Definitionen und Aphorismen zur Lebens-Unweisheit

Montag, 21. Januar 2008

Überzeugen


ist unfruchtbar (W. Benjamin). Superfötation erst recht. Überzeugen Sie sich gefälligst selbst.

Unberechenbarkeit
Der Grund für Spionage und Diplomatie, also eine "zutiefst" inexistente Grundlage für einen sehr zielbewußten Zweck, dessen korrekte Durchführung dazu führt, daß es sie dann doch gegeben hat.

Unfug, haltloser
All jene Einfälle, die als Argumente getarnt gegen dieses erudite Diktionär antreten zu müssen meinen.

Unsterblichkeit
der Seele war den Juden erst völlig unbekannt und zu Jesu vermuteter Lebenszeit noch sehr kontrovers.
Kaum brauchte man fürs kriegerische Abschütteln der römischen Fremdherrschaft Heroen, säuselte der plötzlich geeinte Klerus von ihr als einem jenseitigen Lohn.

Urteilsaskese
Eine heute als akademische Tugend gehandelte Geisteshaltung, die von einer überwältigenden Enthaltsamkeit in Sachen Gegenstandsorientiertheit zeugt.
Da ich mir kein Urteil zutraue, und auch sonst in der hingeknieten Subalternität des Denkens zu exzellieren wünsche, hier eine – wie ich doch anzunehmen fast mir berechtigt erscheine –respektlose, also von vornherein lausbübisch-nichtige Persiflage.
Skene: ein antiker Sklavenmarkt kurz vor Geschäftsschluss. Der ganztägig bleischwer lastende Ladenhüter, ein Skeptiker aus der Fakultät des Pyrrho, soll noch rausgehen.
(Übersetzung aus Lukians Dialogen von Christoph Martin Wieland)

Merkur: -He, meine Herren! Will uns jemand auch diesen noch abnehmen?

Käufer: Der bin ich. Aber sag mir erst was du weist?
Pyrrhonist: Nichts.
Käufer: Wie soll das gemeynt sein?
Pyrrhonist: Daß ich nicht weiß ob überall etwas da ist.
Käufer: Wie? Also wären auch wir nicht da?
Pyrrhonist: Wenigstens nicht dass ich’s wüsste.
Käufer: Du weißt also nicht ob du selbst da bist?
Pyrrhonist: Das ist gerade was ich am wenigsten weiß.
Käufer: Das heißt die Ungewissheit weit getrieben!...Aber was im gemeinen Leben zu thun ist, das wirst du doch hoffentlich ausrichten können?
Pyrrhonist: Alles, nur keinen Entlaufenen einholen.
Käufer: Und warum das nicht?
Pyrrhonist: Weil ich nichts fasse.
Käufer: Das begreift sich; du scheinst in der That ein langsamer, schwerfälliger Bursche zu seyn. Aber was ist denn das Ultimatum deines Philosophierens?
Pyrrhonist: Die Unwissenheit, und weder zu sehen noch zu hören.
Käufer: Du bist also, wie ich höre, auch blind und taub?
Pyrrhonist: Auch ohne Urteilskraft, ohne Geschmack, mit einem Wort, um nichts besser daran als ein Regenwurm.
Käufer: Das macht mir Lust dich zu kaufen.
Was soll er gelten?
Merkur: Um eine attische Mine ist er dein.
Käufer: Hier! –
Nun, was meinst du, guter Freund, hab ich dich gekauft?
Pyrrhonist: Das ist mir nichts ausgemachtes.
Käufer: O das ist sehr ausgemacht! Denn ich habe mein baares Geld für dich bezahlt.
Pyrrhonist: Ich halte mein Urteil noch zurück, bis ich die Sache näher untersucht habe.
Käufer: Folge du mir unterdessen wie es die Schuldigkeit meines Sklaven ist.
Pyrrhonist: Wer kann wissen, ob du die Wahrheit sagst?
Käufer: Der Ausrufer, mein Geld und die Umstehenden
Pyrrhonist: Sind denn noch mehr Leute da?
Käufer: Die Mühle, in die ich dich werfen lassen will, soll dich bald auf eine sehr fühlbare Art überzeugen, dass ich dein Herr bin.
Pyrrhonist: Ich halte mein Urteil zurück.

