegnung mit einer Dirne, sondern auch von einem Knabenmord spricht, wird immer wieder leitmotivisch durch die indirekte Frage des zuhörenden Maldoror unterbrochen: »Und ich fragte mich, wer wohl sein Herr sein mochte!« Er erhält die Antwort auf die Frage, als der Herr zurückkommt, um das verlorene Haar wieder an sich zu nehmen. Es ist Gott, »der Allmächtige«, »der Schöpfer«, voller Scham über die eigene Tat und mit den Vorwürfen Satans beladen. Reumütig hält er Gericht über sich selbst und anerkennt das Recht des Menschen auf Revolte gegen seinen Schöpfer:
"Wie sollen die Menschen so strengen Gesetzen gehorchen, wenn der Gesetzgeber selber und als erster, es ablehnt, sich ihnen zu fügen?“ ... Und meine Schande ist unendlich wie die Ewigkeit!Der seiner Schuld einsichtig gewordene Gott setzt sich selbst auf die Anklagebank noch am anrüchigen Ort seines Vergehens! Das ist starker, eindeutig blasphemischer Tobak, und die hier nur angedeutete Weise der Schilderung und Inszenierung ist es noch mehr.

2) Es ist Mitternacht. Von der Bastille zur Madeleine fährt ein vollbesetzter Pferdeomnibus. Es ist, als ob nicht der Arm des Kutschers die Peitsche, sondern die Peitsche den Arm bewegte. Die Fahrgäste wirken wie Leichen in dem Omnibus, der den Raum verschlingt:

Er flüchtet!...Aber eine unförmige Masse folgt erbittert seinen Spuren mitten im Staub. »Haltet! Ich flehe euch an; haltet….meine Beine sind geschwollen, weil ich den ganzen Tag gelaufen bin….ich habe seit gestern nichts gegessen….meine Eltern haben mich verlassen …ich weiß nicht mehr , was tun…ich möchte nach Hause zurück und wäre dort schnell angelangt, wenn ihr mir einen Platz gäbet.. ich bin ein kleines Kind, acht Jahre alt und ich vertraue euch...» Er flüchtet!….Er flüchtet! ...Aber eine unförmige Masse folgt erbittert seinen Spuren mitten im Staub.

Nur ein junger Mann zeigt Mitleid, aber die Blicke der empörten Mitfahrer gebieten ihm Ruhe, »und er weiß, dass er gegen alle nichts tun kann.« Eine Träne der Hilflosigkeit rollt über sein Gesicht, und er fühlt, dass er nicht heraustreten kann aus der Zeit, in die er »geworfen« wurde: „Er gibt sich große Mühe, mit dem Jahrhundert fertig zu werden, in das er geworfen worden ist, und doch kann er es nicht verlassen. Furchtbares Gefängnis! Grausige Fatalität!
Der Omnibus, das Symbol der Geworfenheit flieht weiter. Ein Lumpensammler nimmt sich des verlassenen Kindes an. Sein bohrender Blick verfolgt drohend den Omnibus. Seine Drohung geht auf in der Drohung des Dichters:

Stupide, idiotische Rasse! Du wirst es bereuen, dich derartig aufzuführen. Das kann ich dir sagen. Das wirst du bereuen, jawohl, das wirst du bereuen. Meine Poesie wird nur darin bestehen, den Menschen, dieses wilde Vieh, mit allen Mitteln anzugreifen und mit ihm den Schöpfer, der ein solches Ungeziefer nie hätte schaffen dürfen. [Abschnitt aus dem zweiten Gesang]

Ein sehr modernes Symbol, dieser Omnibus. Dass er noch von Pferden gezogen wird, nimmt ihm nichts von seiner Evokationskraft. Es fasst hier die grausame Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden des Hilflosen zusammen, eben die geregelte Humanität der modernen Gesellschaft, der das Elend am Wege nicht so wichtig sein darf wie der Verkehrsfluss, der darüber hinweg geht. Der versuchsweise Mensch, das ist der Lumpensammler, der verachtete Strandgutsammler dieser Gesellschaft. In seinem Bild wandelt sich der rebellische Impuls unversehens in sozialrevolutionäres Potential.
Meine Jahre sind nicht zahlreich, und doch fühle ich schon, dass die Güte nichts ist als eine Ansammlung tönender Silben; ich habe sie nirgends gefunden.