Unglück


"Auch das Unglück hat sein Gutes."
Vor allem und unzweifelhaft das meines Konkurrenten, Widersachers und all seiner Helfer und Helfershelfer.
Da hier der Gemeinplatz in ein etwas zweifelhaftes Licht gerückt erscheint, beeile ich mich hinzuzufügen:
Unbestreitbar gut dagegen ist, seinen Nächsten leiden zu sehen, zu wissen, daß er leidet. Das ist nicht nur an sich gut, sondern gut auch in den Auswirkungen, denn ein Mensch, der auf dem Boden liegt, ist ein Mensch, der verspeist werden kann. Und bekanntlich gibt es kein schmackhafteres Fleisch, selbst Schweinefleisch reicht nicht heran.
(Léon Bloy: Dem Teufel aufs Maul geschaut. Entlarvte Gemeinplätze)

Sonntag, 20. Januar 2008

Selbsterhaltungstrieb


Selbsterhaltungstrieb:
die Lüge des Psychologen über die Wahrheit, daß im modernen Staat die Pflicht zum freien Verkauf seiner selbst die Normalität ist.

Tribun


Einer, der die Überzeugungen seines Herkunftsmilieus als so zwingend verbindlich empfindet, dass er - als dessen Dödel - diese Überzeugungen überzeugend darzustellen zu seinem Metier macht. In aller Öffentlichkeit.
Die Senatoren kichern und schließen NOKIA gleichwohl.

Trieb, der
Fallweise auch Zug genannnt, woraus man ersehen kann, daß es da aufs "Wer Wen" nicht so recht ankommt.
Oder sollte es daran liegen, daß der Sprecher sich in solchem, meist als Ur Angesetzem, nicht so recht auskennt? Prinzipiell aber schon seine petitio principii beim Grundsätzlichen eingereicht haben möchte.


Tugend
Kommt von taugen. Da kann man mal sehen wie die Sprache lügt: die ganze Tugend taugt doch nichts für den, der sich ihrer fromm befleißigt. Oder ist die Tugend der Tüchtigen gemeint, der eine ersprießliche Bewirtschaftung der treuen Taugenichtse zu verdanken ist?


Trotz
Vor der Erfindung des Ressentiments das Erklärungsmodell für den unbotmäßigen Willen.
Da es eine Kultur des begründeten Einspruchs nicht geben kann, ist alle Widerrede kindische Widerborstigkeit oder pubertäre Wallung, anmaßende Überschreitung der Kompetenzen, Fahnenflucht des Schusters vor dem Leisten, Verstocktheit eines allzu sensibel Missratenen.....
Denn – wie gesagt – saure Trauben gibt es nicht.

Samstag, 19. Januar 2008

Quatsch

siehe Unfug.

Quark
Wenn die Milch der frommen Denkungsart sauer wird, sieht man sie regelmäßig ausfällig werden.

Quadrophonie
Immer raffiniertere Apparaturen dreschen auf immer dümmere angewendete Anwender ein.
Hier ist das technische Mittel, da wird sich doch wohl auch ein Zweck dafür herbeifinden lassen!

Sachzwang
ist Sachzwang, wie Gott Gott ist, das heißt außer und über allem. Der Sachzwang ist so sehr das Unerklärbare, das Unbeweisbare, das Unbestimmbare in seiner höchsten Bestimmtheit, dass es genügt, diesen Gemeinplatz auszusprechen, um jeden Widerspruch zum Schweigen zu bringen; der Tadel verstummt ebenso wie die Zornausbrüche, die Klagen und Bitten, die Entrüstung und Vorwürfe. Wer diese zwei Silben ausgesprochen hat, hat alles gesagt und alles beantwortet, weitere Enthüllungen sind von ihm nicht zu erwarten.

Satan
Ein toter Hund. Seit seiner Überarbeitung und Neuherausgabe durch die Kurie quicklebendiges Dogma.

Satiriker
Der Satiriker bewegt sich auf feindlichem Terrain. Er tut gut daran, seine Attacke zu tarnen und über sein Ziel zu täuschen. Es sind einfach zu viele, die gute Lust haben, ihm seine Ordination zu bestreiten sobald sie ihm auf die Schliche gekommen sind.
Die strategische Médisance ist also sein Metier: der Angriff, der sich über seine Widerrufung unangreifbar macht.
Was heute als Satire in den Medien seinen Sendeplatz hat, ist ein Wischen über blitzblanke Scheiben.

Scheinbar adj.
War früher.
Heute ist es wirklich so wie es aussieht.

Schwererziehbare
Der silberne Streif am Horizont, der von der freiwilligen Knechtschaft der allzu leichtsinnig Einsichtigen verdüstert wird.

Lachen


Symbolisches Entblößen der Eckzähne als Kulturtechnik, die den anderen Fleischessern zu verstehen gibt, die vorläufige Zurückhaltung bedeute keineswegs, man werde am Verzehr der Beute nicht teilnehmen.