Klar, dass angesichts solcher wirrer Attacken, die völlig ohne jeden erkennbaren Anlass ...(Vertauschung toter Dinge mit Lebendem!.... und umgekehrt ...!) einen ressentimentgeladenen Hass auf die gängigen Nichtigkeiten des bürgerlichen Heldenlebens austoben, ein Teil der bürgerlichen Wissenschaft auf die Diagnose Verrücktheit erkennen muss. Dieser - wie der andere Irre aus Deutschland ebenfalls mit 24 Jahren - Verstorbene...ach ja, Büchner...Büchner hieß der, kann nur professioneller Hilfe bedürftig gewesen sein.

Bei seinem mysteriösen Tod war so unbekannt, dass niemand ihn vermisste.

So könnte es sein:
Laut Walter Muschgs bejahrter "Tragischer Literaturgeschichte" (1957) existiert zwischen dem Erlebnis von Ohnmacht und existenzieller Enttäuschung eine innige Verbindung. "Der tragische Dichter", schreibt Muschg, "stellt sich dem tiefsten Schmerz, der alle optimistischen Erklärungen des Daseins entwertet. Er erkennt Dissonanzen und Disharmonien, die nur auf Kosten des Menschen gelöst werden können, und entschleiert die Wahrheit, deren Anblick niemand aushält. [...] Aber dieser Schmerz entbindet zugleich Kräfte, die sonst nirgends frei werden. Er stellt sich als letzter Wert heraus, der in sich eine Antwort ist. Darin liegt das Geheimnis der tragischen Kunst."
Der Begriff all dessen wäre dann die Kunstübung des enttäuschten Idealismus.

Hier eine weitere weitere Kostprobe:
Da ich nicht fand, was ich suchte, hob ich das verstörte Auge höher, noch höher, bis ich einen Thron sah, aus menschlichen Exkrementen und Gold gebildet, auf dem mit idiotischem Stolz, den Leib mit einem Leichentuch aus ungewaschenen Krankenhauslaken bedeckt, jener thronte, der sich selbst den Schöpfer nennt! Er hielt in der Hand den verfaulten Rumpf eines toten Menschen und führte ihn abwechselnd von den Augen zur Nase und von der Nase zum Mund; einmal am Mund, man errät, was er damit tat. Seine Füße steckten in einem endlosen Teich von kochendem Blut, durch dessen Oberfläche sich plötzlich, wie Bandwürmer durch den Inhalt eines Nachttopfes, zwei oder drei vorsichtige Köpfe schoben, um sofort pfeilschnell wieder unterzutauchten: ein Fußtritt, gut auf das Nasenbein gezielt, war die bekannte Belohnung für die Revolte gegen die Ordnung, durch das Bedürfnis hervorgerufen, eine andere Atmosphäre zu atmen; denn schließlich waren diese Menschen keine Fische! Bestenfalls Amphibien, schwammen sie zwischen zwei Wassern in dieser ekelhaften Flüssigkeit! … bis dann der Schöpfer, da er nichts mehr in Hand hatte, mit den beiden vordersten Krallen des Fußes einen anderen Taucher beim Hals ergriff, wie mit einer Zange, und ihn in die Luft hob, heraus aus dem rötlichen Schlick, der köstlichen Soße! Mit diesem verfuhr er genauso wie mit dem anderen. Erst verschlang er seinen Kopf, die Beine und die Arme, und zuletzt den Rumpf, bis nichts mehr übrig blieb, denn er knabberte die Knochen. Und immer so fort, die übrigen Stunden seiner Ewigkeit hindurch. Zuweilen rief er: »Ich habe euch geschaffen; also habe ich das Recht, mit euch zu machen, was ich will. Ihr habt mir nichts getan, ich behaupte nicht das Gegenteil. Ich lasse euch leiden, und zwar zu meinem Vergnügen.«

Bei Interesse: die Übersetzung der sechs Gesänge steht im Netz unter

http://www.uni-greifswald.de/~dt_phil/studenten/falmer/chants_f.html

Sonntag, 9. März 2008

Kein Wort zum Sonntag

Louis Ferdinand Célines „Reise an das Ende der Nacht“ Literatur als Inszenierung eines anderen Selbst
Meine Liste der schwarzen Meisterwerke wird durch ein Band der aufgekündigten Einverständniserklärungen zusammengehalten.
Da ist naturgemäß recht Unterschiedliches versammelt, weil das bloße Nein eine schlechte Unendlichkeit des Unbestimmbaren in sich trägt.
Normalerweise ist es die Vernunft, die den Zumutungen, denen sie sich ausgesetzt sieht, kündigt. Sezession vom nicht konvenierenden Convenue gibt es aber auch, wenn die Wahrheiten des Körpers als Auskünfte über die Wirklichkeit ernst genommen werden.
Der Körper als Seismograph: Dann ist der Ekel das physische Äquivalent zum dissentierenden Gedanken: "Der Geist gibt sich mit Phrasen zufrieden, aber der Körper ist anspruchsvoller und verlangt nach Muskeln. Der Körper ist etwas Reales, und deshalb ist er auch meist widerwärtig anzusehen.Der widerwärtige Kotzbrocken Céline war ein Meister dieser anarchischen Wahrnehmung und ihrer Unbelehrbarkeit, die aufs Hier und Jetzt pocht.
Nur ein Hundsfott denkt an die Zukunft, die Gegenwart allein ist wichtig. Sich mit der Nachwelt auseinandersetzen, ist nichts weiter, als den Würmern eine Rede halten."
Sein Anti-Held Bardamu ist ein picaro, ein nicht gerade sympathischer Schelm, der seine "Abenteuer" auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, im glorreichen Arsch des französischen Kolonialismus, in Amerikas zerrüttenden Arsenalen des Fordismus oder als Pariser Armenarzt mehr durch Zufall und weniger durch die genreübliche Listigkeit des tapferen Schneiderleins übersteht: "Ich für meinen Teil war nicht allzu klug, aber genügend mit der Wirklichkeit vertraut, um ein für allemal ein Feigling zu bleiben."

Schließlich treibt es ihn durch die Schlachthäuser des 20. Jahrhunderts und nicht durch die frühkapitalistische Verstädterung Europas, und da bleiben Desillusionierungen nicht aus:

Er, unser Oberst, wusste womöglich, warum diese Leute schossen, und die Deutschen wussten es vielleicht ja auch, aber ich, nein wirklich, ich wusste es nicht. So tief ich auch in meinem Gedächtnis grub, ich hatte den Deutschen nie was getan....
Die Reichen brauchen nicht selber töten, um was zum Fressen zu haben. Sie lassen die Leute für sich arbeiten, wie sie sagen. Sie tun selber nichts Böses, die Reichen. Sie zahlen. Man tut alles, ihnen zu Gefallen, und alle sind hochzufrieden. [...] Weiter ist das Leben seit Anbeginn nicht gekommen....</i>"... und immer wieder Geschäfte und Geschäftssinn, dieser Krebsfraß der Welt von heute, der in den Eiterbeulen verheißungsvoller Reklamen ausbricht."
"Die Poesie des Heldentums ergreift besonders unwiderstehlich all diejenigen, die nicht in den Krieg ziehen, und am stärksten jene, die sich gerade enorm am Krieg bereichern."


Wie man sieht: diese durchaus zutreffenden, aber finsteren Fiesigkeiten eines nihilistischen Miesepeters und Defaitisten gehören in den Giftschrank, in dem ich meine Lieblingssätze aufbewahre, damit nicht irgendein reaktionärer Kritiker der Kunstform des Ressentiments uns übers ungewaschene Maul fährt.

Man bringt die ganze Zeit auf dieser Welt mit Lieben oder Morden zu und mit beidem auf einmal. Man verteidigt sich, man unterhält sich, man gibt sein ganzes Leben an den Zweifüßler des folgenden Jahrhunderts weiter mit Inbrunst, um jeden Preis, als ob es so besonders angenehm wäre, sich fortzusetzen, als würde uns das schließlich unsterblich machen...Man muss sich auf jede Art betäuben, die nur möglich ist, mit billigem Wein, mit Masturbation, mit Kino. Man darf nicht wählerisch sein....

Denn die Wahrheit dieser Welt ist der Tod. Die Reise ans Ende der Nacht führt unweigerlich ins Verrecken. Deines. Meines:
Nur Mut, Ferdinand‘, redete ich mir selber gut zu, um mich zu stützen,wenn du immer so vor die Tür gesetzt wirst, findest du sicher irgendwann heraus, was es ist, wovor sie alle so Angst haben, diese Mistkerle, denn das sind sie, vor dieser Sache, die am Ende der Nacht zu finden sein muss.‘

Verzweiflung, Ekel, Hass sind der Motor, furiose Suaden des Zorns und des Zynismus die Transmissionsriemen einer auf der Stelle tretenden Abrechnung mit den niederträchtigen Miesigkeiten einer Welt, die den Untergebutterten immer die selbe Rechnung der Lebensbedingungen aufmacht, und von deren destruktiven Schmutzigkeiten und aggressivem Pissegestank ihrer Überlebenstechniken kein klassenkämpferisches Heil zu singen ist:
Töten und sich töten, das wollten sie, nicht auf einen Schlag freilich, sondern nach und nach, mit allem, was ihnen einfiel, altem Kummer, neuem Elend, mit Hass, der noch gar keinen Namen hatte, wenn nicht sowieso richtiger Krieg herrschte

Was mir an diesem radikalsten Rundumschlag der nicht gerade seltenen Kultur- und Zivilisationskritiken des 20. Jahrhunderts gefällt?
Natürlich die schwarze Mystik und ihr makabrer Lyrismus, der erstmals wieder seit Lautréamont den Himmel aus Pfützen säuft, und der bei den Epigonen von Henry Miller bis Charles Bukowski themen- und stilbildend wurde. Beim Vergleich mit dem Original fällt allerdings auf, dass diese abweichlerischen „Größen“ der amerikanischen Literatur geradezu biedere, lesebuchreife Selbstverwirklicher sind.

Seine schockierend desillusionierte Verachtung von Menschenmassen, die sich als Futter eines Unbegreiflichen aufführen: Die Reichen brauchen nicht selber zu töten, um was zum Fressen zu haben. Sie lassen die Leute für sich arbeiten, wie sie sagen. Sie tun selber nichts Böses, die Reichen. Sie zahlen. [...] Und wir anderen können uns bemühen, wie wir wollen, wir rutschen weg, gleiten ab, verfallen dem Alkohol, der die Lebenden und die Toten konserviert, wir erreichen nichts. Gründlich bewiesen ist das. [...] Dabei hätten wir begreifen müssen, was da lief. Unerschöpfliche Wellen nutzloser Geschöpfe kommen aus der Tiefe der Zeit heran und sterben unablässig vor unseren Augen, aber wir stehen da und hoffen auf wer weiß was ... Wir taugen nicht mal dafür, an den Tod zu denken.

Sätze, die sich nicht einer dämlichen Funktionalisierung der Armut für den Klassenkampf oder sonst ein menschenfreundliches Projekt beugen:
Außerdem, denken wir mal nach, wie viele Leute einem im normalen Leben im Lauf eines normalen Tages den elenden Tod an den Hals wünschen, zum Beispiel alle, denen man im Weg ist, die sich in der Metro hinter einem in der Schlange drängeln, dazu all jene, die vor unserer Wohnung vorbeigehen und selber keine haben, alle, die möchten, dass man schneller pinkelt, damit sies auch tun können, kurz, unsere Kinder und viele andere dazu.

Die Sicht auf den geschundenen Körper durchschlägt alle akademischen Vermittlungen der "Humankapitalisten" als lächerliche Einbildung des Personkonzepts.
Vielleicht sollte man daran erinnern, dass Zynismus nicht einfach die aggressive Negation von zeitläufigen oder überzeitig gedachten Wertschätzungen ist. Ehemals waren die Kyniker Leute, deren Bezeichnung sich vom Hund herleitete. Und dessen tiefergelegte Perspektive sieht es nun mal anders:
Die Eingeborenen muss man meist erst mit Knüppeln zur Arbeit treiben, so viel Würde haben sie sich bewahrt, während die Weißen, die die öffentlichen Bildungsinstitute durchlaufen haben, ganz von selber funktionieren."
Und:
Philosophieren ist auch nur eine andere Art, Angst zu haben, und führt zu nichts als zu feigen Trugbildern."