Leutnant
In der Militärhierarchie derjenige, der den gemeinen Mann mit vorbildlichem "Sprung-auf-Marsch-Marsch"- Vorgemache dazu aufhetzt, den Schutz des Schützengrabens zu verlassen, um den Willen des Feindes an ausgerechnet dieser gefährlichen Stelle zu brechen.
Die vielen Leutnants mit Ein- und Durchschüssen a tergo aus den letzten beiden Weltkriegen gehen - nach dem Urteil des Begriffs (Stellvertreter!) und aller Beteiligten - nicht auf ihre Feigheit vor dem Feinde zurück.

Libertin
Ein Liederjahn, der so weit vom Janhagel entfernt ist, daß selbiger vom anderen nichts zu befürchten hat.
Die Fresse poliert dir immer bloß das juste-milieu.

Lümmel
ein Flegel, der Geld für das kriegt, was er macht, aber jedem, der das nicht wissen will, versichert, daß er das macht, weil er Geld dafür kriegt.
So ganz anders das Feinbein! Das kriegt kein Geld nicht und macht gar nie nichts, weswegen es auch so überaus selten vorkommt.

Romantik


Ewig daran scheitern, seine Vorstellung auch in corpore küssen können zu müssen.

Donnerstag, 17. Januar 2008

Philosophie


Denken zum Zwecke der Demütigung des Denkens, vorgetragen als erstmals korrektes Denken. Daraus kann man lernen: fürs Besserwissen ist Wissen eher hinderlich.

Paradoxon, das
Beim Kurzschluß des Paradoxons als einer in sich selbst widersprüchlichen Aussage knallen sämtliche Sicherungen im Gehirn durch.
Das schafft vielleicht Helligkeit!

Parteilichkeit
Wenn es nun mal so ist, daß immer der andere durch Parteilichkeit seines Denkens unangenehm auffällt, ergreife beherzt die Unparteilichkeit der bürgerlichen Mitte.

Polemik
Unbestellter, unzusammenhänger Gallimatthias aus Unverschämtheiten gegenstandsjenseitiger Expertisen über ein verfehltes Thema, der sich wunderbarerweise in kompetentes Expertentum verwandelt, sobald einer den Mund aufmacht, der auch wirklich was zu bestellen hat.

Montag, 14. Januar 2008

Metaphern


Mediokre Metaphern werden aus Modulen der Mythen gemacht.

Moralisieren
sich die Welt schön reden.
Davon: Schöngeist.

Medea

Eine von diesen unverständlichen gewaltbereiten Migrantinnen aus vorbürgerlichen Sphären, die - in einem Lernmilieu traditioneller innerfamiliärer Gewalt aufgewachsen - grundlose Hassexzesse inszenieren.
Tötet die beiden Kinder aus der Ehe mit Jason, als der im Einklang mit den Einwanderungsgesetzen seine Gattin verstößt, um - ganz Mann der Ordnung - die Tochter des Souveräns zu heiraten.

Mehrheit

-Die Mehrheit - gehörig zu den elementaren Gewalten - ist geeignet, dir ernstzunehmenden Schaden zuzufügen.
-Die wahllose Selbstmedikation durch Majorität ist geeignet, dir und deinen Kindern und Kindeskindern ernst zu nehmenden Schaden zuzufügen.
-Die Einnahme von Majorität macht sehr schnell abhängig. Fang gar nicht erst damit an.
-Über kurz oder lang führt die Anwendung von Majorität zur Impotenz.

Menschenfeind
Seit Menanders "Menschenfeind" ist man allgemein davon überzeugt, daß es so ganz ohne die anderen doch nicht gehe.
Es ist an der Zeit, darauf aufmerksam zu machen, daß dieser hundsgewöhnliche Wegdenk-Trick aus der Apotheke des sich selbst medikamentierenden Alltagsverstands nur genau dazu taugt.
Im Reich des Gedankens jedoch gilt - sorry! :
Ich stelle mir kurz mal mein Auto ohne Reifen vor, und schon bin ich begeistert von der Schrottlaube, an der ich sonst unentwegt was auszusetzen habe.

Methodologie
Die Erledigung eines Gegenstands durch vorsätzliche und zielbewußte Nicht-Befassung mit ihm.
Die Frage nach dem Wie möglicher Wahrheitsgewinnung ersetzt unter der Hand das als irgendwie existierend vorausgesetzte Thema, das jedoch aus seiner Befragenswürdigkeit mit Herablassung entlassen wird.