Was steht in Aussicht?
Einigermaßen frei zu krepieren: wenigstens das bleibt die Aufgabe des Menschen! Alle Täuschung ausgespuckt haben ...(Brief an eine Freundin)

Bleibt der genierliche Umstand, dass Céline in den späten Dreißigern zu einem unerträglich geifernden, widerlichen Faschisten mutierte, und es einen allgemeinen Zusammenhang zwischen dissoluten Hetz- und Hasstiraden und einer Heilssehnsucht im organisierten Rassismus gegeben haben mag, der für Célines geradezu pathologischen Fall nun mal nicht zu leugnen ist:
Die Wucht des ungezielten Ressentiments trägt das Opfer des Bauchgefühls auch schon mal in die Unwucht, auf der richtigen Seite, nämlich der des Siegers, stehen zu wollen. Die Identifikation mit dem Aggressor ist nicht bloß ein psychoanalytischer Terminus: die gibt es wirklich. Und hat schon manchem Menschenfreund ein Unbehagen an und in der von ihm ansonsten hochgeschätzten Kultur beschert.
Die beiden frühen Romane („Reise ans Ende der Nacht“ und, „Tod auf Kredit“) wissen von diesem lebensgeschichtlich erschreckenden Zusammenhang noch nichts: der Unwert des agetanen Lebens führt hier zum Wert einer monströsen. anti-klassischen Welt-Literatur.

Montag, 3. März 2008

Ein Gefangener, lebenslänglich,

Hermann Melvilles „Israel Potter“, hält es für seine traurige Pflicht, sich ergebnislos zu prügeln: Ohne Fleiß kein Preis.
Dieser aus Elementen einer tatsächlichen Lebensgeschichte und denen eines Abenteuerromans verfertigte Text ist eine symbolistische, zwischen Ironie und blutigem Ernst changierende Exerzitie über einen Hiob des Patriotismus, m. a. W. über einen stoischen Dummkopf, der sich seinen „amerikanischen Traum“ nicht ausreden lässt.
Erstaunlich in seiner Unerfreulichkeit ist das dennoch: Literatur als Muster von Realitätsverarbeitung. Darin wird die Frage nach dem metaphysischen Ort der amerikanischen Revolution zu beantworten versucht. Das Ergebnis ist ein mindestens zwieschlächtiges, wie immer bei Melville.
Der Versuch, den „Geist des Westens“ zu charakterisieren, gipfelt einerseits in einer trostlosen Predigt über Benjamin Franklins „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“:
„... wer im großen Erfolg haben will, darf nicht auf glatte See warten, die es nicht gegeben hat und nicht geben wird, sondern er muss mit der zufälligen Methode, über die er nun einmal verfügt, und mit aller Verblendung auf sein Ziel zustürzen und das übrige dem Glück überlassen; denn alle menschlichen Verhältnisse sind von Natur aus unübersichtlich, da sie in einer Art halbbeherrschtem Chaos entspringen und von ihm unterhalten werden."
In diesem Schlüsselsatz geht Melville Klartext redend, nicht gestaltend, unter sein sonstiges literarisches Niveau. Theoretisch hat er aber immerhin den Dezisionismus als Verhaltensmaxime angemaßter Souveränität entdeckt.
Von größerer Tragweite ist das Andererseits seiner Fortschrittskritik:
Im Angesicht dieser Schlacht kann man sich fragen: Was unterscheidet den gebildeten Menschen vom Wilden? Ist die Zivilisation etwas Besonderes, oder ist sie eine fortgeschrittene Stufe der Barbarei?“
Dieser Ent-Heilung des Staats als der neuerdings so genannten „Rahmenbedingungen“ korrespondiert der in der Fremde wie ein ewiger Jude umherschweifende Israel Potter. Er wird scheitern gemacht an der Melvillschen Heiligung der Entfremdung: Israel Potters Exil im frühkapitalistischen London sieht sich in die postfigurale Bildlichkeit der Israeliten in Ägypten versetzt.
"Der Garten Eden war nur eine Ziegelei. Was ist ein Sterblicher mehr als ein paar Schaufeln unglücklichen Lehms, in eine Form gepresst, auf einem Brett zum Trocknen ausgebreitet und bald von der Sonne zu seinen wunderlichen Grillen erweckt? Ist der Mensch nicht in die Gemeinschaft eingemauert wie ein Ziegelstein in die Wand? Man denke an die große Chinesische Mauer, an die ungeheure Bevölkerung von Peking. Wie der Mensch die Backsteine, so behandelt ihn Gott und schichtet ihn milliardenweise zu Bauwerken nach seinem Plan."
"Es waren stoische Kräfte, die ihn auf einen nahen Tag vorbereiteten, an dem er in die tiefste Not geraten sollte, die es hier gab. Krankheit, Entbehrung und alle scharfen Qualen der Verbannung bestimmten ihm ein Schicksal, das sogar inmitten der unglücklichen Menschheit unvergleichlich war, ein Schicksal, dessen größte Not das Ausbleiben jeder Hilfe und die unendliche Verlassenheit waren. London, das Unglück und das Meer – das waren die drei Dämonen der Apokalypse, die ihr Opfer zugleich erschlagen und verstecken."

Israel kehrt nach fünfzig Jahren Exil endlich doch noch zurück ins gelobte Land Amerika, für das er seit Bunker Hill 1775 unter anderem als Kriegsheld, Spion, Agent usw. den Körper hingehalten hat, und sieht sein Vaterhaus abgebrannt.
Wenn einer unbedingt will, kann er nach Hause zurückkehren.
Aber alle Heimkunft stochert in der Asche des Gewesenen.

Es bleibt wenig zu sagen.
Seine Gesuche um ein Ruhegehalt scheiterten an gewissen gesetzlichen Umständen. Seine Narben blieben seine einzigen Orden.“

Montag, 11. Februar 2008

Schwarze Uniformen


und Soutanen: Thomas Bernhards: Die Ursache. Eine Andeutung. Oder: die Liebe kann sich irren, der Hass nie.

Historie, in Erzählseln weitergegeben, kann, so Thomas Bernhard in seiner autobiographischen Schrift, immer nur verfälschte Historie sein.
Ein bekanntes Problem aller non-fiktionalen Literatur: "Wie man es erzählen kann, so ist es nicht gewesen" (Christa Wolf).
Und so hat auch der Leser der Ursache nichts anderes zu erwarten als Andeutungen über eine zwar gefälschte Historie, aber über eine erlebte, erlittene Geschichte: Bernhards Aufwachsen im
1) nationalsozialistischen Salzburg, das er als "architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholische[n]Todesboden" bezeichnet.
2) unterm ideologischen Drill: Mal angenommen, nur so zum Spaß, es hätte einen Grünkranz, einen Muster-SA-Offizier - sozusagen als Einsprengsel eines Zeitdokuments - tatsächlich gegeben. Warum hätte der Ich-Erzähler ihm wie den meisten, ihm gleichenden Personen, nicht feindlich gegenüberstehen sollen? Was ist so reizvoll an Eltern, die sich nicht um einen kümmern? Ein Sensibelchen, das doch tatsächlich glaubt, man habe einen Anspruch auf irgendwas? Vorsicht! Der ideologisch angeleitete Hass, der sich hier voller Verachtung auf die Seite der Verfolger stellt, ist der Revers des Bernhardschen lebensgeschichtlich akkumulierten Hasses. Und das ist irgendwo erkenntnisträchtig in beiden Richtungen...
3) und unter als ungerecht empfundenen Demütigungen im Internat: Grünkranz ohrfeigt den Internierten mehrmals grundlos , was den jugendlichen Schüler irritiert und verletzt. Diese Erlebnisse schüren Ängste in ihm und bringen ihn auf Suizidgedanken. Selbst als der Schüler die Laufdisziplin beim Sportfest gewinnt ist dies "dem Grünkranz eher ein Dorn im Auge" Vielleicht hat ja noch der verkorksteste anti-autoritäre Affekt doch ein fundamentum in re.
4) Salzburg als einer "totalen Vernichtungsmaschine", die Menschen nicht bloß so ein bissl im Wohlbefinden stört, sondern verstört und schließlich zerstört
Eine Serie von Verletzungen also, die auch in ihrer ästhetischen Dämonisierung noch die Genese eines zur Lebensaufgabe avancierten Hasses nachvollziehbar machen. Dieser Hass will vernichten und gerade seine Form des ohnmächtigen Schäumens ist die ästhetische Wahrheit über eine Empörung, der weder Hinterhältigkeit noch Tücke irgendetwas nützt. Was an dem Bernhard-Sound in den fiktionalen Texten so stört, nämlich der litaneienhafte methodisch zelebrierte Hochmut, hier ist er das stilistisch gerechtfertigte Vorzeigen schwärender Wunden.
Seinen Vater hat der Selbsterlebensgeschichtenerzähler nicht ein einziges Mal gesehen. Nur seine Großeltern, den „Elternersatz“, kritisiert er nicht. Weitere positive Bezugspersonen: ein körperlich behinderter Freund im Internat, der auch zu den ,,Schwächeren" gehört, und ein Geografieprofessor, der andauernd wegen seiner Hässlichkeit verspottet und gequält wird.
Merke: es gibt offenbar einen Mechanismus der Option, über den man sich als gestandener Rechter, nach dem dort empfohlenen Bewältigungsmuster lustig machen soll, oder auf den man als Linker rein fallen kann. Das ist als vorläufiges Zwischenergebnis so unverächtlich nicht. Normalerweise sind Autobiographien, die den Horizont der augenblicklich geltenden Moral an der eigenen erfolgreichen Person bebildern, nicht ganz so denkanstoßgebend zynisch.
Als gebildeter Universalist sage ich natürlich großzügig, wenn es überall kneift: „Ach, es hat ja doch überall etwas...“ Bin mir aber nicht ganz so sicher, dass das nicht die übliche Rede eines bereits Zerstörten ist.
Anti- Heimat-Literatur:
Heimat ist eine Ursache, die an einem wie Bärendreck klebt, man kriegt sie auch nach 20 Jahren in der Fremde nicht vom Herzen weg.
Nach dem Bombenkrieg, den Verbrechen, den Zerstörungen, den Toten, die es nie gegeben hat, werden die Vorbilder einfach ausgetauscht: Jesus ersetzt den Hitlerkult, "Großer Gott, wir loben Dich." "Es zittern die morschen Knochen": die Heilige Kommunion und die Predigt wanzen sich ersatzweise für das gemeinschaftliche Anhören der Nachrichten aus dem Führerhauptquartier an. Ein neuer Anstrich für das alte Miserere.

Die Geburt- eine Ursache: “Es gibt überhaupt keine Eltern, es gibt nur Verbrecher als Erzeuger von neuen Menschen.“
Skandalös,... schwer übertrieben,... muß man sich nicht antun, ....das schimpft, grantelt und nörgelt ein seinsvergessenes Privatissimum über eine versaute Kindheit in die Gegend.
Vorsicht! Gegend pflegt bei Sprechern dieser Observanz normalerweise Gelände zu heißen.
Die polarisierende Rede ist immer ein Indikator für den Mechanismus der Option.
Ich hätte gern einmal den unzensierten Originaltext gelesen. Aber auch so ist das Pamphlet eine meisterhafte Polemik. Oder ist Salzburg etwa nicht ein „totes und verlogenes Schönheitsmuseum“, das alljährlich anlässlich der Festspiele „Universalität heuchelt“?

Samstag, 9. Februar 2008

Klarsicht


ist das einzige Laster, das frei macht – frei in einer Wüste.
E. M. Ciorans "Vom Nachteil, geboren zu sein." oder: Digitalis, delikat dosiert, ist ein Stärkungsmittel

Man sollte diese und seine anderen Aphorismensammlungen nicht vor dem Einschlafen zu sich nehmen:
Der Aphorismus? Ein Feuer ohne Flamme. Man versteht, dass niemand sich daran wärmen möchte.“
Dieses Scheitern ist gerade das Ehrenvolle aller Literatur, ganz gleich was sich das sozialpädagogische Engagement über die Fleischwerdung des Worts in die Tasche lügt. Harriet Beecher-Stowes „Onkel Toms Hütte“ hat jedenfalls nicht den Sezessionskrieg angezettelt, und Aubers „Stumme von Portici“ nicht das Opernpublikum zur belgischen Revolution aufgestachelt.

Sobald man beginnt, zu wollen, fällt man unter die Gerichtsbarkeit des Dämons.“
Ja, nie wurde Wahreres vom Standpunkt der Hesychia so einfach formuliert. Aber ich verstehe mich mit meinem Dämon. Wir haben einen deal laufen. Sollte er vertragsbrüchig werden, zeige ich ihn an.

Ich habe jenen Freund nie verstehen können, der, als er aus Lappland zurückkehrte, mir von jener Bedrücktheit sprach, die man empfinde, wenn man Tage und Tage hindurch nicht der geringsten Spur von Menschen begegne.“
Hätte nicht gedacht, dass das Feuer der flammenlosen Einsamkeit auf dem Papier so wärmend sein kann.

Massakrierte Bäume. Häuser erheben sich. Schnauzen, Fratzen überall. Der Mensch wuchert. Der Mensch ist der Krebs der Erde.“
Ja, wir Manichäer, Bogomilen und Zoroasterkundigen verstehen uns! Komisch, dass mich das nicht hindert, dem Demiurgen jedes Mal in die Schnauze zu spucken, sobald er das Maul aufmacht.

Wer zur Geilheit neigt, ist mitleidig und voller Erbarmen; die zur Reinheit neigen, sind es nicht"( hl. Johannes Klimakos) Niemand außer einem Heiligen konnte so deutlich und kräftig nicht die Lügen, sondern die Essenz der christlichen Moral und aller Moral anprangern.“Ach Emile, das werden sie dir hinreiben als ein Reueeingeständnis des ehemaligen Ideologen! Von der brav abgelieferten Misanthropenschelte abgesehen: das ist richtig.

Wenn man über das Alter der Revolte hinaus ist und dennoch tobt, so kommt man sich selber vor wie ein vertrottelter Luzifer.“
Und da sage noch einer, Selbstironie mache keinen Spaß.

Ich möchte zuweilen ein Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.“
An meine Brust, Herzensbruder! Selbst wenn das alles nur Attitüde und Koketterie gewesen sein sollte: Haltung ist kein Hindernis für richtige Auskünfte: „Mit Sarkasmus kann man nur seine Wunden, wenn nicht seinen Ekel verbergen.“

In meiner Galerie der finsteren Geister nimmt Cioran mit seinem Widerstand gegen die geistlos festgeklopfte Identität und für den Starrsinn der spirtituellen Beweglichkeit des Mystikers einen Ehrenplatz ein: „Niemals habe ich mich ausweisen können. Ein Identitätsloser, eine Randexistenz, ein ganz Nichtiger, der nur durch den Exzess, die Überfülle seiner Nichtigkeit existierte.“

Daneben sind bei diesem Ketzer auch handfeste Notate der üblichen, sonst unauffällig passierenden Gemeinheiten nachzulesen:
Auf dem Konzil von Florenz im Jahr 1441 wurde dekretiert, dass Heiden, Juden, Häretiker und Schismatiker keinen Anteil am ‚ewigen Leben’ haben würden und dass sie alle, falls sie sich nicht vor ihrem Tod zur wahren Religion bekehrten, stracks in die Hölle kämen.
Als die Kirche solche Ungeheuerlichkeiten proklamierte, war sie wirklich die Kirche. Eine Institution ist nur lebendig und stark, wenn sie alles verwirft, was nicht sie ist. Unglücklicherweise gilt das gleiche für eine Nation, für ein Regime.“


Zu den Arkana des Überlebens als Zersetzer von Faulendem weiß er beizusteuern:
Ein ernsthafter, redlicher Geist versteht nichts von der Geschichte, kann nichts verstehen. Hingegen ist sie wunderbar geeignet, einen sardonischen Gelehrten zu entzücken.“

Auch so kann man seine Zunge vor der immer drohenden Lähmung retten.

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