Mitte
Links von rechts, aber auch ganz gewaltig rechts von links.
Dieses - wie man sieht - anscheinend undefinierbare Nichts an einem Ort, der sich nur durch seine Nichtexistenz anderenorts definiert, beansprucht heute - auf der Suche nach sich - also als Nichts, alles zu sein.
Und genau so geht es heute zu.

Milch, der frommen Denkungsart, siehe Quark

Mitleid
Hat dich die irdische Herstellung von Gerechtigkeit zum Krüppel gemacht, tust du gut daran, die Narben und Blessuren als aus einem Kampf um Freiheit herstammend vorzuzeigen.

Nachhaltig adj.
Ursprünglich „dauerhaft werterhaltend und umweltgerecht“.
Heute ein summum bonum, das immer dann verkauft wird, wenn einer für dumm, aber wertbewusst, verkauft werden soll.
Bei „nachhaltiger Unterstützung für Bahreins Fußball“ oder „nachhaltigen Kapitalanlagen“ wäre mein Vorschlag, doch lieber beim ebenso schönen „zukunftsinvestiv“ zu bleiben.
Erst bei den „nachhaltigen Reformen“ kommen mir aber doch nachhaltige Zweifel, ob diese nachhaltig begeisterten Reformisten tatsächlich so etwas Nachhaltiges wie eine Revolution ausrufen wollen.

Naivität
Der wilde Entschluß, sich dümmer zu stellen als die anderen Tröpfe in der törichten Hoffnung, vom polierten Geschleif als urbanes Geschleif anerkannt zu werden.
Schau dich um, nichts als die Kieselöden trockengefallener Flüsse!

National adj.
als am selben Nabelstrangbaum hangend gedacht; als bloße natürliche In – die – Welt- Geschmissenheit höchster Wertschätzung bedürftig. Kommt aber nur als „-istisch“ bei anderen Blutsbrüderschaften vor, während der gesetzte Demokrat patriotisch ist.

Nationalanarchismus
Die Vorstellung, man sei in seinem ethnischen Drange so frei, sich seine gewachsenen Bindungen an die Scholle frei wählen zu müssen, damit man eine Identität hätte, mit den anderen Leuten auf dem selben Stück Dreck unter unseren Füßen.

Niveau
Eine gedachte Ebene, die -beliebigerweise - liegen mag auf einem Gradienten von Null bis Unendlich. Weswegen alle anderen unter allen anderen, oder - völlig unnützerweise - über der einzig angemessenen, nämlich der meinen, zu liegen pflegen.

Öffentliche, die, hier Meinung
Ich bin so frei, daß ich sicherheitshalber lieber der öffentlichen bin. Bis eine andere veröffentlicht wird.

Samstag, 12. Januar 2008

Kirchgängerpraxis


Der untilgbare Restmaterialismus in jeder organisierten Religion enthält den Übergang des Gläubigen zu der Auffassung, der Andersgläubige sei eine praktische Bedrohung in sich, gebiete also dessen brennende Heiligtümer und Leichenberge.



Klimaschutz:
das ist, als ob ein Scheisshaufen sich mit Gestank parfümieren wollte.

Konkurrenzgesellschaft
Die elenden Künste der Konkurrenzgesellschaft beginnnen mit der strikten Leugnung ihrer Existenz und schwingen sich auf zu den Höhen des alerten Umgangs mit deren Folgen: Achtung und Verachtung des lieben Mitmenschen unter einen Hut zu bringen erweist sich als so schwierig wie die Abschaffung des metaphysischen Zirkels.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Wandermönche
Der Weise Mein Haus ist schmutzig, meine Kinder, zahlreich,...
gitano - 22. Nov, 16:39
...
:-D
Greedy - 2. Feb, 16:08
Job-Center
bietet moralisch einwandfreien Lebensersatz, wenn es...
gitano - 4. Jan, 07:51
Polarisierung
Die hässliche Angewohnheit der Realität, nicht deiner...
gitano - 4. Jan, 07:15
Psychagogen
Tragend die Herzen der Menschen mit strebender Hoffnung...
gitano - 25. Dez, 15:15

Links

Suche

 

Status

Online seit 6547 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Nov, 16:39

Credits


100 schwarze Meisterwerke
Definitionen und Aphorismen zur Lebens-Unweisheit
Fundstücke
Journalistisches
Literatur
Mythisches Bewußtsein
Persönliches
Reisen
Reisen - Indien
Reisen -Amerika, Südwest-
Reisen -Indien 1
Reisen -Indien 2
Reisen -Indien 3
Reisen -Indien 4
Reisen -Kappadokien
Reisen -Lykien
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren